Veröffentlicht inTests

Prison Architect (Taktik & Strategie) – Comic-Alcatraz für Bauherren

Wenn ein Titel auf Steam als Early-Access-Version veröffentlicht wird, ist das längst keine Besonderheit mehr. Doch vor drei Jahren, als Introversion mit einer Alpha-Version von Prison Architect auf der Publishing-Plattform auftauchte, waren die Vorabversionen noch Neuland. Zahlreiche Updates und rege Kommunikation mit der Community später ist die Aufbausimulation fertig. Wir haben uns hinter Gitter begeben und verraten im Test, wie es uns als Gefängnis-Direktor ergangen ist.

© Introversion Software / Double Eleven / Introversion Software / Astragon / Double Eleven / Paradox Interactive

Aller Anfang ist leicht

Hier ein Verwaltungskomplex mit Leichenhalle und Krankenstation, dort ein Besucherzentrum, am anderen Ende des hoffentlich eingezäunten Geländes stehen Räume für Gefangenenarbeit, Weiterbildung und Rehabilitation zur Verfügung. Man hat schnell alles Wesentliche von den eingestellten Arbeitern aufziehen lassen. Die ersten Gefangenen sind da. Die Wachen nehmen sie in Empfang und leiten sie in die Zellen. Und solange alles noch überschaubar ist, sprich: mit weniger als 50 Inhaftierten, ist die Welt noch in Ordnung – vor allem, wenn man die Zufallsereignisse und Knastgangs ausgeschaltet hat, die einem bei höherem Gefangenenaufkommen das Leben zur Hölle machen können. Später kommen noch viele Optionen hinzu, die vom Zuteilen von Räumen für Ausbildung bis hin zu Patrouillenwegen, dem Einteilen von Wachen für bestimmte Gebiete sowie Sicherheitszonen in verschiedenen Stufen reichen, die nur von bestimmten Gefangenen betreten werden dürfen. Und natürlich kann man auch unangekündigte Razzien zur Suche von versteckten Waffen sowie Drogen durchführen oder die Inhaftierten zwangsweise in ihre Zellen zurückführen – muss dann aber auch mit den Konsequenzen wie erhöhter Reizbarkeit und Gewaltbereitschaft leben. Keiner geht gerne in die natürlich auch mögliche Isolationshaft. Zwar muss man mitunter in den Menü-Symbolen suchen, bis man am Ziel ist, doch angesichts der komplexen Möglichkeiten, die einem in Prison Architect zur Verfügung stehen, ist die Navigation beinahe kinderleicht. Auch der Bau von neuen Zellen oder Trakten wird später vereinfacht: Man kann eine „Klon-Funktion“ erforschen lassen, mit der sich kleine Areale 1:1 übernehmen lassen, so dass man nicht mühsam jedes Bett, jede Gittertür und jedes Klo manuell setzen muss.

[GUI_STATICIMAGE(setid=79181,id=92517046)]
Bei hohem Figurenaufkommen (in etwa ab 700 Charakteren) kann es zu Performance-Problemen kommen. © 4P/Screenshot

Doch so ganz ohne Mikromanagement geht es auch als Gefängnisdirektor nicht. Vor allem, wenn es zu unvorhergesehen Ereignissen wie Brände, Revolten oder eine unerwartete Zahl an Neuankömmlingen kommt bzw. wenn neue Funktionen freigeschaltet werden, ist man erst mal mit viel frickeligem Klicken beschäftigt. Auch beim Festlegen des Tagesablaufs, da man hier für die drei verschiedenen Gruppen (Inhaftierte mit geringem, normalen oder hohem Gefahrenpotenzial) unterschiedliche Einteilungen vornehmen kann. In anderen Bereichen wiederum geht  mir das Mikromanagement nicht weit genug. So kann man z.B. keine Schichten einteilen, was insofern zu Problemen führen kann, da die Angestellten auch erschöpfen und müde werden. Das Ergebnis: Entweder verlassen sie ihren Posten und gehen in den zur Verfügung gestellten Aufenthaltsraum, um die Batterien aufzuladen. Oder aber sie ruhen an Ort und Stelle aus. Bei einem Arbeiter kann das auch schon mal mitten in einer Bauphase passieren.

