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The Suicide of Rachel Foster (Adventure) – Welcome to Hotel Montana

Ein Thriller im Spannungsfeld zwischen Shining, P.T. und Firewatch: The Suicide of Rachel Foster fasziniert mit stimmungsvoller Kulisse, intensiven Gesprächen und großartiger Beleuchtung. Wie angenehm der Aufenthalt im verlassenen, eingeschneiten Berghotel letztlich ist, verrät der Test.

© ONE-O-ONE GAMES / Daedalic Entertainment

Firewatch Hotel?


In den folgenden Stunden entspinnt sich eine zarte Beziehung zwischen Nicole und dem Mann am anderen Ende der Leitung. Und der Spieler fühlt sich stark an Firewatch erinnert, jenem erzählerischen Glanzstück von Entwickler Campo Santo. Und wie dort Henry und Delilah Funkkonkakt halten und Stück für Stück Einblick in ihre Leben gewähren, so erfährt man auch in The Suicide of Rachel Foster immer mehr von dem, was einst Dramatisches in Hotel und Kleinstadt geschah. Wie Nicole ihre Schulkameradin wahrnahm, wie die Lokalpresse auf den Fall reagierte, was Nicoles Vater nach der Abreise von Frau und Tochter unternahm. Die Gespräche sind dabei angenehm abwechslungsreich – mal ist Nicole zynisch oder verschlossen, ein ander Mal plaudert sie mit Irving wie mit einem alten Kumpel.

 

Obgleich das Spiel auf Schockmomente verzichtet, ist es weniger subtil als Firewatch, die Dialogregie wirkt nicht ganz so feinsinnig und durchdacht. Nicoles Antworten, die man als Spieler auswählt, haben zwar Einfluss auf die Gespräche – echte Konsequenzen ergeben sich daraus aber nicht. Außerdem finde ich es etwas schade, dass ich, von wenigen Momenten abgesehen, nicht selbst die Initiative zum Telefongespräch ergreifen kann – Nicole ruft, wenn in einem Raum etwas passiert ist, automatisch an oder wird angerufen.

 

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Redrum? Nicht ganz. Der Anblick der roten Farbe und des „pig“-Schriftzugs lädt trotzdem nicht zum Toilettengang ein. © 4P/Screenshot

Der Schauplatz Timberline Hotel selbst ist viel weitläufiger als man in den ersten Spielminuten denkt: Es gibt einen abgesperrten, weil baufälligen Flügel, endlose Kellerkorridore, Speise- und Ballsaal und natürlich viele Standard-Hotelzimmer – Nicole darf zwar nicht jeden Raum inspizieren, während der vier bis fünf Spielstunden fühlt sich die Größe des Anwesens aber genau richtig an. Per Zoom-Funktion kann ich alles komfortabel anschauen, einige Gegenstände wie Dokumente, Bücher, Putzmittel oder Werkzeuge nimmt Nicole auf Knopfdruck zur genaueren Inspektion in die Hand. Außerdem findet man im Spielverlauf Polaroidkamera, Taschenlampe und Mikrofon – mit diesen Utensilien ausgestattet, kann Nicole ihre Umgebung gründlicher untersuchen. Was wohl unter den Zwischenböden und hinter der zugestellten Kellertür verborgen ist?


Silent Hotel?

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Mit dem Richt-Mikrofon kann Nicole versuchen, übernatürlichen Phänomen auf die Spur zu kommen. Nebenbei sehen hier die Lampen total gut aus. © 4P/Screenshot
Bleibt noch der eingangs gezogene Vergleich mit P.T., jener mittlerweile legendären Demo für Hideo Kojimas eingestelltes Horror-Projekt Silent Hills: In mancher Hinsicht erinnert The Suicide of Rachel Foster nämlich auch daran. Die langen Hotelflure, die vielen Türen, die Gegenstände auf Tischen, deren Begutachtung sich lohnt. Vor allem aber ist es die hervorragende, realistische wirkende Beleuchtung, die mich an P.T. erinnert hat. Die Blooming-Effekte der Lampen oder des Schneesturms außerhalb der Hotelfenster sind absolut großartig, dazu gesellt sich ein geschicktes Spiel mit der Tiefenschärfe – wenn der Cursor in der Bildmitte auf ein weit entferntes Objekt gerichtet ist, werden Dinge in der Nähe unscharf.

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Bisschen Grusel gefällig? In den Zwischengängen hinter den Wänden wird es düster… © 4P/Screenshot
Ja, The Suicide of Rachel Foster ist einer dieser „Walking Simulatoren“, quasi ein Wanderspiel innerhalb eines Hotels: ohne Action-Einlagen und ohne Adventure-Rätsel. Ab und zu muss ich einen Raum akribisch unter die Lupe nehmen oder bei der Suche nach einer versteckten Tür Gespür beweisen – Kopfnüsse erwarten Nicole im Timberline Hotel aber keine. Die niedrige Spielgeschwindigkeit und der in der ersten Hälfte träge Spielfluss tragen zur eigentümlichen Atmosphäre bei, was ungeduldigen Naturen sauer aufstoßen könnte. Andererseits fühlt es sich auch ehrlich und realistisch an, dass man sich bei der der Suche nach einem Gegenstand erstmal aufgeschmissen fühlt – schließlich war Nicole zehn lange Jahre nicht in den Räumlichkeiten.

Die Steuerung funktioniert per Maus/Tastatur oder auch mit Controller ordentlich. Es gibt übrigens nur einen Spielstand und nur die Möglichkeit, ein gespeichertes Spiel fortzuführen – das Hereinladen eines Kapitels (das Spiel ist in Tage eingeteilt) ist nicht möglich. So führt denn auch kein Weg vorbei am nochmaligen kompletten Zocken, wenn man das alternative Ende sehen möchte. Ach ja: The Suicide of Rachel Foster soll im Verlauf des Jahres auch für Konsole umgesetzt werden.