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Alan Wake 2 (Action-Adventure) – Schauriges Sequel mit hellen Einfällen

Alan Wake ist zurück: Der wohl bekannteste Schriftsteller der Videospielhistorie steckt auch 13 Jahre nach dem Ende des Erstlings noch am dunklen Ort unterhalb von Cauldron Lake fest und versucht verzweifelt, sich mit seinen Schreibkünsten einen Ausweg zu schaffen. Ob ihm das gelingt, stellt sich jetzt im zweiten Teil heraus, der mit einer weiteren Protagonistin, zahlreichen Perspektivwechseln und einer ordentlichen Portion Horror neue Taschenspielertricks aus dem Autorenärmel schüttelt. Mit einer Taschenlampe bewaffnet stürzen wir uns erneut in den Kampf gegen die dunkle Präsenz und verraten, ob uns dabei ein Licht aufgeht oder ob Alan Wake 2 im Schatten seines Vorgängers zurückbleibt.

© Remedy Entertainment / Epic Games

Die abgedrehte Welt des Alan Wake
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Im malerischen Bright Falls erwarten euch jede Menge seltsam-charmante Bewohner mit ihren ganz eigenen Geschichten. © 4P/Screenshot

Eine der größten Stärken ist das herrlich schräge und doch stimmige Universum von Remedy, das man in Alan Wake 2 noch einmal um neue bizarre Einfälle ergänzt. Schon der Vorgänger und das an Akte X erinnernde Control punkteten mit spannenden Lore-Fetzen, die in der Spielwelt darauf warten von mir entdeckt zu werden, absurden Full-Motion-Videos und kauzigen Charakteren. Mit dem Federal Bureau of Control und dem Hausmeister Ahti tauchen nun ein paar alte Bekannte auf, bei denen das Portfolio von Remedy nahtlos zu verschmelzen scheint, während die neuen Bewohner des Städtchens mit ihren eigenen abgedrehten Persönlichkeiten glänzen.

 

 

Besonders die Koskela-Brüder Ilmo und Jaakko, die in jede noch so absurde Idee investieren und passend zum Oh Deer-Diner einen kaffeebasierten Vergnügungspark aus dem Boden gestampft haben, sind ein Geniestreich. Ihre Werbespots, die an einigen Orten im Spiel auf Fernsehgeräten zu sehen sind und an das bizarre Video des Tierpräparators Chuck Testa erinnern, trösten mich sogar über die nur noch namentlich erwähnte TV-Serie Night Springs hinweg. Wer ein Faible für das Außergewöhnliche hat, sollte Alan Wake 2 ausgiebig erkunden und wird dafür mit grotesken Geschichten und einer ordentlichen Portion Humor belohnt.

 

Ein schockierend schönes Spiel

All die oben genannten Qualitäten und Makel werden dann in eines der wohl hübschesten und hochwertigsten Geschenkpapiere eingehüllt, die man in modernen Videospielen finden kann: Alan Wake 2 hat fantastische Lichteffekte zu bieten, bei denen die untertauchende Sonne keck über den Horizont lugt und alles in einen warmen, orangefarbenen Schimmer taucht, oder flackernde Straßenlaternen und meine Taschenlampe die nassen Baumstämme und Büsche im dunklen Wald zum Glänzen bringen. An die grafische Leistung eines Cyberpunk 2077 auf den höchsten Einstellungen kommt das Spiel zwar nicht heran, auch im Qualitätsmodus auf der PlayStation 5 sind Spiegel beispielsweise nur unscharfe Flimmerbilder.

 

 

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Was für ein sündhaft schöner Sonnenuntergang: Wenn Alan Wake 2 mal nicht schockiert, dann bezaubert es mit seinen Panoramen. © 4P/Screenshot

Trotzdem punktet Alan Wake mit einer wahrlich hübschen und detailreichen Optik, die Bright Falls und dem dunklen Ort trotz trister Tragödien Leben einhaucht. Die Wälder von Washington warten mit verschiedensten Bäumen und Gewächsen auf, die geschmückte Stadt sorgt angesichts des bevorstehenden Hirschfests für bedrückte Feierlaune und Alan wird durch die finstere Nacht New Yorks von leuchtenden Neonschildern geleitet, deren Umrisse eine Reihe an Graffitis enthüllen, die wiederum Namen und Ereignisse der Geschichte beinhalten. Die ohnehin schon unheimliche Atmosphäre wird von den Lichteffekten und der realistischen Grafik weiter unterfüttert und verbreitet so konstante Anspannung.

 

 

Und apropos unheimlich: Die eingangs erwähnten Horrorelemente sind vor allem visuell eine wahre Augenweide und wirken mit ihren wahlweise schwarz-weißen, blutroten oder moderig grünen Farbkonstellationen fast wie ein Blick auf verbotene Bilder aus den menschlichen Verstand übersteigenden Abgründen. Konventioneller Horror trifft auf eine unkonventionelle Darstellung, optische Spielereien und furchterregende Mimik. Mit dem künstlerischen Ansatz gelingt es Alan Wake 2, sich von der Masse abzusetzen und zu einem der stylischsten Schocker überhaupt zu werden.