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Fallout 4 (Rollenspiel) – Endzeit in Neuengland

Wer hätte 1997 gedacht, dass man über ein Spiel namens Fallout im Jahr 2015 überhaupt noch diskutieren würde? Achtzehn Jahre später lockt das radioaktiv verseuchte Amerika weiter Rollenspieler an. Und die bizarre Endzeit ist mit Vault und Pip-Boy längst ein Teil der Gegenwartskultur. Die wichtige Frage für Abenteurer ist, ob Bethesda mit seiner offenen Welt begeistern kann. Wie uns Fallout 4 gefallen hat, klärt der Test.

© Bethesda Game Studios / Bethesda Softworks

Top-Ingenieur in Baulaune

Es wirkt zwar erzählerisch unpassend, dass man gleich zu Beginn den Zugriff auf das mächtige Baumenü bekommt: Warum kann jemand, der zweihundert Jahre verschlafen hat wie ein Top-Ingenieur alles vom Haus über den Generator bis zum Geschützturm herstellen? Außerdem wird das Bauen selbst nicht gut genug erklärt und kann recht fummelig sein – es dauert seine Zeit, bis das Drehen, Wenden und Andocken flutscht. Seltsam ist auch, dass man bei planierten Flächen nicht automatisch gerade Wände hochziehen kann. Hat man sich daran gewöhnt, entfaltet es aber nicht nur architektonische Reize, weil man coole Bauwerke inklusive Elektrizität und Fallen über mehrere Etagen erreichten kann.

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Es gibt auch Tavernen und Spelunken, in denen man Jobs findet. © 4P/Screenshot

Man merkt jedem befreiten Ort an, dass Bethesda da kein Copy&Paste betrieben, sondern eine individuelle Struktur gelegt hat, in der es viele Dinge bereits gibt, so dass sich zunächst das Beobachten und dann cleveres Anbauen statt totaler Verschrottung lohnt. Moment, da sind schon Kabelstränge, wohin führen die denn? Wenn ich da hinten einen Generator baue, kann ich ja die ganze Burg beleuchten – das klappt ja! Tolle Momente sind auch jene, in denen der Bau-Editor quasi Teil des Erkundungsreizes wird, weil man vielleicht irgendwo Hindernisse beseitigt, die einen Tunnel verbergen – cool! Hinzu kommt, dass man über angesiedelte Händler auch Einnahmen bekommt und seine Siedlungen mit Versorgungslinien vernetzen kann. Und Bethesda bindet all die fortschrittlichen Entwicklungen dann an Fähigkeiten. Sprich: Man muss Punkte z.B. in „Lokaler Anführer“ in mehreren Stufen investieren, um bestimmte Dinge entwickeln zu können.

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Helft ihr dem nervigen Moderator dabei, sein Selbstvertrauen zu finden? © 4P/Screenshot

Schön ist, dass man auch gezielt mehr Siedler über Funktürme anlocken kann, dass ihre Moral bei guter Versorgung (oder wenn man ihnen einen Hund bringt) steigt und man sie mit Waffen ausrüsten und beobachten kann, wie sie z.B. selbständig auf Patrouille gehen. Trotzdem vermisst man eine bessere Übersicht, um bei zwanzig Leuten komfortabler einzugreifen – da hilft nur eine Glocke, mit der man alle an einem Punkt versammelt und neu verteilen kann. Lange Zeit fragt man sich auch, was es mit der Verteidigung auf sich hat, die man über Wachtürme, Fallen und Geschütze erhöhen kann, aber dieser Wert verringert die Wahrscheinlichkeit von Überfällen. Und wenn es mal dazu kommt, kann es verdammt gefährlich werden – es gibt eine entsprechende Quest, in der man gnadenlos überrollt wird, wenn man keine gute Defensive aufgebaut hat.

Ärgerlich ist auf Dauer also vor allem das Babysitten: Man muss immer wieder in seinen Siedlungen manuell eingreifen, weil Leute vielleicht nicht alle Befehle befolgen und sich quasi nicht in grundlegenden Dingen wie Nahrung, Betten & Co selbst verwalten. Unterm Strich sorgt dieses Bauen und Verwalten aber für frischen Wind. Ihr habt trotzdem keine Lust darauf? Ignoriert es!