Aber gab es im frühen Amerika nicht so viel mehr zu entdecken? Gab es nicht auch Indianer, gab es nicht ein weites, unentdecktes Land? Gab es nicht Cowboys, die sich mit der Hand auf ihren Sattel lehnten, den Tabak zwischen den Zähnen, um die Aussicht zu genießen? Vor allem aber: Gab es das alles nicht bereits im Vorgänger? Ja, verdammt, aus all dem – und viel mehr – baute Techland vor drei Jahren einen Western, der nicht nur hervorragend aussah, sondern der auch einer der abwechslungsreichsten Shooter der letzten Jahre war. Und dieses Fundament nimmt man diesmal also, um es in einem geradlinigen, spielerisch oft uninteressanten Dauer-Shootout zu verballern!
Zwei Brüder – ein Spiel
Der Einstieg in jedes Level klingt dabei noch interessant, denn wo die Perspektive im Vorläufer abwechselnd zwischen Ray und Billy hin und her sprang, darf man jetzt in fast jedem Abschnitt wählen, ob man ihn in der Rolle von Thomas oder mit Ray erleben will. Der Knackpunkt ist aber: Es macht kaum einen Unterschied. Haben die McCalls verschiedene Fähigkeiten? Ja, denn während Thomas sich mit Lasso an hohe Äste oder Vorsprünge hangelt und sogar mit Pfeil und Bogen schießt, jongliert Ray mit zwei Revolvern und kann sogar Dynamitstangen verschießen. So erfrischend sich das auch anhört, der spielerische Unterschied ist leider unbedeutend: Thomas nimmt hier mal einen Weg über die Dächer, Ray sprengt sich da mal durch eine Mine. Doch letztlich geht man in Deckung, schießt in einem fort und ist ohnehin meist zu zweit unterwegs.
Rauchende Colts
Dabei wird die Action zumindest äußerlich richtig klasse in Szene gesetzt! Feindliche Kugeln zischen an mir vorbei und prallen irgendwo von einem Stein ab, Gewehre hallen über den steinernen Mauern eines kleinen mexikanischen Dorfes, Colts rauchen, hölzerne Brüstungen gehen zu Bruch – und mittendrin zwei coole McCalls, die sich gegen ausreichend clevere Banditen zur Wehr setzen. Die wechseln schließlich ihre Stellungen, nehmen die Brüder gerne vom Dach aus ins Visier und heizen ihnen mit Dynamit ein. Bestimmte Brücken und Gebäude gehen dabei unter herrlich sattem
Getose entzwei und besonders coole Schusswechsel kommen zustande, wenn die Brüder mit erfolgreichen Schüssen ihren Konzentrationsmodus aufladen –
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Das Feuer spielt im Nachfolger nur noch eine untergeordnete Rolle – hauptsächlich in großen Explosionen. |
denn sobald ich den auslöse, schießt Ray z.B. automatisch auf zuvor markierte Ziele, während Thomas beim Zurückziehen des rechten Analogsticks im Schnelldurchlauf alle sichtbaren Gegner nacheinander erledigt. Das kracht, das ist cool – so spielt man Wilder Westen!
Mit gefällt allerdings nicht, dass Techland das klassische Gesundheitssystem zugunsten der spontanen Selbstheilung opfert. Wo ich in Call of Juarez nämlich noch vorsichtig aus meiner Deckung heraus schießen musste, brauche ich mich diesmal kaum um die Taktik zu kümmern. Gelegentlich umläuft mich zwar ein Bandit, während ich meine Gesundheit aufladen lasse, aber der ist ja schnell erledigt. Weil man sich nicht mehr wie in Hollywood lange hinter Kisten oder Fensterläden versteckt, fühlen sich die Bleiwechsel deshalb weniger wie die filmechtem Shootouts des Vorgängers an. Das Verstecken wird zwar durch ein Deckungssystem gefördert, ich habe den Automatismus allerdings abgeschaltet, da man sonst neben jeder hüfthohen Kiste automatisch in die Knie geht – eine denkbar unglückliche Aktion, wenn man gerade auf den Kopf eines Feindes zielt. Ärgerlich auch, dass das Fadenkreuz selbst bei abgeschalteter Zielautomatik auf anvisierten Gegnern kurz kleben bleibt. Ja, das sind Kleinigkeiten. Kleinigkeiten, die man hätte vermeiden können.