Comic mit Character


Doch abgesehen von diesen kleineren Momenten und einer gewissen Routine, die beim x-ten Knastaufbau einsetzt, lässt mich Prison Architect nicht los. Man hat immer was zu tun. Es gibt immer etwas zu optimieren. Und die sich ständig verschiebenden Forderungen bzw. Wünsche der Gefangenen halten einen zusätzlich auf Trab. Mitunter ist es zwar unklar, wieso sie sich z.B. über das Essen beschweren, obwohl ich auf maximale Variation gestellt habe und auch die maximale Anzahl an Zutaten zulasse – obwohl dies gewaltig zu Lasten des Kontostandes geht. Doch im Großen und Ganzen sind Ursache und Wirkung sowohl bei negativen als auch positiven Erlebnissen nachvollziehbar und plausibel. Ein weiterer

[GUI_STATICIMAGE(setid=79181,id=92517032)]
Für jeden Inhaftierten gibt es eine Akte mit Biografie. Für die Angestellten sucht man diese Infos vergebens. © 4P/Screenshot

Faktor, der sich positiv auf die Motivation auswirkt, ist das audiovisuelle Design. Scheppernde Gittertüren, klappernde Schlüsselbunde, murmelnde Gefangene, Funkdurchsagen der Wächter: Alles sorgt für eine stimmige Sounduntermalung, die nachlässt, je weiter man herauszoomt.

Das comichafte und irgendwie an reduzierte South-Park-Figuren angelehnte Charakterdesign, das wunderbar zum klar strukturierten Blockbau der Umgebung passt, kann sich ebenfalls sehen lassen. Obwohl die Figuren nur aus wenigen stilisierten Segmenten bestehen, haben sie Charakter. Zudem lässt sich für jeden Inhaftierten eine Biografie einsehen, in der nicht nur seine bisherigen Straftaten aufgeführt sind, sondern ggf. auch ein Psychoprofil oder eine Übersicht über das Verhalten im Gefängnis gefunden werden können. Schade ist allerdings, dass diese Biografien nicht für die Angestellten zur Verfügung stehen. So wachsen einem die Knackis mehr ans Herz als die Wärter, Köche usw., die durch die fehlende Persönlichkeit austauschbar und im Fall von Revolten zu leicht ersetzbarem Kanonenfutter werden. Zudem wird ab etwa 500 bis 700 Gefängnisinsassen selbst auf Rechnern der gehobenen Mittelklasse das Geschehen deutlich gestört, es kommt zu Bildratenproblemen und die Mausklicks werden mitunter auch erst mit einer kleinen Verzögerung ausgewertet.

Die Kehrseite der Medaille

[GUI_STATICIMAGE(setid=79181,id=92517042)]
Im Ausbruchs-Modus muss man versuchen, seinen Ruf zu verbessern, um schließlich erfolgreich fliehen zu können. © 4P/Screenshot

Wie es ist, auf der anderen Seite des Gesetzes oder der Gitterstäbe zu stehen, zeigt der Flucht-Modus. Hier schlüpft man in die Rolle eines Inhaftierten und muss sich einen Ruf erarbeiten, um eine kleine Gang um sich zu scharen sowie Hilfsmittel zu organisieren, damit man einen Fluchtversuch unternehmen kann. Interessanterweise kann man nicht nur über das Extras-Menü diesen Modus aufrufen, sondern kann auch als Gefängnisdirektor in diese missliche Lage kommen, so z.B. wenn es zu viele Tote in einem kurzen Zeitraum gibt und man wegen Missachtung der Aufsichtspflicht verurteilt und inhaftiert wird. So kann man sein eigens gebautes Gefängnis auf Ausbruchsicherheit überprüfen. Interessanter wird es jedoch, wenn man per Zufall ein Gefängnis aus dem Steam Workshop zugeteilt bekommt, um einen Weg nach draußen zu finden.

Da die Möglichkeiten im Vergleich zu einem The Escapists jedoch deutlich eingeschränkt sind und man letztlich nach dem Ausbaldowern das Gefängnislayouts immer wieder die gleiche Aktionsschleife durchläuft (auch wenn man mit ein paar Kumpanen unterwegs ist), gewinnt die Flucht ihren Reiz nur durch die verschiedenen Gefängnisse, die man herunterladen kann. Und durch die zahlreichen Optionen der Gesetzeshüter, einen auszuschalten: Vom Tazer bis zum Schrotgewehr und natürlich der Polizeihundstaffel ist alles dabei. Als Ergänzung zum strategischen Aufbau ist Escape brauchbar.