Die schlurfenden Toten werden jetzt Muertos genannt, manchmal jedenfalls, ansonsten hat sich in The Walking Dead nicht viel verändert: Noch immer kämpfen Menschen gegen Wanderleichen, vor allem aber mit ihren eigenen Dämonen. Und trotzdem ist die dritte Staffel mit dem Untertitel Neuland (Englisch: A New Frontier) nicht ganz so wie die vorherigen Geschichten. Wie Telltale das schafft? Im Test nehmen wir Javier und seine zerbrechliche Familie unter die Lupe.
Eine Anmerkung vorweg: Nachdem wir uns in einem Test der ausgezeichneten zwei ersten Episoden bereits dieser dritten Staffel gewidmet haben, bin ich nach Abschluss aller fünf Folgen zwar nicht mehr ganz so euphorisch, doch im Wesentlichen trifft das dort Gesagte nach wie vor zu.
Ich erwähne das deshalb, weil ich in diesem Text wesentliche Einzelheiten der Handlung bis hin zum Finale ohne weitere Warnung aufzählen werde. Warum? Weil manche Argumente seltsam in der Luft hängen, wenn man sie nicht beim Namen nennt. Und weil Telltale nach wie vor fast ausschließlich an dieser inhaltlichen Ebene interessiert ist, man
also über die auch sprechen muss. Am Spiel im Sinne einer Knobelei oder eines Geschicklichkeitstests sind die Entwickler ja kaum noch interessiert. Als Adventure funktioniert The Walking Dead schon lange nicht mehr.
Sinnlos auf der Suche
Was ich nach wie vor bedauerlich finde! Weil die Reste des Rätselratens in den vergangenen Jahren immer stärker zurückgefahren wurden, erscheinen sie inzwischen sogar wie Fremdkörper: Wozu soll ich in seltenen Szenen überhaupt noch den Bildschirm per Cursor absuchen, wenn der Protagonist die anschließende Aktion ohnehin automatisch ausgeführt. Rätsel gibt es ja keine mehr. Und die wenigen in diesen Momenten optionalen Dialoge mit in der Nähe befindlichen Figuren haben kein nennenswertes erzählerisches Gewicht.
Ähnliches gilt für die Reaktionsspiele, bei denen man innerhalb kurzer Zeitfenster angezeigte Tasten drücken muss. Das ist spielerisch nämlich dermaßen anspruchslos, dass es kaum einen Zweck erfüllt – ich würde deshalb lieber darauf und auf die Pseudo-Suchspiele verzichten.
Noch besser gefiele mir allerdings ein Ersetzen der über weite Strecken beliebigen Eingaben durch haptisch sinnvolles Tastendrücken, vielleicht auch ineinandergreifende „Gesten“ am Gamepad. Dann hätte man vielleicht stärker das Gefühl, tatsächlich inmitten einer Zombieherde zu stehen, anstatt nur zuzusehen, wie jemand Untote erschießt.
Alt und überholt
Aber gut, das sind Kleinigkeiten. Es ärgert mich zwar, dass Telltale das klassische Adventure so stiefmütterlich behandelt, viel mehr ärgert mich allerdings, dass die Entwickler der Grafik im Kleinen zwar einen modernen Anstrich
verpassen, Animationen und Kamerafahrten aber auch fünf Jahre und etliche weitere Serien nach dem Erfolg der ersten Staffel hölzern und leblos wirken. Mag sein, dass Telltale nicht das Budget eines The Last of Us hat, aber man schaue sich nur mal an, wie David Cage seine im Umfang durchaus vergleichbaren interaktiven Filme inszeniert.
Warum hat sich die einst wegweisende Serie eigentlich nie so weiterentwickelt, dass heute sowohl Schauspieler als auch Regie, Kamera und andere Kreative noch eindringlicher erzählen können als damals? Stattdessen sehen viele Bewegungen nach wie vor unnatürlich aus oder müssen außerhalb des Bildes angedeutet werden. Es gibt abrupte Übergänge am laufenden Band, was sich auch auf die Musik auswirkt, und den durch Keyframe- oder ähnliche Techniken erstellten Animationen fehlt eine wenigstens halbwegs glaubwürdige Physik. Comicstil hin oder her: Technisch wirkt The Walking Dead: Neuland älter als ihm guttut.