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Fallout 4 (Rollenspiel) – Endzeit in Neuengland

Wer hätte 1997 gedacht, dass man über ein Spiel namens Fallout im Jahr 2015 überhaupt noch diskutieren würde? Achtzehn Jahre später lockt das radioaktiv verseuchte Amerika weiter Rollenspieler an. Und die bizarre Endzeit ist mit Vault und Pip-Boy längst ein Teil der Gegenwartskultur. Die wichtige Frage für Abenteurer ist, ob Bethesda mit seiner offenen Welt begeistern kann. Wie uns Fallout 4 gefallen hat, klärt der Test.

© Bethesda Game Studios / Bethesda Softworks

Von Rache getrieben

Worum geht es überhaupt? Zunächst um Rache, später immer wieder um das Warum. Man beginnt mit der Charaktererschaffung in einer Familie, kann sich als Mann oder Frau vor dem Spiegel in allen Facetten Formen sowie die sieben Attribute von der Stärke bis zum Glück festlegen. Im heilen Amerika des Jahres 2077 genießt man noch die Gemütlichkeit des eigenen Heims, trinkt frisch gebrühten Kaffee vom Haushaltsroboter Codsworth und spielt mit dem Baby Shaun, bevor die Welt urplötzlich nuklear zerstört wird. Gerade rechtzeitig können Mutter, Vater und Kind noch in einen Atomschutzbunker samt Kälteschlaf flüchten, weil ein Vertreter scheinbar zur rechten Zeit an der Tür klingelte. Auch wenn diese heile Welt leider nur für einige Minuten inszeniert wird, sorgt sie für die wichtige emotionale Anbindung vor der eigentlichen familiären Tragödie.

 

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Was weiß Mama Murphy über meinen Sohn Shaun? © 4P/Screenshot

Denn irgendwann werde ich aufgetaut und muss mit ansehen, wie ein Glatzkopf samt Helfer meine Frau erschießt und meinen Sohn entführt. Warum hat er mich nicht getötet, sondern lässt mich wieder einfrieren? Als ich im Jahr 2287 aufwache, will ich meinen Sohn natürlich finden. Lebt er überhaupt noch? Wie alt ist er wohl? Und wo ist dieser Scheißkerl, der mir das angetan hat? Diese Hauptstory wird gut erzählt, bietet interessante Perspektivwechsel und lockt einen in das Zentrum von Boston, wo die Diamant City wartet – dort soll man laut einer drogenabhängigen Wahrsagerin tatsächlich seinen Sohn finden. Oder ist sie nur verrückt? Ihr könnt ihr übrigens immer mehr Drogen geben, dann verrät sie auch immer mehr. Oder ihr könnt versuchen, sie davon abzubringen und sie zu heilen – falls ihr genug Charisma habt. Auch wenn die Dialoge nicht so verschachtelt sind, dass sich mehrere Ebenen ergeben, bekommt man so zusätzliche, wenn auch lediglich verkürzte Gesprächsoptionen. Deren Aussicht auf Erfolg wird von Gelb bis Rot markiert. Als Ladykiller kann man recht schnell an einen Schlüssel kommen, während sich weniger charmante Gesellen vielleicht mit dem miesen Bürgermeister abgeben oder gewalttätig werden müssen.

Faszinierende Begleiter

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Recht früh darf man sich als Bau-Ingenieur betätigen und Siedlungen flott machen. © 4P/Screenshot

Mama Murphy ist nur einer von vielen interessanten Charakteren, denen man begegnet. Die Stars unter ihnen sind die Begleiter, die nicht nur mit eigenen Kampftalenten und Fähigkeiten helfen können. Gleich zu Beginn hat man einen Schäferhund oder tatsächlich den guten alten Codsworth zur Verfügung – das Wiedersehen ist nach zweihundert Jahren rührend. Wer den redseligen Roboter mitnimmt, darf sich nicht nur auf einen gnadenlosen Schlitzer freuen, der schon mal drei, vier Maulratten hintereinander in Einzelteile zerlegt, sondern vor allem auf viele witzige Momente, wenn er mal wieder trocken die fehlende Sauberkeit moniert oder die eigenen Aktionen kommentiert. Als ich Mama Murphy z.B. Drogen gebe, damit sie mir mehr von meinem Sohn erzählt, sagt Codsworth: „Der Mann, den ich damals kannte, hätte das nicht getan.“ Autsch, das hat gesessen…

