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Assassin’s Creed: Brotherhood (Action-Adventure) – Assassin’s Creed: Brotherhood

Es ist in etwa ein Jahr her, seitdem Ezio Auditore da Firenze mit Assassin’s Creed 2 in der italienischen Renaissance sein Unwesen trieb und meuchelte, was das Drehbuch hergab. Während man eigentlich auf den dritten Teil der Saga wartet, speist Ubisoft die Fans mit einer scheinbar halbherzigen Fortsetzung des Abenteuers ab. Oder steckt hinter Assassin’s Creed Brotherhood mehr, als man anfänglich vermuten möchte?

© Ubisoft Montreal / Ubisoft

Mehr als Assassin’s Creed 2.5

Denn auch mechanisch hat ACB zugelegt und kann auf vielfältige Art und Weise das Vorurteil eines schnell dahin geschluderten Add-Ons zum Vollpreis oder auch der überteuerten, Eier legenden Wollmilchtrüffelsau in französischen Diensten widerlegen. Natürlich kann man auf den ersten Blick den Eindruck gewinnen, dass sich ACB im Kern nur auf das verlässt, was AC2 etabliert hat. Denn es gibt viele Elemente, die man in dieser oder nur leicht veränderter Form wiederfindet: Den Kauf gewerblicher Immobilien z.B.; die Katakomben, in denen besondere Schätze zu finden sind; die unterschiedlichen Waffen und Rüstungstypen;  die Gruppen von Kurtisanen, Dieben oder Soldaten, die man anheuern kann, um in ihrer Mitte Schutz und Tarnung zu finden, oder um sie zur Ablenkung von Gegnern zu nutzen.

Fackelt man die Türme der verfeindeten Borgia ab, kann man in dem Stadtviertel Immobilien erwerben und seinen Einflussbereich ausdehnen.

Doch das ist nur der oberflächliche Eindruck. Denn schnell stellt sich heraus, dass Ubi Montreal beinahe jedes Element angefasst, überarbeitet und verfeinert hat. Nehmen wir z.B. die Immobilien: Nicht nur, dass man zusätzlich zu den gewerblichen Gebäuden auch Wahrzeichen Roms erwerben oder das Aquädukt in Stand setzen kann, um den allgemeinen Wert der herunter gekommenen Metropole zu erhöhen. Häufig stellt man fest, dass man bestimmte Gebäude noch nicht gekauft werden können, weil sie in einem Viertel stehen, das unter dem Einfluss der Borgias steht, markiert durch deren Wachturm.

Um die Macht über das Stadtviertel und damit die Möglichkeit zu bekommen, Gebäude zu kaufen, muss der Turm abgefackelt werden. Doch bevor man sich an der Fassade nach oben hangelt, muss erst der jeweilige Hauptmann ausgeschaltet werden. Und das kann sich mitunter als forderndes Unterfangen herausstellen. Mal patrouilliert der Chef der Garde tief in den Mauern seiner Mini-Festung, mal ist er offen unterwegs, gibt aber beim geringsten Anzeichen von Gefahr Fersengeld und lässt sich erst am nächsten Tag wieder blicken – Abwechslung ist garantiert. Dass diese Borgia-Gebiete teilweise auch auf dem Weg zu Missionszielen der Hauptgeschichte liegen und das Vorwärtskommen erschweren,  macht diese Nebenmissionen nur noch reizvoller.

Meine Gilde, deine Gilde

Auch die verschiedenen Gruppen, bei denen man Unterschlupf finden kann, wurden aufgewertet: So muss man z.B. erst bestimmte Missionen erledigen, damit sie überhaupt mit ihrem Hauptgildenhaus freigeschaltet werden. Und danach kann man in der Stadt immer wieder Mitglieder der Gilde finden, die einen mit zusätzlichen Aufträgen versorgen, deren Erfüllung meist gesteigertes Ansehen innerhalb der jeweiligen Gilde bringt. Zusätzlich gibt es bestimmte Herausforderungen, die man erfüllen kann, um Vergünstigungen zu bekommen. Das kann von einfach Aufgaben wie „Sprinte 300 Meter am Stück“, „Setze zehn Mal Kurtisanen ein, um die Wachen abzulenken“ oder „Verstecke fünf getötete Gegner im Heu“ bis hin zu zeitaufwändigeren Nebenmissionen à la „Töte unentdeckt 20 Wachen am Wachhäuschen mit der Armbrust“ gehen. Dabei

Design und Mimik der Hauptfiguren sind detaillierter als im ersten Ezio-Abenteuer.

reißen sich die Designer zwar keine Innovationsbeine aus, dennoch wird das Missionsumfeld durch diese Aufgaben deutlich erweitert.

