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Assetto Corsa Competizione (Rennspiel) – Beta statt Vollversion

Nach acht Monaten im Early Access haben Kunos Simulazioni und 505 Games die Vollversion von Assetto Corsa Competizione veröffentlicht. Doch die Zielgerade ist noch längst nicht erreicht: Wie wir im Test feststellen mussten, befindet sich die ambitionierte Rennsimulation rund um die Blancpain GT Series gefühlt immer noch in der Beta-Phase…

© Kunos Simulazioni / 505 Games

Satter Sound

Das Dröhnen der Motoren und selbst kleine Details wie quietschende Bremsen oder das Rasseln von Schmutz werden selten so überzeugend eingefangen wie hier. Das komplexe, wenn auch leicht überfrachtete Einstufungssystem hat ebenfalls gute Ansätze, auch wenn manche Entscheidungen bei Strafen fragwürdig erscheinen. Zudem erfreuen das imposante Wettersystem und wechselnde Tageszeiten inklusive Nachtrennen zusammen mit den detaillierten Wagenmodellen nicht nur das Auge, sondern erhöhen auch Dynamik, Realismus und Abwechslung auf der Piste. Faktoren wie die Verwandlung von Fahrzeugen in Geisterwagen an der Boxeneinfahrt, eine fehlende Boxencrew und ein inkonsequentes sowie visuell enttäuschendes Schadensmodell sorgen dagegen für Abzüge bei der Authentizität. Leider gibt es nicht einmal eine Anzeige dafür, was am Fahrzeug kaputt ist. Stattdessen muss man sich nur auf die groben Angaben aus dem Boxenfunk verlassen, aber spürt selbstverständlich auch selbst, wenn nach einem Crash plötzlich die Leistung fehlt oder der Wagen nach einer Seite zieht.

Detailliertes Setup

Selbstverständlich darf man am Setup herumschrauben. Freundlicherweise stellt Kunos bereits drei voreingestellte Standard-Einstellungen bereit: Das sichere Setup bietet eine stabile Basis, doch wer ans Limit gehen und die optimale Rundenzeit herausholen möchte, sollte auf das aggressive Setup zurückgreifen, bei dem man aber über die fahrerischen Fähigkeiten verfügen muss, den Boliden schnell und präzise über den Kurs zu bewegen. Schließlich gibt es auch noch vorgefertigte Einstellungen für Fahrten unter nassen Bedingungen.

Darüber hinaus darf man aber auch selbst Hand anlegen, um Details am Setup festzulegen. Angefangen bei simplen Einstellungen wie dem Reifendruck über Spur und Nachlauf bis hin zu Anpassungen am Fahrwerk und der Aerodynamik kann man sich als Nachwuchs-Mechaniker versuchen. Und auch als Stratege: Es lassen sich bis zu 30 Vorlagen für Boxenstopps erstellen, bei denen man imVorfeld die Art der Reifen, deren Luftdruck und die gewünschte Menge an Treibstoff festlegen darf. Im laufenden Rennen bekommt man nicht nur Zugriff auf die Auto-Elektronik und kann u.a. die Bremsvorspannung, ABS und die Traktionskontrolle verändern oder Elemente wie Blinker, Lichter oder den Boxenbegrenzer bedienen, sondern auch die geplanten Boxenstopps managen. Selbst wenn die Strategien bereits vorbereitet sind, lassen sich immer noch spontane

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Beim Setup darf man detaillierte Einstellungen an den Fahrzeugen vornehmen. © 4P/Screenshot

Veränderungen vornehmen und man kann u.a. entscheiden, ob Reparaturen an Aufhängung, Motor oder Karosserie überhaupt durchgeführt werden sollen.

Wenig Inhalt, kein Mod-Support

Die Lizenz als offizielles Spiel der Blancpain GT Serie bringt nicht nur Vorteile wie Originalteams und lasergescannte Strecken des Originalkalenders mit sich. Durch die Konzentration auf die besagte GT3-Serie muss man leider auch ein paar Nachteile in Kauf nehmen, die in erster Linie den Umfang betreffen. So ist der Fuhrpark im Gegensatz zum ersten Assetto Corsa auf die GT3-Boliden beschränkt und entsprechend nicht sonderlich breit gefächert, auch wenn mit BMW, Porsche, Mercedes-AMG, Lexus, Honda, Lamborghini, McLaren & Co einige namhafte Hersteller mit ihren Supersportwagen am Start sind. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Streckenauswahl: Die Saison, die aus Sprint- und Ausdauer-Rennen besteht, erstreckt sich über lediglich zehn Pisten, darunter prominente Vertreter wie  Spa-Francorchamps, der Nürburgring (ohne Nordschleife!), Silverstone oder Monza. Zieht man zum Vergleich mit den F1-Titeln von Codemasters ein weiteres Lizenzspiel rund um eine Motorsport-Serie

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Das Schadensmodell hat visuell selbst nach harten Einschlägen nicht viel zu bieten. © 4P/Screenshot

heran, umfasst der Kalender dort mehr als doppelt so viele Schauplätze.

Profitierte Assetto Corsa von einer leidenschaftlichen Mod-Community, ist bei Competizione keine Unterstützung für Inhalten vorgesehen, die von Nutzern erstellt wurden. Das mag den Beschränkungen der Lizenz geschuldet sein, ist aber dennoch bedauerlich, weil der Standard-Umfang zu wünschen übrig lässt. Bleibt zu hoffen, dass Kunos vielleicht selbst noch die eine oder andere Piste sowie weitere Fahrzeuge nachreichen darf, aber realistisch betrachtet sieht es diesbezüglich wohl eher düster aus.  Wäre für die Bewertung nur die Fahrphysik relevant, wäre Assetto Corsa Competizione ein klarer Anwärter für den Gold- oder sogar Platin-Award. Doch nach all den Abstürzen, halbfertigen und fehlenden Features, nervigen Online-Einbußen sowie dröge konzipierten Karriere-Modi bleibt für das Gesamtpaket am Ende leider nur eine schmerzhafte Ernüchterung zurück, die erst mit zukünftigen Patches schrittweise einer zunehmenden Begeisterung weichen dürfte.