Veröffentlicht inTests

Iconoclasts (Plattformer) – Mit Grips und Schraubenschlüssel

Ein-Mann-Entwickler Joakim Sandberg (Noitu Love) hat eine etwas andere Dystopie erschaffen: Auf den ersten Blick wirkt der offen gehaltene Plattformer Iconoclasts wie eine farbenfrohe Hommage an Serien wie Shantae oder Wonder Boy, doch unter der Oberfläche brodelt ein gesellschaftlicher Konflikt mit einer gnadenlosen Sekte.

© Joakim Sandberg / MP2 Games / Bifrost Entertainment

Dezentes Crafting

Das Arsenal ist nicht allzu ideen- oder umfangreich, aber nützlich: Die Waffen z.B. bringen jeweils eine aufladbare Zweitfunktion wie eine kleine Rakete oder einen kraftvollen Powerschuss mit sich. Mit Ressourcen aus Geheimräumen lassen sich Optimierungen für Statuswerte hinzufügen, mit denen man z.B. länger taucht oder schneller läuft. Eine kleine Ergänzung, die zwar keinen allzu großen Einfluss auf den Spielablauf nimmt, dadurch aber auch keine Crafting-Verächter nervt. Eine wichtige Rolle spielt natürlich der überdimensionierte Schraubenschlüssel, der Türen öffnet, sich als kleine Schwung-Liane benutzen lässt oder sogar feindliche Projektile abwehrt. Letzteres wird vor allem in den zahlreichen Auseinandersetzungen mit großen Roboter-Bossen nützlich. Der Kampf gegen sie gestaltet sich glücklicherweise ein wenig knackiger als gegen die etwas zu einfachen Standard-Gegner. Hat man erst einmal ihren wunden Punkt entdeckt, sind aber auch sie relativ schnell Geschichte – zumindest im „normalen“ Story-Modus.

[GUI_STATICIMAGE(setid=83200,id=92559080)]
Lust auf eine Abkühlung? © 4P/Screenshot

Zum Start des Spiels darf man alternativ auch einen knackigeren Schwierigkeitsgrad auswählen. Nebenbei versucht man sich an einem lustigen kleinen Reaktionstest mit explosiven Kisten oder erledigt diverse weniger spannende Nebenquests wie Briefbotengänge. Beim Aufrufen der Karte weist ein nützlicher kurzer Denkanstoß auf die nächste Aufgabe hin. Zu einem eindimensionalen Gut-Böse-Schema verkommt die Geschichte glücklicherweise nicht:  Fast alle Figuren denken auf Robins Weg laut darüber nach, inwieweit sie der Sicherheit oder dem sozialen Frieden zuliebe kollaborieren oder sich kleine Sünden wie eine dringend benötigte, illegale Reparatur leisten sollen.


Faszinierende Welt


Auch in der Führungsebene einer unterirdischen Widerstandsbasis oder des sektenartigen Konzerns „One Concern“ gibt es immer wieder Konfliktpotenzial. Mal ist eine depressive Mutter sauer, weil ein Widerständler einfach Fremde wie mich in die Basis lässt – später läuft der esoterisch schwafelnde „Royal“ nach einem Streit kurzerhand über und schließt sich mir an. Immer wieder hat man auf diese Weise einen Mitreisenden „im Gepäck“, der einem aushilft und z.B. an Toren Zugang verschafft.

[GUI_STATICIMAGE(setid=83200,id=92559077)]
Roboboss voraus! © 4P/Screenshot

Die bizarre Gesellschaftsordnung verleiht der Welt deutlich mehr Tiefe als im leichtfüßig-albernen Shantae oder ähnlichen offenen Plattformern. Leider übertreibt Joakim Sandberg es mit der Zahl und Länge der Dialoge. Man muss sich ohnehin schon gut konzentrieren, um den Sinn in all den bizarren, teils esoterischen Gleichnissen  zu erkennen. Weniger wäre hier also klar mehr gewesen, zumal die Gespräche klassisch in kleine Textkästchen tickern. Die etwas hölzerne deutsche Übersetzung macht den Lesemarathon noch anstrengender. Macht euch schon einmal darauf gefasst, nur gut die Hälfte der rund 15 Spielstunden mit Rätseln und Action zu verbringen  – und die andere mit dem Lesen von Dialogen. Hier werden wieder die typischen Vor- und Nachteile eines Ein-Mann-Projekts deutlich: Einerseits konnte während der sieben Jahre Entwicklungszeit niemand von oben Einfluss auf das erfrischend bizarre Konzept der Spielwelt nehmen.

Zu viel Geschwafel

[GUI_STATICIMAGE(setid=83200,id=92559082)]
„Chrom“ nimmt nicht nur einen Bosskampf erstaunlich gelassen. © 4P/Screenshot

Andererseits hat offenbar auch niemand Sandberg darauf hingewiesen, dass die schiere Menge an Text in diesem Kontext ermüdend wirkt. Grafisch ist das Abenteuer dagegen meist erfrischend umgesetzt, obwohl die Animationen nicht die Detailverliebtheit und Vielfalt größerer Projekte wie Rayman Legends, Guacamelee oder Ori and the Blind Forest erreichen. Technisch gibt sich das Spiel auf allen Plattformen keine Blöße – und auch inhaltlich konnten wir keine Unterschiede zwischen den Versionen für PC, PlayStation 4 und PS Vita feststellen. Für Sonys Systeme gibt es löblicherweise Cross-buy, so dass Käufer einer Fassung die andere hinzubekommen. Auf Cross-Save für einen gemeinsamen Spielstand wurde aber leider verzichtet.