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The Raven: Vermächtnis eines Meisterdiebs – Das Auge der Sphinx (Adventure) – The Raven: Vermächtnis eines Meisterdiebs – Das Auge der Sphinx

Endlich wieder ein Adventure aus Bremen: King Art hat sich nach The Book of Unwritten Tales und den Vieh-Chroniken viel Zeit gelassen, doch seit gestern gibt es Nachschub. Nach zwei Comedy-Abenteuern im Fantasy-Universum nehmen sich die Entwickler ein erwachseneres Thema vor. The Raven ist ein klassischer Rätsel-Krimi im Orient-Express: Ein unscheinbarer Schweizer Wachtmeister jagt auf dem Weg nach Kairo Mördern und Juwelendieben nach.

© KING Art / Nordic Games

Kriminologische Bastelstunde

Legrand wirkt wie getrieben von seinem Ziel, den Raben zur Strecke zu bringen.
Legrand wirkt wie getrieben von seinem Ziel, den Raben zur Strecke zu bringen. © 4P/Screenshot

Ein Großteil der Rätsel beschränkt sich auf solche Basteleien mit Hilfe des überschaubaren Inventars. Es klappt auf, wenn sich der Mauszeiger dem unteren Bildrand nähert. Ideal ist das System nicht: Manchmal will ich einfach nur nach unten ins nächste Abteil laufen, klicke aber versehentlich ins sich öffnende Inventar. Auch die Hotspots sind nicht immer ideal gesetzt. Manche Räume wie die Kabine der Baronin musste ich mehrmals absuchen, bis ich einen kleinen aber wichtigen Zettel fand. Auch dass ich in dem überschaubaren Zimmer noch um die Ecke gehen konnte, bemerkte ich nicht auf Anhieb. Manche sichtbare Areale des Spiels darf man betreten, andere nicht – eine logische Erklärung dafür gibt es nicht.

Auch Grafikfehler haben mich manchmal aus dem Spiel gerissen: Anton wechselt z.B. abgehackt zwischen zwei Animationsphasen, läuft gegen die Wand oder dreht sich wie ein Hund im Kreis, bevor er eine Kabine betritt. Wirklich ärgerlich wurde es aber nur, als plötzlich das komplette Bild schwarz wurde und ich das Spiel mehrmals neu starten musste. Im Gegensatz zu The Inner World half mir aber zum Glück ein älterer Spielstand aus dem Dilemma.

Karge Einrichtung


Es werde Licht!
Es werde Licht! © 4P/Screenshot

Allgemein wirkt das Spiel technisch nicht so ausgereift wie seinerzeit das konkurrenzlos hübsche The Book of Unwritten Tales. Damals wurden fein beleuchtete Polygonfiguren geschickt in detailverliebte Rendergrafiken eingebunden. In The Raven sind dagegen auch die Hintergründe dreidimensional. Das ermöglicht zwar dynamische Kamerafahrten, im Gegenzug mangelt es in den Zugabteils und auf Deck an Details. Sehr schön gelungen sind dagegen die natürlichen Gesichtsanimationen. Die zackigen Augenbewegungen verleihen den nur leicht überzeichneten Figuren viel Persönlichkeit.

Auch bei der Zusammenstellung der Reisenden hat King Art ein glückliches Händchen bewiesen. Nach und nach offenbaren sich in Gesprächen immer mehr Details, welche sie interessant oder verdächtig machen. Die entspannte Inszenierung trägt ebenfalls die typische Handschrift der Entwickler. Ich hatte sofort wieder das Gefühl, mich auf einem großen Abenteuer zu befinden, fernab von Hektik, Smartphones und anderen ablenkenden Faktoren unserer heutigen Gesellschaft. Auch die dezenten humoristischen Untertöne passen zum Spiel. Als ich mich z.B. beim zwielichtigen Doktor nach Obduktions-Ergebnissen am Mordopfer erkundigte, antwortete der zunächst schroff „Es ist tot!“. Auch die Kommentare von Lady Westmancott („Ich habe leider schon geschlafen und alles verpasst“) oder des Butlers („Kein Gärtner an Bord, man wird’s wohl mir in die Schuhe schieben“) haben mich zum Schmunzeln gebracht.