Was für eine dramatische Geschichte hinter diesem Spiel steckt. Nach dem Debüt-Trailer aus dem Februar 2011 (!) musste die Arbeit am Survival-Abenteuer nur einen Monat später eingestellt werden. Der Grund: Das Erdbeben samt Flutwelle vom 11. März in der japanischen Region Tohoku. Der für PS3 geplante Titel verschwand vier Jahre von der Bildfläche, bevor er 2015 für PS4 als Disaster Report 4: Summer Memories wiederbelebt und 2019 auch für PC sowie Switch im Westen bestätigt wurde.
Wo wir schon bei Geschichte sind: Der für dieses Survival-Abenteuer zuständige Entwickler Granzella besteht zu einem Großteil aus ehemaligen Leuten von Irem. Das ist wiederum ein traditionsreiches japanisches Studio, das 1974 gegründet wurde und mit Kung-Fu Master oder R-Type für einige Meilensteine der Arcade-Zeit in den 80ern verantwortlich zeichnet. Von ihrem Designer Kazuma Kujo stammte auch das erste Disaster Report, das in Europa als SOS – The Final Escape erschien – und das ich 2002 für PlayStation 2 besprochen habe.
Zwar konnte es damals gerade noch gut im Test abschneiden, aber es blieb mir aufgrund des außergewöhnlichen Szenarios in Erinnerung: Als Spieler musste man in einer Stadt überleben, die ständig von Erdbeben heimgesucht wurde – und man musste auch menschlich heikle Entscheidungen treffen. Es gab 2006 noch einen Nachfolger namens Raw Danger, den wir nicht getestet haben. Jedenfalls hat sich Kazuma Kujo scheinbar an das Potenzial seines Spiels erinnert und sich 2014 die Rechte an Disaster Report von Irem gesichert. Was haben er und sein Team nach all den Jahren daraus gemacht? Merkt man dem Spiel an, dass es schon für PlayStation 3 geplant war? Leider ja.
Sehr früh fallen einem die Defizite der über die Unreal Engine inszenierten Kulisse auf. Zwar können sich die plötzlichen Erdbeben und einfallende Gebäude samt ihrer Staubwolken und Trümmer durchaus sehen lassen, außerdem wirken die Schauplätze dank solider Lichteffekte aus der Distanz ansehnlich. Aber en detail sehen nicht nur Wände oder Wasser hoffnungslos veraltet aus – vor allem die Animationen, Mimik sowie Gestik von Passanten wirken auf lange Sicht viel zu statisch. Zwar bewegen sie sich manchmal, aber verharren meist in einer Position – ein Yakuza befindet sich hinsichtlich der Lebendigkeit der Spielwelt auf einem anderen Stern. Hinzu kommen tatsächlich Ladezeitzen beim Betreten kleinster Räume, in denen die Kamera dann fast nix zeigt? Ganz unverständlich: Der Held, der ja wie alle anderen ständig vor dem Beben flieht, dabei stürzt, sich verletzt und Lebenspunkte verliert oder Stress aufbaut, sieht selbst nach Stunden aus wie gelackt – keinerlei Schweiß, Schmutz oder Risse an der Kleidung sind zu sehen. Immerhin kann man sich in Umkleidekabinen andere Outfits anlegen oder an Spiegeln andere Frisuren verpassen – wer es denn braucht…
Hinzu kommen die schwächsten Soundeffekte für Schrittgeräusche, die ich seit Jahren gehört habe – das ist wirklich ganz schrecklich, was da aus den Boxen scheppert, wenn sich der Bodenbelag ändert. Man kann ja aktiv spazieren, sprinten oder sich ducken, um unter Trümmern zu kriechen oder sich manchmal an Vorsprüngen hochziehen. Rein technisch ist das für ein Action-Adventure sowohl grafisch als auch akustisch im Jahr 2020 natürlich viel zu wenig. Aber bei gemischten Abenteuern dieser Art, die ja nicht Action pur inszenieren, sondern auch Elemente des klassischen Adventures wie Inventar und Rätsel oder jene aus dem Rollenspiel wie Multiple-Choice-Dialoge sowie Charakterentwicklung einflechten, ist eine schwache Technik auf lange Sicht durchaus kompensierbar. Können Kazuma Kujo und sein Team also erzählerisch und spielerisch überzeugen?