Kann man ein Spiel malen? Kann man virtuelle Welten mit der alten Magie des Pinsels erschaffen? Und zwar so, dass jeder Farbtupfer und jeder Strich nicht nur gewollt, sondern auch so richtig wirkt, als hätte ihn ein geschultes Auge nach distanzierter Betrachtung noch hinzugefügt? Dass nicht nur Architektur und Natur im Großen, sondern jede Bewegung und jede Verzierung im Kleinen eine visuelle Symbiose eingehen? Egal wohin man schaut, müsste von der prächtigen Blume bis zum majestätisch davon flatternden Tucan alles perfekt arrangiert sein.
Wer in dieses grandios inszenierte Abenteuer abtaucht, wird all diese Fragen mit einem klaren Ja beantworten. Es geht dabei nicht um Polygonpower oder Texturtechnik. Es geht nicht um Kantenglättung oder Ausleuchtung. Dieses Uncharted 2 setzt künstlerische Zeichen, indem es den Spieler in ein exotisches Gemälde aus Farben und Formen, aus Licht und Schatten zieht. Und wenn man erstmal ein paar Schritte durch den im Sonnenlicht glitzernden, bei Kontakt sanft aufpulvernden Schnee Nepals oder durch den diesigen, in Luftfeuchtigkeit wabernden Dschungel Borneos gemacht hat, will man gar nicht mehr raus.
Indiana Jones lässt grüßen
Warum man hier unterwegs ist, wird von einer guten Story à la Indiana Jones und 90 Minuten Zwischensequenzen geklärt – erwartet kein Epos, aber freut euch auf markante deutsche Sprecher, bekannte Charaktere wie den Zigarre schmauchenden Victor Sullivan, süffisante Dialoge und vor allem eine ausgezeichnete Mimik und Gestik. Schön ist auch, dass die beiden zentralen Frauenfiguren, die frische Flamme Chloe Frazier und die bekannte Reporterin Elena Fisher, sehr natürlich auftreten. Sie sehen gut aus, aber es sind keine naiven 90-60-90-Sexbomben, sondern ebenso zickige wie schlagfertige und überaus kluge Ladys, die Nathan ordentlich Paroli bieten oder ihm den Allerwertesten retten.
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Egal ob Mimik oder Gestik: Die Dialoge werden auf höchstem schauspielerischen Niveau inszeniert und wurden klasse in deutscher Sprache vertont – zum Video-Fazit; zur Komplettlösung! |
In den kleinen Filmen wirkt nicht nur jede Bewegung, jeder Blick dank Motion Capturing echter Schauspieler unheimlich lebendig; auch die Kameraschwenks- und -fahrten in und abseits der Zwischensequenzen treffen punktgenau ihr Ziel. Die Story hat innerhalb der dreizehn Stunden Spielzeit einige Überraschungen, einige plumpe Wendungen und hanebüchene politische Entwicklungen, aber auch einen angenehmen Schuss Mysteriöses parat. Wer die düstere Note des Vorgängers zu schätzen wusste, wird auch hier auf seine Kosten kommen und lange Zeit in Ahnungen tappen.
Die Geschichte beginnt historisch mit einem Zitat von Marco Polo (1254 – 1324). Angeblich segelte der venezianische Entdecker mit einer großen Flotte, mehreren Hundert Mann Besatzung sowie reichlich Schätzen von China zurück nach Europa. Aber als er in Istanbul ankam, wurde nur noch ein Schiff inklusive kleiner Mannschaft und ein paar Kostbarkeiten gesichtet. Kann es sein, dass der Großteil der Beute noch irgendwo auf seinen Entdecker wartet? Das ist eine interessante Ausgangsposition, die neugierig macht.