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Prison Architect (Taktik & Strategie) – Comic-Alcatraz für Bauherren

Wenn ein Titel auf Steam als Early-Access-Version veröffentlicht wird, ist das längst keine Besonderheit mehr. Doch vor drei Jahren, als Introversion mit einer Alpha-Version von Prison Architect auf der Publishing-Plattform auftauchte, waren die Vorabversionen noch Neuland. Zahlreiche Updates und rege Kommunikation mit der Community später ist die Aufbausimulation fertig. Wir haben uns hinter Gitter begeben und verraten im Test, wie es uns als Gefängnis-Direktor ergangen ist.

© Introversion Software / Double Eleven / Introversion Software / Astragon / Double Eleven / Paradox Interactive

Der Beispiel-Frühstart

Die Briten von Introversion sind immer für eine Überraschung gut. Unter anderem, weil sie es in ihren bisherigen Titeln wie Darwinia oder Defcon geschafft haben, minimalistisches Artdesign mit packender Strategie zu verbinden – beide Titel konnten bei uns einen Gold-Award einheimsen. Doch dass sie mit Prison Architect quasi zu den Urvätern von „Early Access“ wurden, hätten sie sich wohl nicht träumen lassen. Und ähnlich wie Haemimont mit Victor Vran haben sie die mehr als eine Million Käufer nicht im Regen stehen lassen: Nahezu jeden Monat kam ein Update, das mit Fehlerbehebung und häufig dem Hinzufügen neuer Inhalte bzw. Feintuning klar machte, dass Introversion nicht auf der faulen Haut liegt. Zudem war die Kommunikation mit der Community, die sehr früh an das Projekt geglaubt hat, gut und intensiv. An dieser Verfahrensweise können sich andere Entwickler eine große Scheibe abschneiden.

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In Prison Architect ist man für Aufbau und Pflege eines Gefängnisses verantwortlich. © 4P/Screenshot

Anteil an dem Erfolg dürfte auch die Thematik haben: Am PC gibt es notorischen Mangel an guter Aufbaustrategie. Und falls doch mal etwas Lohnenswertes erscheint, ist man meist mit dem Bau irgendwelcher Städte oder dem Verwalten von Handelswegen beschäftigt. Hier ist man, wie der Name mehr als dezent andeutet, damit beschäftigt, eine Strafvollzugsanstalt aufzubauen und einen laufenden Betrieb zu gewährleisten. Das Ziel: Nicht nur finanziell auf sicheren Beinen zu stehen, sondern die Gefangenen im Idealfall zu rehabilitieren und damit wieder zu verantwortungsvollen Mitgliedern der Gesellschaft zu machen. Allerdings fängt man klein an: Mit einer leeren Fläche, die man aus drei Größen wählt. Spätere Einwirkungen wie Zufallsereignisse oder die Option des Scheiterns können  komfortabel festgelegt werden.

Alcatraz, Santa Fu oder Blümchenpflücken?

Und ab diesem Moment hat man sämtliche Freiheit. Weiterreichende Funktionen wie Arbeit für die Inhaftierten, patrouillierende Wachen, Videokameras und vieles mehr muss erst freigeschaltet werden. Doch auch ohne die tieferen Spielebenen, die später wichtig für das Überleben von sowohl Gefangenen als auch Angestellten sind, hat man genug zu tun. Fundamente müssen geplant und gelegt werden. Mauern müssen aufgezogen, Zellen ausgewiesen und eingerichtet sowie administrative Bereiche wie Büros, aber auch Küchen, Essensräume, Krankenstationen und vieles mehr festgelegt werden. Die Sicherheit darf dabei nicht zu kurz kommen, außerdem muss man für eine adäquate Strom- und Wasserzufuhr sorgen. Und das alles mit einem knappen Budget. Zwar bekommt man für jeden aufgenommen Häftling von Vater Staat eine Sofortgebühr sowie eine kontinuierliche Vergütung. Doch mit mehr Inhaftierten steigen auch die Anforderungen an

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Zufallsereignisse wie Revolten sorgen für zusätzliche Spannung sowie Herausforderung. © 4P/Screenshot

Küche, Personal, Sicherheit sowie die allgemeine Versorgung. Man muss ständig die Finanzen im Auge behalten. Man kann zwar auch Subventionen beantragen. Die sind aber wiederum an Bedingungen geknüpft, die erfüllt werden müssen – mitunter innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens.

Wer will, kann natürlich sofort den Sprung ins kalte Wasser wagen und nach dem Motto „Aus Schaden wird man klug“ die anfänglich sehr angenehme Lernkurve in Angriff nehmen. Komfortabler in die umfangreichen und gut miteinander verzahnten Mechanismen eingeführt wird man allerdings mit der über fünf Kapitel laufenden Kampagne. Untermalt von gut gezeichneten Zwischensequenzen wird man Zeuge einer teils sehr schonungslosen Geschichte. Man ist Zeuge einer Hinrichtung, muss mit ansehen, wie eine Gefängnisrevolte zahlreiche Unschuldige das Leben kostet und erfährt am eigenen Leib, dass Resozialisierung nicht vom Zaun gebrochen werden kann – vor allem, wenn die angestellten Wachen nicht mitmachen. Die Dialoge, die leider nicht vertont und auch nicht ins Deutsche übersetzt wurden, sind gut. Introversion packt ein gehöriges Maß an Gesellschaftskritik in die Texte, ohne jedoch mit dem erhobenen Zeigefinger zu wackeln – sehr schön!