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Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper (Adventure) – Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper

Bislang hat Sherlock Holmes meist die Fälle der feinen englischen Gesellschaft gelöst. In Sherlock Holmes jagt Jack the Ripper begibt sich der Meisterdetektiv allerdings in den übelsten Slum, den das Königreich je hatte. Dort ist er zusammen mit dem getreuen Watson einem mörderischen Phantom auf der Fährte.

© Frogwares / Focus Home

In den Slums

„Whitechapel is the gutter of London!“, so tönt es vollmundig im englischen Trailer zum fünften Auftritt von Sherlock Holmes. Dieser Stadtteil war zuerst noch ein normales Viertel im Londoner Eastend, das im Laufe des 19. Jahrhunderts allerdings immer weiter runter kam. Wie es zum Armenviertel wurde, weiß niemand mehr zu sagen. Vielleicht lag es an der Nähe zum Hafen, vielleicht an den vielen Einwanderern, die aus aller Herren Länder in die Stadt strömten, um ihr Glück zu machen. Viele schafften es nicht und landeten auf dem Abstellgleis, wo sie von der Hand in den Mund lebten. Hier hauste der Ausschuss der britischen Gesellschaft, der sich fortan mit Gelegenheitsjobs über Wasser halten musste.

Zum Wegziehen waren die Leute bald zu arm, da sie noch nicht mal das Nötigste hatten. Tags drängten sie sich auf den engen Straßen und nachts wurden sie in billigen Absteigen zusammengepfercht. Besonders hart traf es die Ärmsten der Armen: Frauen, Kinder und Alte. Weil sie keinen anderen Ausweg sahen, prostituierten sich einige Mädchen, um so an ein wenig Geld für Brandtwein oder Essen zu kommen. Da sie keinen Raum hatten, wo sie hingehen konnten, leisteten sie ihre Dienste auf offener Straße.

Themenpark-Atmosphäre

In diesem beinahe unmenschlichen Milieu verübte im Herbst 1888 ein bis heute unidentifiziertes Phantom seine Mordtaten – besser bekannt ist er unter dem Pseudonym „Jack the Ripper“, das er sich angeblich in einem Brief selbst gab. Seine Opfer sahen entsprechend aus: Sie machten einen verlebten Eindruck, hatten Zahnlücken und trugen Männerstiefel. Der Mörder hoffte wohl insgeheim, dass sie keiner groß vermissen würde, obwohl er die Leichen stets gut sichtbar liegen ließ. Jeder sollte schließlich sehen, was er mit ihnen angestellt hatte.

Im Spiel kann man selbst durch die schlecht beleuchteten Gassen Whitechapels spazieren, was allerdings nicht wirklich

Die Gestalten auf Whitechapels Straßen sehen eher wie Zombies aus nem Michael Jackson Video aus.

eindrücklich ist. Wer schon mal ein Holmes-Abenteuer von Frogwares gespielt hat, wird wissen, wie man sich das vorzustellen hat: Recht weitläufige, aber auch ziemlich menschen- und detailarme Areale. Obwohl der Stil der tristen Backsteingebäude durchaus mit den damaligen Häusern in Whitechapel und Spitalfields übereinstimmt, sehen die 3D-Gebäude zu scharfkantig aus. Manche Wand erweckt eher den Eindruck einer Tapete. Zudem kann man immer nur die Gebäude betreten, in denen gerade eine Spielsequenz wartet. So nimmt man später meist die praktische Schnellreisefunktion, da man auf den gepflasterten Gassen nichts versäumt.

Da hilft es auch nicht viel, dass man die Straßen wahlweise in Egosicht oder Schulterperspektive durchwandern kann, denn sie sehen einfach künstlich aus. Es schlurfen sogar ein paar bedauernswerte Geschöpfe durch die unschöne Gegend, die immerhin zeitgenössische Kleidung tragen: Ein verrückt aussehender Mann mit Zylinder, eine fette Frau im Korsett oder ein Junge mit Mütze, der Mundharmonika spielt. Allerdings haben sie außer ein paar Standardantworten nicht viel zu sagen, wenn man sie anspricht. Außerdem sind es nur ein paar Gestalten, so dass kein Gedränge aufkommt, wie es damals herrschte. Einige nächtigen zwar auf der Straße, aber einen echtes Tagewerk scheinen die Leute nicht zu haben. Es sieht also nur auf den ersten Blick aus wie die triste Heimat von Saucy Jack, wer näher hinblickt entdeckt schnell Schwächen – es wirkt daher wie ein Jack the Ripper-Themenpark und damit gibt es leider keine Erkundungsreize.

Erste Morde

Obwohl auch der Mord an Martha Tabram kurz vorkommt, beginnt im Spiel alles mit dem Mord in der Buck’s Row. Hier wurde am Morgen des 31. 

Der Hinterhof in der Hanbury Street sieht ziemlich echt aus, was man von Annie Chapmans Leiche nicht sagen kann.

August 1888 die Leiche von Polly Nichols gefunden, über die wie schon in der Vorschau berichteten. Das erste Opfer von Jack the Ripper lebte sogar noch, als man es fand. Doch der Schnitt durch die Kehle war für die zierliche Frau zu tief, als dass man ihr noch hätte helfen können – der unbekannte Täter hat ihr beinahe den Kopf abtrennt. Nur eine Woche später wurde am 8. September die zweite Frau umgebracht, die man in einem Hinterhof in der Hanbury Street gefunden. Annie Chapman war stärker verunstaltet als Polly Nichols. Scheinbar hatte das Phantom Blut geleckt und er brachte in kurzer Zeit noch drei Frauen um.

Das Spiel hält sich bei den Morden erstaunlich genau an die Tatsachen – offenbar hat sich die Zusammenarbeit mit Fachleuten ausgezahlt. Holmes untersucht den Tatort zwar erst, als die Leiche bereits entfernt ist, aber die Vorgehensweise wird nicht wie etwa im Film „From Hell“ falsch dargestellt. Dr. Watson erfährt am eigenen Leib, als Holmes ihn als Versuchskaninchen missbraucht, dass die Opfer zuerst gewürgt wurden und dann erst am Boden der tödliche Schnitt erfolgte. So konnte der Mörder verhindern, über und über mit Blut besudelt zu sein. Zudem wird auch klar, dass die Frauen an Ort und Stelle umgebracht wurden. Denn die Tatorte waren, wo Prostituierte mit ihren Freiern verkehrten. Auch Dutfield’s Yard, in dem das dritte Opfer gefunden wurde, lag abseits und war schlecht beleuchtet. Ein Transport der Leichen fand also nicht statt – schon gar nicht mit der königlichen Kutsche wie in From Hell.