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Medal of Honor (Shooter) – Medal of Honor

Seit 2001 kämpft die US-Armee mit ihren Alliierten in Afghanistan gegen die radikal-islamischen Taliban – und ein Ende ist nicht abzusehen. Electronic Arts nimmt den laufenden Konflikt am Hindukusch als Vorlage für den Neustart der Medal of Honor-Marke. Packt man die Thematik sensibel an und übt sich in einem reflektierten sowie kritischen Umgang mit dem Krieg oder liefert man explosive Shooter-Unterhaltung á la Modern Warfare ab?

© Danger Close Games / DICE / Electronic Arts

Skriptomanie

So schlägt man sich komfortabel durch die dörflichen Straßen, stürmt Häuser oder kämpft sich durch schroffe Gebirgs- und Landschaftszüge in Afghanistan, in dem Brauntöne die Szenerie dominieren. Dabei ist man nie alleine unterwegs: Sowohl in den

Die Rangers sind das Breitschwert der US-Armee.

Tier 1-Missionen der Spezialeinheiten als auch mit den Rangers hat man mindestens einen Kameraden an seiner Seite – meist besteht die Truppe sogar aus insgesamt vier Soldaten. Wie beim offensichtlichen Vorbild Call of Duty setzten auch die Entwickler von Danger Close auf den übermäßigen Einsatz von geskripteten Szenen, in denen die Mitstreiter z.B. im Nahkampf spektakulär einen Gegner ausschalten. Das mag auch ein Grund dafür sein, dass man auf einen Koop-Modus verzichtet hat, obwohl er sich eigentlich angeboten hätte. Doch auch die KI leistet in der Regel eine gute Unterstützung und überlässt nicht mir die ganze Arbeit. Trotzdem gibt es den einen oder anderen Aussetzer, wenn z.B. ein Mitstreiter partout nicht aus der Schusslinie gehen will und sich von den Taliban mit Kugeln durchsieben lässt. Da der KI nichts passieren kann, hat sie in einer solchen Situation gut lachen, doch für eine authentische Atmosphäre ist dieses Verhalten nicht gerade förderlich. Auch dass die Mitstreiter unabhängig von meiner Waffe immer Munition parat haben, wenn mir die Kugeln ausgehen, passt nicht ins Bild. Schlimmer ist jedoch, wenn ein Skript nicht funktioniert, doch genau das habe ich einmal erlebt, denn die KI verharrte an einer Stelle anstatt weiter zu laufen und mir eine Tür zu öffnen, um weitermachen zu können. In solchen Situationen bleibt einem nichts anderes übrig als den letzten Speicherpunkt zu laden – zum Glück sind diese zahlreich und fair verteilt. Insgesamt macht die Kameraden-KI auch ohne ein Befehlssystem einen guten Job, obwohl man sich manchmal wünscht, ihr Verhalten beeinflussen zu können.

Sind Taliban dumm?

Was die Intelligenz der Gegner angeht, ist man dagegen auf dem Holz(kopf)weg: Selbst auf dem höchsten der drei Schwierigkeitsgrade erinnern die Taliban stark an Moorhühner, die quasi darum betteln, von mir abgeschossen zu werden. Wie ist es sonst zu erklären, dass die meisten von ihnen wie in einem schlechten Film ins offene Feuer rennen? Zudem verharren sie meist an ihrer Position und werden sich der Bedrohung nicht mal dann bewusst, wenn ich direkt hinter ihnen stehe und sogar einen Schuss abgebe. Doch das Hören und Sehen gehört ohnehin nicht zu den Stärken der Gegner-KI – das musste ich im Laufe der Kampagne immer wieder feststellen, wenn ich z.B. im Erdgeschoss ein Feuerwerk mit Granaten und MG-Gehämmer veranstalte und anschließend in den ersten Stock marschiere, wo man von dem Krach scheinbar nichts mitbekommen hat. Dass die Gegner trotzdem gefährlich sind, verdanken sie vor allem ihrer Überzahl, dem stellenweise unendlichen Respawn sowie der relativ hohen Trefferquote, der man mit dem regenerativen Heilsystem entgegen wirken kann. Trotzdem ist Medal of Honor insgesamt zu einfach geraten, denn selbst der höchste Schwierigkeitsgrad stellt nur in einigen wenigen dramatischen Momenten eine echte Herausforderung dar. So marschiert man relativ problemlos bis zum enttäuschenden Finale, wobei man sich offensichtlich auch in Sachen Spielzeit am Vorbild von Infinity

Ward

Auch in Höhlen haben sich die Taliban verschanzt.

orientiert hat: Gerade mal fünf Stunden ist man in Afghanistan unterwegs, bis der Abspann zusammen mit einigen Durchhalte- und Dankes-Parolen über den Bildschirm flimmert! Immerhin darf man die Abschnitte im Tier 1-Modus unter verschärften Bedingungen erneut in Angriff nehmen: Hier kämpft man nicht nur gegen die Uhr, sondern auch ohne jegliche Checkpunkte sowie Zielhilfe um einen Platz auf der Online-Rangliste. Jeder Kopftreffer und erfolgreiche Nahkampf wird mit einem kleinen Zeitbonus belohnt, mit dem man sein Ergebnis verbessern kann. Klar, dass man mit diesem Modus hauptsächlich die Hardcore-Spieler ansprechen will…eine nette Ergänzung ist er allemal.

Abwechslungsreicher Einsatz

Zumindest hat die kurze Kampagne einiges zu bieten: Erinnern Aufgaben wie die Eroberung eines Flughafens oder das Ausschalten von Mörsern an das Standardprogramm, sorgen Sniper-Missionen, Lasermarkierungen sowie Fahrzeug- und Railsequenzen für Abwechslung im Soldatenalltag. Doch leider kommt parallel dazu oft das große Gähnen, denn wenn ich fünf Minuten lang stupide diverse Ziele mit dem Laser markieren muss, wünsche ich mir schnell den Shooter-Teil zurück, auch wenn dort nichts Außergewöhnliches geboten wird. Ähnlich ergeht es mir bei den Fahrsequenzen auf dem ATV, die kaum öder hätten ausfallen können. Hier besteht die Aufgabe schlicht daraus, dem Vordermann hinterher zu eiern und an einer Stelle manuell das Licht auszuschalten, um nicht aufzufallen. Kein Feuergefecht, keine rasante Verfolgungsjagd, keine Spannung, nichts. Verglichen mit der actionreichen Snowmobil-Abfahrt bei Modern Warfare 2 erinnern die ATV-Abschnitte bei Medal of Honor an eine Schlaftablette mit enorm hoher Dosis. Die Railsequenz an Bord eines Apaches kann dagegen überzeugen, wenn man begleitet von den rockigen Klängen von Linkin Park die Taliban mit Raketen eindeckt und aus sicherer Entfernung Mörser-Stellungen anvisiert. Und trotzdem hat man ständig das Gefühl, dass man irgendwie an allen Ecken wie Modern Warfare sein will, aber es trotzdem nicht schafft.