Alan Wake ist zurück: Der wohl bekannteste Schriftsteller der Videospielhistorie steckt auch 13 Jahre nach dem Ende des Erstlings noch am dunklen Ort unterhalb von Cauldron Lake fest und versucht verzweifelt, sich mit seinen Schreibkünsten einen Ausweg zu schaffen. Ob ihm das gelingt, stellt sich jetzt im zweiten Teil heraus, der mit einer weiteren Protagonistin, zahlreichen Perspektivwechseln und einer ordentlichen Portion Horror neue Taschenspielertricks aus dem Autorenärmel schüttelt. Mit einer Taschenlampe bewaffnet stürzen wir uns erneut in den Kampf gegen die dunkle Präsenz und verraten, ob uns dabei ein Licht aufgeht oder ob Alan Wake 2 im Schatten seines Vorgängers zurückbleibt.
Auch der Sound trägt wie immer seinen Teil zum Gesamtpaket bei, da bildet Remedys Mystery-Thriller keine Ausnahme. Die überaus stimmige Soundkulisse sorgt vor allem bei nächtlichen Waldspaziergängen für den passenden Hintergrund, wenn der Regen von den Blättern abprallt, auf den Schlammboden prasselt und dann beim Betreten einer Hütte deutlich dumpfer wird. Das knackende Unterholz und das Gemurmel der Besessenen kündigt die drohende Gefahr an und das schrille Kreischen der finsteren Aura, wenn ich einen Gegner mit meiner Taschenlampe verwundbar mache, hallt noch lange nach dem Triumph über die Dunkelheit in meinen Ohren nach.
In hektischen Momenten kommt dann aber auch das volle Orchester zum Zug und setzt auf klassische musikalische Horror-Aspekte: Gehetzte Geigen und düstere Drums geben den Ton an und wollen den situationsbedingten Stress auditiv verstärken, was meistens gelingt, aber auch gelegentlich anstrengt, wenn der Soundtrack peitscht wie ein wildgewordener Sturm, während ich nicht verängstigt, sondern frustriert an den Schattenwesen im dunklen Ort vorbeirenne. Am Ende jedes Kapitels erwartet euch dann wie im Vorgänger ein emotionaler Song als Übergang zum nächsten und auch die Old Gods of Asgards sorgen mit ihrem fulminanten Wikinger-Rock wieder für Stimmung.
Nur kleine Schönheitsfehler
Im Gegensatz zu Geschichte und Atmosphäre ist die Technik von Alan Wake 2 kein Grund zum Gruseln: Auf der PlayStation 5 könnt ihr, wie das mittlerweile bei den meisten Spielen der Fall ist, zwischen einem Leistungs- und einem Qualitätsmodus wählen, der entweder die Performance oder die Bildqualität priorisiert. Im Leistungsmodus läuft Alan Wake 2 meistens auf 60 FPS oder bleibt zumindest knapp darunter und ein Abfall der Bildrate macht sich nicht durch nervige Ruckler bemerkbar. Störende Bugs sind mir bis auf eine Ausnahme, bei der im Kampf der Bildschirm eingefroren ist, ich aber einfach in den Optionen zum letzten Speicherstand springen konnte, keine begegnet. Kleinere Glitches wie mein Kopf, der durch eine Plattform gleitet, oder eine im Billardtisch steckende Gitarre sind kaum der Rede wert.
Bei der Implementierung der Untertitel scheint es dann aber an ausreichend Zeit oder einer entsprechenden Kontrolle gemangelt zu haben: Die eigentlich hilfreichen Texte springen in Gesprächen hin und her, werden zu früh oder zu spät angezeigt, mehrfach wiederholt, um dann mit neuen zu kollidieren oder von einer ganzen Szene auf einmal geladen und bedecken so den halben Bildschirm. Bei den katastrophal ausgespielten Untertiteln fallen die mitunter falschen deutschen Übersetzungen kaum noch auf – aber eben auch nur kaum. Wenn ihr das Spiel mit deutscher Sprachausgabe spielen wollt und nicht gerade neben einem Bahnhof wohnt oder eine popcornkauende Partnerin euer Ohr beansprucht, könnt ihr die Untertitel also einfach deaktiviert lassen. Falls euch die (ohnehin etwas bessere) Original-Synchro wichtig ist: Traut euch! Die Sprecher sind in der Regel klar und deutlich zu verstehen, die Abmischung ist auch gelungen.
Die Optionen für die Barrierefreiheit halten sich derweil in Grenzen: Zwar lassen sich Sprechernamen anzeigen und die Größe der Untertitel beeinflussen, das spielt angesichts der Umsetzung aber keine Rolle mehr – hier sollte Remedy dringend mit einem Patch nachbessern. Darüber hinaus könnt ihr die kaum präsente Nacktheit im Spiel zensieren, falls ihr keine entkleideten Körper in eurem Survival-Horror mögt. Und für die Schwierigkeitsgrade steht neben „Normal“ und „Schwierig“ auch „Geschichte“ zur Verfügung, sollte euch der Sinn mal nicht nach einer Herausforderung stehen. Alan Wake 2 ist ab sofort auf der Xbox Series X | S, der PlayStation 5 und auf dem PC im Epic Games Store verfügbar. Die normale Edition will euch mit 49,99 Euro schockieren, die Deluxe-Edition kostet 69,99 Euro und enthält neben einiger kosmetischer Gegenstände auch den Season Pass mit zwei DLCs, der sich separat für 20 Euro erwerben lässt, wenn ihr euch noch nicht festlegen wollt. Die Konsolenfassungen sind jeweils zehn Euro teurer.