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Uncharted 4: A Thief’s End (Action-Adventure) – Eine Brudergeschichte

Nachdem
Dark Souls jetzt offiziell beendet wurde, schließt sich
dieses Jahr für eine weitere prominente Reihe der Kreis: Uncharted 4: A
Thief’s End ist das letzte Spiel mit Nathan Drake. Der Haudegen konnte
einer Lara Croft seit 2007 überzeugend nacheifern und sie über drei Auftritte hinweg nicht nur technisch überflügeln: Seine Abenteuer
setzten Maßstäbe hinsichtlich der Inszenierung von Action und Akrobatik. Kann dieser moderne Indiana Jones auch auf PlayStation 4 begeistern? Und gelingt Naughty Dog inhaltlich ein würdiger Abschluss? Mehr dazu im
Test.

© Naughty Dog / Iron Galaxy / Sony

Ein glückliches Leben

Nathan ist nach dem plötzlichen Wiedersehen also nicht restlos begeistert, aber muss seinem Bruder letztlich helfen. Dabei wollte er keine krummen Dinger mehr drehen; das hat er seiner Frau Elena hoch und heilig versprochen. Mit der Beute vergangener Jahre konnten sich die beiden immerhin ein kleines Zuhause einrichten. Sie schreibt Reiseführer und der Entdecker El Dorados arbeitet als Angestellter eigentlich nur noch legal. Der Regie gelingt es hervorragend, dieses friedliche private Leben abzubilden, indem man Passagen wie einen Tauchauftrag aktiv spielt oder elegant Hinweise auf die etwas turbulentere Vergangenheit des Paares einstreut.

Wenn man in der Rolle von Nathan den Dachboden durchstöbert und dabei Relikte sowie Fotos früherer Abenteuer

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Nathan hat Ärger im Knast… © 4P/Screenshot

betrachtet, ist das nicht nur eine Hommage an alte Tage, man fühlt sich auch an Storytelling-Experimente im Stile von Gone Home erinnert. Naughty Dog lässt schon das häusliche Milieu wie ein Gemälde wirken, das man näher betrachten will. Die visuelle Qualität sucht schon in diesen Szenen ihresgleichen: Man schlendert durch die Wohnung, kann ohne Hinweise oder Aufgaben in Ruhe alles ansehen und wundert sich, dass man selbst in einer derart alltäglichen Situation zwischen Schränken, Wäschekörben und Flurfotos stehen bleibt, weil man die Kamera drehen will – vielleicht hab ich ja deshalb so lange bis zum Finale gebraucht.

Wie ein Gemälde

An dieser Stelle ahnt man ja noch nicht, was Naughty Dog in den kommenden sechzehn bis zwanzig Stunden an exotischen Schauplätzen und vor allem Variationen

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Immer wieder gibt es tolle Ausblicke auf die Landschaft. © 4P/Screenshot

an Natur, Architektur, Licht sowie Wetter auffährt – von Regen umtosten Berghängen bis hin zu stillen Inselparadiesen im grellen Licht, vom verschneiten Hochland bis hin zu türkisfarbenen Grotten, von halb im Wasser liegenden Palästen bis hin zu klaustrophobischen Katakomben und historischen Schiffwracks. Mal rast man im Jeep durch Schlamm und Wildwasser, mal cruist man im Schnellboot über Korallenriffe an Stränden vorbei – und kann überall halten, tauchen, stöbern. Das ist eine vielfältige und en detail verblüffende visuelle Pracht, die alles übertrifft, was ich bisher in einem Videospiel gesehen habe. Manchmal bestechen Spiele in einem oder zwei Bereichen wie Wetter oder Animationen, Wasser oder Sichtweite, Explosionen oder Mimik. Hier fließt einfach alles zusammen, flüssig und faszinierend. Wenn sich ein Fotomodus für Postkartenmotive in einem Spiel lohnt, dann hier. Man muss auch die Kleinigkeiten erwähnen, wie Fußspuren in Matsch, Sand oder Schnee, nasse oder immer vermatschtere Kleidung, bewegte Gräser bei Kontakt oder all die schnell flüchtenden Vögel oder Raubtiere, darunter exotische Exemplare wie etwa Fossa, die es eben nur in Madagaskar gibt.

Aber das Entscheidende ist: Es geht nicht nur um diese außergewöhnliche technische Brillanz, die Naughty Dog schon

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Nicht nur die Beziehung zum Bruder, auch jene zu Nathans Frau wird thematisiert. © 4P/Screenshot

seit Jahren immer wieder aufs Neue bestätigt, sondern auch um Storytelling. Wenn man sich ein Bier aus dem Kühlschrank schnappt, mit Elena auf der Couch sitzt und aktiv einen Klassiker auf der PlayStation spielen kann, ist das nicht nur eine tolle Hommage an die Vergangenheit der Entwickler: So manch einer dürfte vielleicht seine eigene Beziehung wiedererkennen. Oder zumindest verstehen, warum sich Nathan und Elena lieben, ohne dass sie es aussprechen müssen. Der unverhoffte Kuss aus The Darkness war eine dieser unvergesslichen Szenen, die mich damals beeindruckt haben, weil man gar nicht damit gerechnet hat, dass ein Shooter sich diese Zeit nimmt. Naughty Dog und die Spielewelt haben sich natürlich weiter entwickelt, so dass man sich an subtile Momente und ruhigeres Erzählen gewöhnt hat. Übrigens: Ich „Held“ hab Elenas Rekord natürlich nicht gebrochen, worauf sie mir einen leichteren Schwierigkeitsgrad empfiehlt…touché.