 Es ist klasse, dass einem die Begleiter sporadisch dieses Feedback geben – sei es durch Sprüche oder über die

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Auch wenn Fallout 4 hinsichtlich der Steuerung nicht für PC optimiert wurde, entsteht dieselbe Sogkraft. © 4P/Screenshot

textliche Anzeige, dass ihnen eine Aktion nicht oder eben doch gefallen hat. Ihr baut etwas an der Werkbank? Codsworth freut sich! Ihr ballert los, statt einen Streit zu schlichten? Codsworth findet das doof! Ihr nehmt einen Killerauftrag an? Codsworth findet das richtig schlimm! Zwar kann man seine Begleiter auch per Befehl zu Verbrechern machen, indem man sie morden oder rauben lässt, aber die Spielwelt ahndet das als wären das die eigenen Verfehlungen. Sprich: Wer irgendwo rot markierten Privatbesitz klaut oder Schlösser öffnet, muss sofort mit einem Kampf rechnen! Wer es auf die Spitze treibt und ständig konträr zur Moral bzw. Ideologie des Partners handelt, muss damit leben, dass dieser nur noch störrisch antwortet oder gar komplett stur bleibt und einem nicht folgt. Als ich mit dem etwas einsilbigen Supermutanten Strong unterwegs war und ständig Schlösser knackte sowie kaum kämpfte, was dieser hasste, befürchtete ich schon fast einen Zweikampf. Dafür hat er mir immer eine Portion Hundefleisch geschenkt – keine Bange, andere Begleiter haben Süßkuchen oder Wasser dabei.

  1. Da ich F4 aus beruflichen Gründen nicht (in Ruhe) durch spielen konnte, habe ich vor einigen Wochen neu angefangen. Sonst immer als Schleicher unterwegs, lege ich den Fokus auf Nahkampf-Waffen & Rüstungen (zudem sarkastischer Charakter, Aussehen höchst kriminell). Auch mit dieser Vorgehensweise finde ich es motivierend und je nach Waffe besonders...rustikal.
    Parallel habe ich hier immer wieder im Thread gelesen.
    Der weitere Text enthält Spoiler (!!!) zu den Fraktionen, Stories & Perks.
    Thema Wandersimulator/ ~Was tue ich hier eigentlich?~:
    Kann ich in der Schärfe nicht nachvollziehen. Dafür gibt es zu viele kleine, spannende Geschichten, die im Vorbeilaufen oder durch skurril anmutende Zufälle entdeckt werden. Die Fraktionen, die Geschichten der Begleiter, als auch (phasenweise...) die Haupt-Story sind durchaus ganz gut, wenngleich zu oft in der Inszenierung mäßig und teilweise unglaubwürdig. Wieso ist das erste Treffen nach der Suche so...lahm? Warum reagieren Begleiter nicht auf besonders relevante Ereignisse, die sie eigentlich nicht tolerieren dürften?
    Nichtsdestotrotz ist das alles von einem "Wandersimulator" Galaxien entfernt. Ich kann gewisse Lager, Gebäude & (teilweise coole) Gegner taktisch angehen und habe dafür ein großes Arsenal an Möglichkeiten zur Verfügung. Die Orte sind ab und an verschachelt und betreffend ihrer Architektur wertvoll. Wie geschrieben, gibt es viele kleine schöne Geschichten.
    Zum Beispiel: Der Comic-Laden mit Filmstudio, Kirchen, Kaufhäuser, das kleine Dorf am Meer mit dem "irren" Miliz-Typ; Die Hinweise & ggf. Quests der Begleiter hinsichtlich ihrer Lebensgeschichte; Zufällig entdeckte "Geheim-" Orte, die gewisse Hintergründe aufweisen (bspw. beim Suchen der Waffen-Bank in der Burg einen Geheimgang freigelegt oder in Sanctuary die Kammer gefunden); Solide bis (gelegentlich) tolle Atmosphäre durch Holobänder & Terminals, sowie Äußerungen der NPC; Begleiter, die hin und wieder auch interessante Sachen sagen oder sich überraschend clever...

    • Chigai hat geschrieben:Die 4,99 sind trotzdem weg -_-
      Sollte der Kundendienst eigentlich regeln können.
      Man, wäre das Gewehr aus Nuka World schon im Hauptspiel gewesen wäre es noch viel geiler gewesen :Hüpf:

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