Das Tor zur Actionwelt

Hatte man in Heavy Rain noch ein Milieu abgebildet, also kleine Schauplätze in einer Stadt, öffnet sich Beyond nicht in allen, aber vielen wichtigen Missionen der großen Welt von Afrika bis China. Irgendwann geht es um die CIA, Außenpolitik mit Generälen und das Schicksal der ganzen Menschheit – Hans Zimmer spielt auf, Roland Emmerich lässt grüßen. Das sorgt zwar für visuelle Abwechslung und stellenweise beeindruckende Kulissen, aber dort inszeniert man dann kein Drama mehr, sondern schnöde Stealth- und Military-Action à la Splinter Cell. Jodie geistert also in Uniform umher und killt vermeintliche Staatsfeinde.
Und das können andere Entwickler einfach besser. Gerade der militärische Abstecher nach Somalia wird so schwach inszeniert, was die Motivation von Jodie, das extrem passive Gegnerverhalten und die Willkür der Geistaktionen angeht (warum darf ich diesen Soldaten mit Aiden übernehmen, jenen nur meucheln und muss andere ignorieren?), dass es einfach keinen Spaß macht. Viel zu einfach und viel zu vorgezeichnet! Warum kann ich nicht darüber entscheiden, ob es ein Massaker gibt? Jodie grätscht in Deckung, knockt Feinde aus und wirkt wie Sam Fishers Tochter. Dass es kein Game Over gibt, ist okay. Aber dass es in Extremsituationen nicht mal Zeitlimits gibt, führt die Spannungsmomente ad absurdum: Spätestens wenn man verletzt und umzingelt in einem Haus hockt, das von Dutzenden schwer bewaffneten Milizen bestürmt wird, und so lange nix passiert, bis man mit Aiden eine Luke im Dach öffnet, fühlt man sich versichert und verarscht. Und was die Regie angeht: Die versucht den Einsatz in Somalia schon vorher mit einem kleinen Jungen aufzuwerten, aber das Ganze ist so künstlich inszeniert und so vorhersehbar in den Konsequenzen, dass die Emotionen danach einfach schal wirken – das ist Tränendrüse mit plumpem Anlauf.
Schaurige Potenziale

Warum hat sich Quantic Dream nicht auf den psychologischen Konflikt und vielleicht auch den Horror konzentriert? Es gibt Momente, in denen das schaurige Potenzial der Story sichtbar wird. Dann, wenn man als kleines Mädchen alleine im Dunkeln unterwegs ist oder wenn sich neben Aiden plötzlich Tote oder noch andere, weniger hilfsbereite Wesen mit ihren Krallen zeigen. Aber auch diese Spannung, die durch das Eindringen aggressiver Geister aufkommt, verpufft in den actionreichen Gefechten sehr schnell. Denn obwohl die an Tiefseefische erinnernden Kreaturen klasse aussehen und wie Irrwische durch die Räume jagen, muss man sich um Jodie keine Sorgen machen – Aiden ist viel zu mächtig.
Sobald man zum Geistwesen wechselt, kann man gegen die anderen Geister kämpfen, indem man sie kurz per L1 fixiert und dann die Analogsticks auseinander bewegt – puff, einer weniger. Das funktioniert genauso wie bei Stühlen oder Monitoren. Das macht man zigmal, bis der Spuk vorbei ist. Selbst wenn dutzende Dämonen umher schwirren, kann Jodie letztlich nix passieren. Obwohl hier visuell sehr ansehnlich eine Gefahr aufgebaut wird, entsteht kein Herzklopfen, weil man sich zu sicher und zu klar wehren kann. Und warum ist es leichter, diese fremden Wesen zu vernichten als einen Soldaten?
David Cage schafft sich diese Probleme selbst, indem er klassische Actionsituationen inszeniert. Aber widerspricht das nicht der eigenen Prämisse? Er sagte ja: „Ich möchte nicht die Finger der Spieler fordern, sondern ihren Verstand.“ Das ist lobenswert! Aber dann muss man das Design auch darauf auslegen, dass sich das Nachdenken und Kombinieren auch lohnt. Denn viel Verstand braucht man für dieses Beyond leider nicht.