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Outward (Rollenspiel) – In der Wildnis verirrt

In Kanada weiß man, was Wildnis bedeutet, wie man einen Rucksack packt und Abenteuer unter widrigen Wetterbedingungen besteht. Umso passender, dass das Survival-Rollenspiel Outward in Quebec entwickelt wurde. Das kleine Team von Nine Dots will auf PC, Xbox One und PS4 in eine offene Fantasywelt entführen, die man alleine oder kooperativ erkunden kann, sowohl online als auch offline im Splitscreen. Dabei geht es um Kampf und Magie, aber in erster Linie um das Überleben auf der Reise zum nächsten Ziel. Wir sind losgezogen.

© Nine Dots Studio / Deep Silver

Viele Brüche

Schon in den Siedlungen muss man als Rollenspieler einige Abstriche machen: Zwar bewegen sich die Bewohner von A nach B, es gibt Händler & Co, aber das wirkt alles sehr statisch. Mal darf man mit Nicht-Spieler-Charakteren reden, mal nicht. Mal haben sie etwas Interessantes zu sagen oder man hat sogar Multiple-Choice-Optionen, mal fühlt man sich wie in einem schlechten Floskelfilm; meist gibt es nur einen gesprochenen Satz des Dialogs auf Deutsch, den Rest dann als Text. Nur wenige Gebäude lassen sich betreten und gerade zu zweit ist die Kameraführung ein Graus, zumal sie immer wieder hinter Texturblöcken verschwindet. Die Fantasywelt gleicht einem Flickenteppich aus Archetypen und Motiven, der es einem schwer macht, wirklich mehr erfahren zu wollen. Wir haben uns trotz lobenswerter Ansätze viel zu oft gefragt, ob wir uns das die nächsten Stunden wirklich weiter antun wollen; nicht nur das Mikromanagement, sondern auch die Präsentation und die Technik. Hier wirkt von Beginn an vieles wie in einem unvollendeten Baukasten mit veralteten Werkzeugen und aneinander geklebten Teilen.

Das Tutorial ist z.B. als langatmiger Rundkurs angelegt, auf dem man einer Leuchtspur folgt und alles Nötige sowie Ungewöhnliche lernt. Aber es wirkt wie ein Fremdkörper, der weder erzählerisch noch spielerisch an das Abenteuer angedockt ist – immerhin ist es freiwillig. Aber das hätte man wesentlich eleganter integrieren können! Zwar darf man einen

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Nachdem man seine Schuld von 150 Silber bezahlt hat, öffnet sich die Erzählung mit drei möglichen Zielen. © 4P/Screenshot

männlichen oder weiblichen Charakter erstellen, dabei aus europäisch, asiatisch oder afrikanisch angehauchten Völkern und Frisuren wählen, aber Spaß macht das nicht, denn man kann viel zu wenig individuell anpassen, zumal Figuren- und Artdesign nicht überzeugen. Charakterwerte bleiben zunächst ohne Würfelei oder Vergabe vorgegeben, eine Klasse à la Krieger oder Magier gibt es nicht, aber dafür kann man sich später bei Ausbildern verbessern oder Fraktionen anschließen, um sich weiter zu spezialisieren – es gibt also genug Raum für Entwicklung. Man startet allerdings als einer von vielen gewöhnlichen Bewohnern, als Greenhorn, der nahezu nichts kann, aber in einer Blutlinie von Abenteurern geboren ist. Und der kann sich seine Welt leider nicht aussuchen…

Seltsame Spielwelt


Wenn man zu zweit offline loswandert, einer auf dem oberen Teil des Bildschirms, ein anderer unten, öffnet sich eine Wildnis, die leider wenig epische Fragen aufkommen lässt: Welches Jahr haben wir? 1999 oder 2019? Gibt es keine hübschere Kulisse? Nope. War unser Kampf gegen diese Hyäne, also das parallele Gekloppe, gerade wirklich animiert? Jup. Ruckelt es tatsächlich sporadisch auf PlayStation 4 Pro? Jup. Es bleibt bei dieser unnötig verschachtelten Menüführung? Diesen stocksteifen Figuren, die schonmal endlos gegen Laternen laufen? Oder anderen kleinen Bugs, die beim Aufruf der Stadtkarte schonmal ein ganz anderes Gelände als das von Cierzo zeigen? Jup. All das ist nicht fatal, aber es dämpft die Motivation erheblich. Es ist auch schade, dass das Abenteuer nicht konsequent für das kooperative Spielen optimiert wurde: Man wird in Quests immer nur als Einzelperson angesprochen, muss Beute umständlich auf den Boden werfen, um sie auszutauschen, es gibt keinerlei kooperative Manöver oder Aktionen. Trotzdem haben wir uns gefreut, endlich mal wieder zusammen an einem Bildschirm losziehen zu können.

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Das Inventar-Management bietet leider keinen kooperativen Komfort: Man muss Dinge auf den Boden legen, damit der Partner sie aufnehmen kann. © 4P/Screenshot

Aber auch die Wildnis ist letztlich nicht so wild. Immerhin bewegt sich da draußen was, denn Tag und Nacht wechseln, das Licht des Leuchtturms streicht über das Meer, außerdem begegnet man je nach Zeit anderen Tieren und Monstern, Banditen und Wanderern – manchen sollte man besser ausweichen. Aber man hat trotz dieser sporadischen Begegnungen das Gefühl durch eine sterile Landschaft ohne wirklich relevante Erkundungsreize oder „innere Glaubwürdigkeit“ zu laufen. Ja, es gibt auch Monumente, dazu Höhlen, Dungeons, Strände, Sümpfe, Wüsten, Gebirge oder Festungen. Aber das wirkt meist künstlich zusammen gesetzt, stellenweise schlimm texturiert und wenn man mal tiefer fällt, gibt es nicht mal den Ansatz einer Sturzanimation. Ich vermisse nicht in erster Linie die Power einer Engine, sondern die Sogwirkung einer wirklich gut ausgearbeiteten Fantasywelt: Selbst das fast zwanzig Jahre alte Dark Age of Camelot wirkt heute noch anziehender. Immer wieder gibt es seltsame Brüche, die mal zum Schmunzeln animieren, mal zum Kopfschütteln oder Fluchen.