Und ein Hauch Taktik kommt mit der Möglichkeit hinzu, bestimmte Gebäude zu einem Standort der jeweiligen Gilde zu machen. Man ist in einem Gebiet, das von starken Gegnertruppen belagert wird? Dann ist es vielleicht ratsam, eine Söldner-Zweigstelle zu eröffnen, an der man ohne große Umwege sofort einen Trupp rekrutieren kann. Wenn man der Meinung ist, dass die Söldner ausgedient haben und man stattdessen auf Diebe setzt, kann man problemlos den „Mieter“ wechseln und hat fortan einen Diebestrupp mehr, den man einsetzen kann.

Zusätzliche Herausforderung

Ein Kritikpunkt an beiden Vorgängern war, dass die Hauptaufgaben letztlich zu einfach und häufig nach Schema F zu lösen waren. Um das zu ändern, hat sich Ubi einen sehr cleveren Kniff einfallen lassen: Alle Hauptmissionen und ein Großteil der Nebenmissionen haben ein Sekundärziel, das erreicht werden muss, wenn Desmond eine hundertprozentige Sync-Rate mit Ezio erreichen möchte. Das beginnt mit einem verdammt knappen Zeitlimit in den Katakomben, führt über „Verliere keine Gesundheit bei dieser Mission“ bis hin zu Vorgaben, nach denen ein Opfer aus einer bestimmten Position oder mit einer bestimmten Waffe getötet werden muss. Selbst an Beschattungsmissionen, bei denen man nicht den Boden berühren oder Flucht, bei der man keinen Wasserkontakt haben darf, wurde gedacht. Da diese Sekundärziele nicht nötig sind, um die Missionen erfolgreich abzuschließen, werden Einsteiger nicht frustriert, während sich Veteranen über eine zusätzliche Herausforderung freuen.

Und obendrauf gibt es viele Kleinigkeiten, die dafür sorgen, dass die gut 15 bis 17 Stunden lange Hauptkampagne beinahe zu einer Nebensache verkommt: Hier ein versteckter Templer, der eliminiert werden muss, dort eine Kurtisane, die möchte, dass man ihr hilft und nicht zuletzt haben die überall in der Gegend verstreuten Schatztruhen, die angreifenden Banditen und

Es gibt kein Entkommen: Wer auf der Abschussliste der Bruderschaft steht, muss ausgeschaltet werden.

selbst die Kuriere, die abgefangen werden können, einen höheren Sinn als nur das Aufstocken des eigenen Kontos. Denn häufig ist nicht nur die durch inflationäre Preise (selbst Leonardo Da Vinci verlangt mittlerweile bare Münze) deutlich an Wert gesteigerte Währung enthalten, sondern Handelsgegenstände wie Elfenbein, seltene Medaillen oder Kräuter. Die wiederum kann man bei bestimmten Gewerbetreibenden gegen Besonderheiten eintauschen: Hier gibt es feine, besonders schlagfertige Waffen, dort einen Zusatz für die Klingenmanschette, die dann sogar das Verschießen der Giftpfeile ermöglicht. 

Waffenbrüder auf Abruf

Wo man sich auch umschaut, entdeckt man Möglichkeiten, sich die Zeit abseits der Hauptkampagne zu vertreiben. Dass dabei die Aktionen und Mechaniken wie z.B. die „öden“ Schatzkisten per se zu einem Großteil bekannt sind, stört dabei ganz und gar nicht. Denn insgesamt hat Ubi Montreal es endlich geschafft, alle Möglichkeiten unter einen Hut zu bringen und bis zu einem gewissen Grad voneinander abhängig zu machen, anstatt sie wie bislang mehr oder weniger nebenher und zusammenhanglos ablaufen zu lassen. So hat man das Gefühl, dass selbst wenn man keine Lust hat, dem Hauptziel nachzugehen, alles  andere auch nützlich sein kann.