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Beyond: Two Souls (Adventure) – Beyond: Two Souls

Heavy Rain hat uns 2010 stark beeindruckt. Das damalige Spiel des Jahres überzeugte nicht nur audiovisuell, sondern vor allem als emotionales Drama mit inneren Konflikten und bitteren Konsequenzen. Jetzt meldet sich David Cage mit Beyond: Two Souls exklusiv für PlayStation 3 zurück. Dabei bleibt er seiner filmischen Regie treu, aber Drehbuch und Spieldesign gehen andere Wege. Ob Quantic Dream erneut begeistern kann, klärt der Test.

© Quantic Dream / Sony

Dein Freund, der Poltergeist

Es gibt einige starke schauspielerische Momente und nahezu fotorealistische Mimik.
Es gibt einige starke schauspielerische Momente und nahezu fotorealistische Mimik. © 4P/Screenshot

Wechselt man auf Knopfdruck zu Aiden, kann man z.B. mit einem Punkt markierte Gegenstände umwerfen oder elektrische Geräte betätigen. Aber der Geist kann noch mehr als poltern: Er kann Wunden heilen, kann Menschen erwürgen, sie übernehmen, ihre Erinnerungen anzapfen oder für einen temporären Schutzschild sorgen, der selbst Schüsse abhält. Allerdings hat man fast nie die taktische Wahl, sondern kann je nach Situation nur das auslösen, was die Entwickler einem vorgeben – das ist sehr schade. Immerhin wird Aiden auch für kleinere Rätsel eingesetzt, wenn er z.B. in eine Wache fährt, diese wie einen Zombie über einen Flur steuert und mit der Codekarte die bisher verschlossene Tür öffnet.

Auch als Jodie verzweifelt versucht, einen Schrank umzukippen, lohnt sich ein Wechsel: Aiden kann über eine Art Stromschlag mehr ausrichten und auch ein Gitter an einem Luftschacht lösen. Allerdings darf sich Aiden nicht komplett frei bewegen, sondern ist per blau leuchtender Schnur lokal an Jodie gebunden – auch hier erlauben sich die Entwickler allerdings willkürliche Änderungen je nach Situation. Man bleibt jedenfalls immer zusammen, wobei das Interface über dezente Punkte anzeigt, wo man mit wem interagieren kann. Dort muss man manchmal nicht nur den Analogstick drücken, sondern auch mal drehen oder eine Bewegung nachahmen. Das wirkt bei gewöhnlichen Aktionen etwas aufgesetzt.

Die Frage des festen Charakters

Man kann auch kooperativ mit Gamepad oder Mobiltelefon spielen. Allerdings gibt es keine koordinierten Aktionen im Team.
Man kann auch kooperativ mit Gamepad oder Mobiltelefon spielen. Allerdings gibt es keine koordinierten Aktionen im Team. © 4P/Screenshot

David Cage gelingt es zwar, das ambivalente Verhältnis zwischen Jodie und Aiden abzubilden, das einer Hassliebe gleicht – die beiden können nicht mit-, aber auch nicht ohne einander. Und es gibt eine tolle Situation, in der der Geist aus Eifersucht ein Date sabotieren will. Aber man kann die Entwicklung von Jodie oder kommende Situationen nicht anhand der ausgespielten Macht beeinflussen. Sprich: Sie ist als Charakter vorgezeichnet, egal ob ich die Menschen um mich herum mit meinem übersinnlichen Freund tyrannisiere, massakriere oder sie in Ruhe lasse.

Dabei wäre es hoch spannend gewesen, je nach eigener Spielweise eine andere Jodie und damit eine andere Geschichte zu formen. Immerhin hat man einen gewissen Einfluss auf die Beziehung zu einem Verehrer, aber auch dort lässt Beyond viele Möglichkeiten liegen. Zumal manche Situationen einfach nicht glaubwürdig wirken, weil die Figuren fast schon Märchen-Klischees bedienen: Als Jodie halb verdurstet einen alten Hof findet, macht ihr Keanu Reeves, sorry: ein junger Indianer, die Tür auf. Hinter ihm der gutmütige Vater, die blinde Oma und der zwielichtige Bruder – künstlicher geht es nicht! Es ist ja schön, dass ich irgendwann mit ihm in der Prärie reiten oder später in anderer Situation auf Skiern durch den Schnee waten kann, aber auch komplett überflüssig für die Geschichte. Oder ist es gerade Mode, dass man in Spielen unbedingt jedes Klima und jeden Galopp mitnehmen muss, damit die Engine ausgelastet wird? Wichtiger als die Technik ist doch die

Wechselt man zum Geist, kann man sabotieren, heilen, Menschen übernehmen oder ermorden.
Wechselt man zum Geist, kann man sabotieren, heilen, Menschen übernehmen oder ermorden. © 4P/Screenshot

Glaubwürdigkeit der Charaktere – und da ist Beyond ein Rückschritt gegenüber Heavy Rain.

Diese Art des wirklich interaktiven, also durch den Spieler zu beinflussenden Storytellings bleibt ja nicht nur für David Cage Zukunftsmusik, aber ihm hätte ich zumindest eine bessere Illusion zugetraut. Denn nur weil er bereits auf einem guten Weg in diese Richtung war, wirkt diese lineare Leine enttäuschend konservativ. Zumal es auch Rückschritte gibt: Konnte man sich nach Heavy Rain noch angeregt darüber unterhalten, diese oder jene Szene auch aufgrund eines Scheiterns vielleicht gar nicht erst erlebt zu haben, fällt das hier weg. Und statt mehr Rätselflair oder Beziehungsdrama gibt es mehr Action.