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Panzer Corps 2 (Taktik & Strategie) – Wargame XL

Panzer General aus dem Jahr 1994 ist ein Meilenstein der Strategiespiele: Inspiriert von der japanischen Daisenryaku-Serie der 80er-Jahre, öffnete SSI damit den Vorhang für diese Art der militärischen Rundentaktik im Westen. Der erste geistige Nachfolger erschien 2011 mit Panzer Corps. Und genau das wird jetzt von Flashback Games unter Leitung des damaligen Entwicklers Alexander “Rudankort” Shargin fortgesetzt. Kann Panzer Corps 2 über 25 Jahre nach dem Klassiker noch mit Hexfeldtaktik begeistern?

© Flashback Games / Slitherine

Ein Faible für Wargames

„Panzer und Soldaten, echt jetzt? Wie kann man diese kleinen Symbole nur über Stunden verschieben?“ Ich erinnere mich noch an die Kommentare zuhause, wenn ich mal wieder vor dem Rechner versackte, irgendwo an einer Frontlinie. Ich habe Panzer Corps, damals von Bodo mit 86% im Test besprochen, schon 2011 sehr lange gezockt. Das liegt an meinem Faible für rundenbasierte Wargames, die ich auch gerne auf dem Tisch spiele. Im Gegensatz zum vermeintlich ähnlichen Prinzip in Civilization 6 & Co oder 4X-Strategie à la Endless Space 2 steht hier natürliche die militärische Expansion ohne Forschung oder Diplomatie im Vordergrund – und zwar im großen Maßstab.

Das muss nicht immer so territorial und repetitiv ausufern wie in Unity of Command 2 & Co, denn es gibt hervorragende knackige, aber dennoch höchst kreative und fordernde Wargames wie etwa Battle of the Bulge oder Drive on Moscow vom Shenandoah Studio, die sich auf spezielle Schlachten in den Ardennen bzw. an der Ostfront konzentrieren. Dieses Panzer Corps 2 ist spielmechanisch nicht derart innovativ, aber es lässt euch im ersten Teil der über fünf Etappen laufenden Kampagne „Polen 1939“ die Wehrmacht bis 1945 anführen, wobei sich die Entwickler „erzählerisch“ viele Freiheiten nehmen; das ist keine Simulation der historischen Abläufe, zumal man den Krieg mit den Deutschen gewinnen kann.

Großer Maßstab, moderne Technik

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Auch in Afrika wird im Laufe der Kampagne auf Seiten der Wehrmacht gekämpft. © 4P/Screenshot

Zu den offensichtlichen Defiziten gehört, dass man in der Kampagne immer auf Seiten der Achse kämpft – und tatsächlich eine Vorbesprechung in englischer Sprachausgabe vom deutschen Generalstab hört; lediglich Texte sind übersetzt. Egal ob in Russland, Afrika oder Italien: man hat keine Fraktionswahl. Aber dafür übernimmt man alle Truppen und Prestige, kann zudem Entscheidungen treffen (greift man Polen von Norden oder Süden an?) bzw. Ziele erreichen, die sich auf spätere Etappen auswirken, so dass sich auch eine andere Vorgehensweise lohnt. Und es gibt ja alternativ mehrere separate Szenarien sowie Multiplayer, in denen die anderen vier Fraktionen, darunter Amerikaner, Briten und Russen, spielbar sind. Flashback Games zoomt mit all den fiktiven Ausschlägen jedenfalls weit heraus, konzentriert sich dabei nicht auf eine Etappe des Zweiten Weltkriegs, sondern setzt auf kontinentale Maßstäbe mit 1000 Einheiten zu Lande, zu Wasser und in der Luft, befeuert von der Unreal Engine 4 – also erstmals mit voller 3D-Unterstützung.

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Man kann Deutsch auswählen, aber es gibt nur englische Sprachausgabe. Die Standard Edition kostet 33,99 Euro. Die General Edition (75 Bonus-Skins, Soundtrack, vier Bonus-Szenarien, vier Wallpaper, Techtree-Grafik) ist für 41,99 Euro erhältlich. Die Field Marshal Edition (die ersten beiden Download-Erweiterungen, 75 Bonus-Skins, Soundtrack, vier Bonus-Szenarien, vier Wallpaper, Techtree-Grafik) liegt bei 58,99 Euro. © 4P/Screenshot

Das klingt im Jahr 2020 etwas komisch: Man denke an die Spiele von Eugene Systems, die vom kreativen R.U.S.E.

(Wertung: 87%)

über das eher klassische Wargame: AirLand Battle

(Wertung: 70%)

bis Steel Division 2

(Wertung: 68%)

alle dreidimensional inszeniert wurden. Aber für das lange brach liegende Panzer Corps ist 3D ein Novum. Die Karte ist nicht dreh-, aber weit heraus zoombar  bis in eine Symbolansicht, das Gelände sieht auch in der extrem nahen Perspektive gut aus und bewahrt sich trotz gleißender Explosionen, Staubfontänen sowie leicht animierter Soldaten und im Wind wehender Fahnen seinen Tabletop-Charme. Schade ist allerdings, dass z.B. der Brückenbau der Pioniere nicht in Bewegung gezeigt wird. Es bleibt aber nicht bei technischem Fortschritt, denn sowohl der Umfang (inklusive Afrika als Schauplatz) als auch das Spieldesign wurde gegenüber Panzer Corps  erweitert.

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Der Zoom führt heraus bis in eine Symbolansicht. © 4P/Screenshot

Auch wenn einiges in der Benutzeroberfläche kleinteilig bis verwirrend wirkt und man sich über das sechsteilige Tutorial erstmal an die Finessen gewöhnen muss: Nicht nur das Bewegen, Verbinden, Trennen, Tauschen und generelle Transportieren von Einheiten wurde komfortabler gestaltet, sondern man hat einige Altlasten über Bord geworfen, das (leider nur als externes PDF und auf Englisch verfasste) Regelwerk sinnvoll ergänzt und vor allem neue Manöver, Wechselwirkungen und Kampfoptionen eingebaut. Wenn man Panzer Corps kennt, fühlt sich dieser Nachfolger zwar sehr vertraut an, aber er bietet ein in vielen Aspekten durchdachteres Spiel mit etwas mehr Dynamik.