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State of Mind (Adventure) – Gespaltenes Familiendrama

Nach David Cages Detroit: Become Human stellen sich auch Daedalic mit Romanautor Martin Ganteföhr die Frage nach menschlichen Werten in einer Zukunft voller Technologie und Androiden. Im futuristischen Berlin des Jahres 2048 geht es allerdings primär um das menschliche Bewusstsein, während Journalist Richard Nolan sich auf die Suche nach seiner verschwundenen Familie begibt. Dabei trifft er auf Verschwörungen, medizinische Experimente und eine sonderbare Parallelwelt.

© Daedalic Entertainment / Daedalic Entertainment

Nicht besonders clever

Weniger ambitioniert präsentiert sich das Spieldesign: Es gibt zwar ein Inventar; statt mit klassischen Kombinations- und Umgebungsrätseln zu arbeiten, hat sich Daedalic aber für diverse Minispiele entschieden, die sich größtenteils ziemlich fade gestalten. Mal ist es ein waberndes Puzzle mit Erinnerungsteilen, später das Übernehmen einer Drohne, um eine simple Schleichsequenz im Luftschacht zu meistern. Anderswo hackt man z.B. im Techno-Club oder in der Androidenfabrik einen Laser, um simplifiziert auf Drohnen zu ballern – Moorhuhn lässt grüßen! Manch menschenähnlicher Roboter mit intaktem Memory-Modul scheint auch hier eine gewisse Persönlichkeit zu entwickeln. Das einzige Minispiel, das sich etwas weniger aufgesetzt anfühlt, ist die Zuordnung von Verdächtigen, die man mithilfe gehackter Infos aus Bewegungsprofilen und anderen Datenbanken gewinnt.

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Ob er sich mit den richtigen Leuten eingelassen hat? © 4P/Screenshot

Auch hier ist der Anspruch der Deduktion weit von einem Sherlock-Holmes-Adventure entfernt, aber es passt immerhin zum Thema. Oft hilft es auch, mit neuen Erkenntnissen bei anderen Personen per Hologramm-Anruf durchzuklingeln. Verzieht euch dazu am besten in eine vor unerwünschten Mithörern geschützte Ecke. Ganz allgemein verströmt das Spiel eine recht „sperrige“ Atmosphäre – mit den erwähnten Problemen bei der Steuerung, schlichten Minispielen und seinem Mangel an Rätselanspruch. Auf der „alten“  Xbox One kommt noch ein nerviges leichtes Dauerruckeln hinzu, das auf der Standard-PS4 und Nintendo Switch glücklicherweise weniger penetrant wirkt.

Irgendwie sperrig


Auf Nintendos Konsole sieht die kantige Kulisse aufgrund niedrigerer Auflösung zudem nicht mehr so knackig scharf aus. Als interaktive Geschichte schlägt sich State of Mind aber gut. Während die Story zwischen den zwei Welten mit ihrer Vielzahl an Figuren, Informanten aus der erotischen „Erlebnisindustrie“, Wissenschaftlern mit Gewissensbissen und Konzernspitzen wechselt, kann man zwar schon mal die Übersicht verlieren. Doch gleichzeitig baut sich ein schöner Spannungsbogen auf, wenn sich immer mehr Facetten unterschiedlicher Parteien und Akteure auftun und weitere Fragen aufwerfen.


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Leichte Minispiel-Kost statt Rätselanspruch: Ein Blick aufs Datenbank-Puzzle… © 4P/Screenshot

Warum muss Adams hochbegabter Sohn regelmäßig in die Klinik und benimmt sich so apathisch? Auch in den klinischen Fragestunden bekommt die Beziehung zu ihm immer wieder eine Bedeutung. Welche Rolle spielt Richards gestörtes Eheleben, seine Beziehung zu Lydia und zu welchen Dialogen entschließt man sich, wenn der Kontakt zur Familie zur Sprache kommt? Die Entscheidungen scheinen bei weitem nicht so tiefgreifende Veränderungen nach sich zu ziehen wie in Detroit, aber die gewählten Dialogzeilen beeinflussen immerhin die Beziehung zu den Gesprächspartnern. Im Verlauf des Spiels muss man z.B. auch abwägen, wie weit man beim Job an einer Holgramm-Hotline mit einem aufdringlichen sadistischen Kunden geht.


Sonderbare Begegnungen

 

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…und einen Drohnenflug mit Schleich-Passagen. © 4P/Screenshot

Passend zur USK-12-Einstufung bleibt es aber meist bei zahmeren, nur angedeuteten Erotik- oder Gewaltdarstellungen. Für ein bizarres Erlebnis sorgte dagegen eine andere, faszinierende Idee am Rande, die sich um ein philosophisches Zwiegespräch mit Adams grantigen Vater drehte – mehr verrate ich nicht. Die Szene ist ein schönes Beispiel für die oft mehrdeutig formulierten Dialoge. Die deutschen Sprecher (alternativ steht auch Englisch zur Wahl) verrichten ihren Job meist angenehm professionell. Nur in manchen Momenten sorgt eine abrupte Änderung bei der Betonung für seltsame Stimmungswechsel oder unfreiwillige Komik. Auch Adams Mitmenschen ahnen, dass in ihrer abgeschotteten, vordergründig heilen Welt einiges im Argen liegt. Irgendetwas hält sie allerdings zurück, den Ungereimtheiten weiter nachzugehen. Zerrissenheit ist allgemein ein stetig wiederkehrendes Thema: In der Familie, zu Androiden, zwischen den zwei Welten, in der eigenen Persönlichkeit.