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Alan Wake 2 (Action-Adventure) – Schauriges Sequel mit hellen Einfällen

Alan Wake ist zurück: Der wohl bekannteste Schriftsteller der Videospielhistorie steckt auch 13 Jahre nach dem Ende des Erstlings noch am dunklen Ort unterhalb von Cauldron Lake fest und versucht verzweifelt, sich mit seinen Schreibkünsten einen Ausweg zu schaffen. Ob ihm das gelingt, stellt sich jetzt im zweiten Teil heraus, der mit einer weiteren Protagonistin, zahlreichen Perspektivwechseln und einer ordentlichen Portion Horror neue Taschenspielertricks aus dem Autorenärmel schüttelt. Mit einer Taschenlampe bewaffnet stürzen wir uns erneut in den Kampf gegen die dunkle Präsenz und verraten, ob uns dabei ein Licht aufgeht oder ob Alan Wake 2 im Schatten seines Vorgängers zurückbleibt.

© Remedy Entertainment / Epic Games

Alan Wake 2: Willkommen (zurück) in Bright Falls
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Große Buchstaben für große Ambitionen: Alan Wake 2 bedient sich einiger ästhetisch angenehmer Filmfacetten. © 4P/Screenshot

Nach einem starken und spannenden, weil unerwarteten Anfang, zu dem wir aus Spoiler-Gründen an dieser Stelle keine Details verraten wollen, geht es in Alan Wake 2 zunächst nicht mit dem titelgebenden Schriftsteller weiter. Stattdessen schlüpft ihr in die Rolle von FBI-Agentin Saga Anderson, die sich zusammen mit ihrem Kollegen Alex Casey zum Cauldron Lake in Bright Falls begibt, um dort eine Reihe mysteriöser Mordfälle aufzuklären. Schon bald stolpert das dynamische Duo, das mit ihrem unterhaltsamen Geplänkel mehr als einmal an die Akte X-Charaktere Mulder und Scully erinnert, über einen blutdürstigen Kult, und auch der vor 13 Jahren verschwundene Autor Alan Wake scheint mit den rätselhaften Ereignissen in Verbindung zu stehen.

Alan Wake 2 (Action-Adventure) – Schauriges Sequel mit hellen Einfällen

Alan Wake 2 (Action-Adventure) – Schauriges Sequel mit hellen Einfällen

<p>Alan Wake ist zurück: Der wohl bekannteste Schriftsteller der Videospielhistorie steckt auch 13 Jahre nach dem Ende des Erstlings noch am dunklen Ort unterhalb von Cauldron Lake fest und versucht verzweifelt, sich mit seinen Schreibkünsten einen Ausweg zu schaffen. Ob ihm das gelingt, stellt sich jetzt im zweiten Teil heraus, der mit einer weiteren Protagonistin, zahlreichen Perspektivwechseln und einer ordentlichen Portion Horror neue Taschenspielertricks aus dem Autorenärmel schüttelt. Mit einer Taschenlampe bewaffnet stürzen wir uns erneut in den Kampf gegen die dunkle Präsenz und verraten, ob uns dabei ein Licht aufgeht oder ob Alan Wake 2 im Schatten seines Vorgängers zurückbleibt.</p>

 

 

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Ein Herz und eine Seele: Die beiden FBI-Agenten teilen sich nicht nur den scharfen Verstand, sondern offenbar auch die Liebe zu Heißgetränken. © 4P/Screenshot

Wenn ihr mal nicht mit Saga durch Bright Falls streift, dann begleitet ihr Alan auf seinem Horror-Trip im dunklen Ort, wo er es erneut mit seinem bösen Doppelgänger Mr. Scratch zu tun bekommt. Die Geschichte von Alan Wake 2 wechselt kapitelweise zwischen den beiden Perspektiven, später könnt ihr an bestimmten Speicherpunkten aber auch selbst entscheiden, welche Storyline ihr gerade verfolgen wollt. Mit den zwei Blickwinkeln gewinnt der Mystery-Thriller nicht nur an erzählerischer Tiefe, sondern schafft auch spielerische Abwechslung und serviert regelmäßige Wendungen und Cliffhanger, bei denen es schwerfällt, die aktuelle Spielfigur zurückzulassen. Gibt sich Sagas Ermittlung als klassischer Krimi mit einigen übernatürlichen Elementen, fährt Alans albtraumhaftes Abenteuer eine surrealere Schiene, auch wenn sich die beiden Perspektiven immer wieder überschneiden und natürlich auch zusammenlaufen, um eine packende Gesamtgeschichte zu erzählen.

 

 

Eine Prise Kino und eine Handvoll Horror

Inszeniert wird das in klassischer Remedy-Manier mit vielen Zwischensequenzen, bei der neben den Charaktermodellen auch echte Schauspieler zum Einsatz kommen. Zusammen mit langen Kamerafahrten durch düstere Waldlandschaften aus der Vogelperspektive und dröhnenden Großbuchstaben, die neue Kapitel ankündigen, bekommt Alan Wake 2 eine filmische Facette, die gut zu dem Story-Fokus des Spiels passt. Das Kino-Feeling wird durch die sehr gelungene Gestik und Mimik, die man wichtigeren Charakteren spendiert hat, weiter verstärkt, und auch die detailreich ausgearbeitete Spielwelt trägt ihren Teil zur Immersion bei. Nur wenn ich den irrelevanten NPCs zu genau bei ihren Gesprächen zuhöre oder ihre Aktivitäten im Auge behalte sowie wenn ich mal wieder einen Raum erforsche und dabei Stühle, Mülleimer und Hanteln durch die Gegend schiebe, als wären sie federleichte Pappnachbildungen, reißt es mich ab und an aus der Illusion.

