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Far Cry 5 (Shooter) – Überall Wahnsinn

Nachdem man in Far Cry u.a. in fiktiven Gebieten Afrikas, Nepals und Indonesiens gegen machthungrige Tyrannen, Waffenschieber oder wild gewordene Piraten antrat, zieht es Ubisoft mit Far Cry 5 in den amerikanischen Westen. Hier nimmt man sich aktueller Themen wie Recht auf Waffenbesitz oder Religions- und Meinungsfreiheit an. Kann man den Shooter in offener Welt besser inszenieren als zuletzt? Mehr dazu im Test.

© Ubisoft Montreal / Ubisoft

Das Problem mit der Intelligenz

Agiert man seinerseits jedoch einigermaßen clever und ist entweder zielsicher im Umgang mit Fernwaffen oder hat sich einen Weg zurechtgelegt, um einen nach dem anderen hinterrücks auszuschalten, mitunter durch Stealth-Kombos, gibt es kaum ernsthafte Gegenwehr. Die KI reagiert nicht, wenn man sich in ihrem peripheren Sichtkegel bewegt, sondern nur, wenn man weitgehend frontal auf sie zu rauscht. Dann wiederum zeigt sie vollkommen unglaubwürdige Laufwege und wartet eigentlich nur darauf, sie von ihrem Leid zu erlösen. Auch Momente, in denen sie den Weg vorbei an Hindernissen standhaft verweigert oder am Steuer eines Fahrzeugs vollkommen unberechenbar durch die Landschaft oder den Himmel pflügt, gibt es mehr als genug. Und leider ist die Tierwelt auch nicht cleverer: Elche, die wild über Felder oder Straßen laufen. Pumas, die nicht nur Beutetiere angreifen, sondern auch vor einem Wolfsrudel oder einer Bärengruppe nicht halt machen. Truthähne, die getroffen vom Streufeuer, urplötzlich ihre instinktive Angst verlieren und angreifen.

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Dass Ubisoft Kulisse „kann“, ist kein Geheimnis. Doch inhaltlich sind andere offene Welten wie Assassin’s Creed oder Watch Dogs an Far Cry vorbei gezogen. © 4P/Screenshot

Die Welt, die von der bewährten hauseigenen Dunia-Engine unglaublich detailverliebt dargestellt wird und in weiten Teilen hochansehnlich ist, wird durch solche Aktionen kontinuierlich entwertet und verliert ihren Charme. Dagegen kann selbst die durch die Bank hervorragende Akustik nicht mehr helfen, die mit kaum einen Grund zur Beanstandung gebenden deutscher Sprachausgabe sowie stimmungsvollen Kompositionen und einem zwar kleinen, aber feinen Lizenzsoundtrack überzeugt. In einem Moment wird man von der audiovisuellen Kulisse gefangen genommen, im nächsten entzaubert sich Far Cry 5 durch ein vollkommen beklopptes Natur- oder NPC-Verhalten. Und das bei einer Serie, dessen Premiere von seinerzeit bahnbrechendem KI-Verhalten geprägt war. Derart groß war der Bruch im alten Ägypten der Assassinen oder dem San Francisco der Hacker bei weitem nicht – hier zeigt man sich in etwa auf dem Niveau von Ghost Recon Wildlands, das in dieser Hinsicht auch nicht glänzen konnte. Und damit wir auch außerhalb von Ubis Katalog schauen: Das Hope County ähnliche Blaine County aus Grand Theft Auto 5 hatte hier ebenfalls ein deutlich stimmungsvolleres Gesamtbild zu bieten. Wenn die Welt nicht nur visuell prachtvoll wäre, wobei man vor allem mit Flugzeugen oder Helikoptern doch einen deutlich sichtbaren Grafikaufbau in der Entfernung feststellen, sondern auch mit glaubwürdiger Fauna und NPCs gefüllt wäre, könnte Ubi hier Rockstar Games problemlos Konkurrenz machen. So aber bleibt man selbst hausintern hinter den meisten anderen Serien zurück.

Starke Charaktere, schwache Erzählung

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So stark die Figuren auf Anhieb wirken, werden sie unter dem Strich nur höchst eindimensional inszeniert. Hier wird viel Potenzial verschenkt. © 4P/Screenshot

Zusammengehalten wird das Spielerlebnis in erster Linie von der Hauptgeschichte bzw. den starken Charakteren darin. Die gesamte Seed-Sippe hat einen Hau weg und ist mit ihrer freizügigen Auslegung von Religion, Redefreiheit und Waffenbesitz (also den Grundpfeilern der US-Gesellschaft) eine idealer Grundlage für eine Satire. Was angesichts der Trump’schen Medienrealität schon schwer genug ist, die als Politfarce nicht erfunden werden könnte (selbst wenn die talentiertesten Drehbuchschreiber sich Monate einschließen würden). Allerdings wird hier zudem meist nur ein Charaktermerkmal der Figuren abgebildet und bis zum letzten ausgewalzt, anstatt sie multidimensional darzustellen. Dadurch wird zwar das Böse in ihnen noch fokussierter dargestellt, doch wenn man das bei Schauspielern sehr beliebte Stilmittel der weichen, verletzlichen Momente ebenfalls genutzt hätte, wäre eine differenzierte Charakterisierung möglich gewesen. So, wie es Rockstar Games bei seinen letzten großen offenen Welten wie Red Dead Redemption oder GTA 5 größtenteils mit Bravour geschafft hat. Außerdem haben die meisten Nebenfiguren Schwierigkeiten, neben diesen polarisierenden Antagonisten zu bestehen. Einzig Hurk, ein wiederkehrender Charakter aus Far Cry 3 und Far Cry 4, seine nie um Schimpfworte verlegene Mutter und der Pilot Hank schaffen es, sich über ihre Hillbilly-Klischees hinaus ins Gedächtnis zu spielen – auch weil sie ungewöhnliche Facetten zeigen. Die meisten anderen bleiben zu blass. Auch, weil man ihnen keine Zeit gibt, sich in der Geschichte und damit der Welt zu etablieren. Man befreit sie oder trifft sie. Man erledigt einen Auftrag für sie. Und dann werden sie mehr oder weniger unwichtig.