Eigentlich werde ich ja nicht gerne angebrüllt, aber wenn Willem Dafoe aus Der Leuchtturm... ich meine Mr. Scratch aus Alan Wake das übernimmt und es zur Horror-Stimmung beiträgt, habe ich nichts gegen den ein oder anderen Schockmoment.

Zumindest, wenn ich nicht gerade mit Gänsehaut auf den Bildschirm starre, denn Alan Wake 2 dreht vor allem im Vergleich zum Vorgänger den Horror-Regler ordentlich auf. Die Atmosphäre des Mystery-Thrillers ist aufgrund der intensiven Soundkulisse noch einmal eine ganze Ecke packender, das Kraxeln durch die Wälder von Bright Falls dank der deutlich realistischeren Grafik unheimlicher und ich, angesichts der Wagenladung an Jump-Scares, wesentlich angespannter. Das aus dem Unterholz emporspringende Rehkitz lässt mich genauso zusammenzucken wie die ständig aufploppenden Bilder von grimmig dreinblickenden oder brüllenden Charakteren in schwarz-weiß, inklusive fiesem Soundeffekt. Die Entscheidung, Alan Wake 2 gruseliger zu gestalten, steht dem Spiel mehr als gut zu Gesicht und passt hervorragend zu der Geschichte rund um Ritualmorde und eine übernatürliche Albtraumdimension.

 

Sherlock Holmes lässt grüßen

Obwohl ihr in Alan Wake 2 immer noch mit der Taschenlampe herumfuchtelt und besessenen Schattenmenschen ein paar Kugeln in den Kopf jagt, hat sich durch die Ermittlungen von Saga Anderson ein neues Gameplay-Konstrukt in das Spiel geschlichen. Ähnlich wie der Gedächtnispalast von Sherlock Holmes aus der BBC-Serie hat auch die FBI-Agentin einen Gedankenraum, in den sie sich zurückziehen kann, um dort gesammelte Hinweise und Indizien zu ordnen, den Fall zu rekonstruieren und über ihr weiteres Vorgehen nachzudenken. Fotos, Gedanken und Aussagen werden als Polaroids gespeichert und müssen dann auf Notizzetteln mit Fragen platziert werden, damit sich an der riesigen Holzwand langsam ein erkennbares Muster abzeichnet.

 

 

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Im Gedankenraum rollt ihr die rätselhaften Morde mithilfe von Polaroids, Notizzetteln und einem ganzen Wollknäuel roten Fadens auf. © 4P/Screenshot

Der Prozess ist nicht nur überaus anschaulich und erlaubt das stetige Nachvollziehen, welche Mysterien schon beantwortet wurden und welche noch offen sind, sondern ist mit den fein aufgeklebten Polaroids und einem roten Faden auch schick visualisiert – ganz so, wie man es aus kniffligen Krimis kennt. Wirkliche Denkarbeit benötigt das alles ehrlicherweise nicht, aber es hat etwas ungemein Befriedigendes an sich, die Wand nach und nach mit Hinweisen vollzukleben. Habe ich mal wieder ein paar Hinweise richtig kombiniert oder stecke gerade in einer Sackgasse, kann ich mithilfe von Sagas Spürsinn die Profiling-Option auswählen und die Gedanken von Opfern oder Tätern nachvollziehen. Darüber hinaus habe ich im Gedankenraum Zugriff auf angehörte Radio- und angeschaute Fernsehsendungen, kann gefundene Manuskriptseiten noch einmal durchlesen und mit Manuskriptfragmenten meine Waffen verbessern, was beispielsweise die Magazingröße oder Feuerrate erhöht.

 

 

Über Stock, Stein und Manuskriptseite

Weil Saga keine Stubenhockerin ist, verlässt die FBI-Agentin zwischenzeitlich aber auch ihren Gedankenraum und sucht in der Realität nach den wichtigen Hinweisen, die sie in ihrem Kopf zusammenpuzzelt. Dafür ist in Bright Falls und der ländlichen Umgebung die gute alte Beinarbeit gefragt: Tatorte untersuchen, Spuren und Beweise ausfindig machen sowie Zeugen und Verdächtige befragen. Wer ab und an abseits vom Wegesrand unterwegs ist, findet nützliche Gegenstände und spannende Lore-Fetzen: Informative Touristenschilder, leer gefutterte Lunch-Boxen mit Manuskriptfragmenten sowie schaurige Kinderreime und kleine Kultverstecke, die erst das Lösen eines Rätsels verlangen, bevor sie ihre wertvollen Inhalte preisgeben.

 

 

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Die in Bright Falls versteckten Brotdosen bergen geheime Nachrichten. Von wem die wohl stammen könnten? © 4P/Screenshot

Die Erkundung von Bright Falls, dem anliegenden Cauldron Lake und den Wäldern dazwischen bereitet nicht zuletzt wegen der zum Schneiden dicken Atmosphäre eine Menge Spaß: Wenn ich mit Saga über Äste am belaubten Boden klettere, eine verlassene Ranger-Hütte mit der Taschenlampe ausleuchte oder später durch einen schaurigen Vergnügungspark kraxle und mich bei jedem Geräusch umdrehe, um nicht von Besessenen überfallen zu werden, schwappt die Spielstimmung beinahe aus dem Bildschirm in mein Wohnzimmer. Die optionalen Bereiche fügen sich hervorragend in das Pacing der Geschichte ein und weil jeder Sammelgegenstand einen Zweck erfüllt und entweder das Gameplay oder die Lore bereichert, scheint man aus den 100 sinnlos verstreuten Thermoskannen des Vorgängers gelernt zu haben.