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Oriental Empires (Taktik & Strategie) – 4X-Strategie im alten China

Mit Oriental Empires wollen die Entwickler von Shining Pixel vor dem unverbrauchte Szenario des alten China die 4X-Mechanik von Civilization mit dem militärtaktischen Ansatz der Total-War-Reihe verbinden. Wie gut das Zusammenspiel funktioniert, klärt der Test.

© Shining Pixel / Iceberg Interactive

Der Verrat!

 

„Das kann doch nicht sein Ernst sein?!“ hören mich die Kollegen im Büro fluchen. Gerade noch war ich in diesem Konflikt auf der sicheren Seite, auch wenn das Ausheben meiner Truppenverbände mächtig in die Staatskasse geschlagen hat. Dafür konnte ich mir aber immerhin der Unterstützung meines mächtigen Verbündeten sicher sein, der mir die Flanke decken und meinen Rückraum sichern würde. Dachte ich. Immerhin hatte ja gerade er mich zum Präventivschlag gegen die feindliche Armee ermuntert, die gegen Ende eines langjährigen Friedensvertrages mit einem anderen Nachbarn an meiner Grenze aufmarschiert war.

 

Und dann das! Verrat! Aufkündigung des Bündnisses! Mit einem traurigen „In diesem Krieg können wir euch leider nicht beistehen“ wird das mächtige Defensivbündnis zu einem reinen Waffenstilstand reduziert. Trotzig ziehe ich leicht angesäuert dennoch in die Schlacht. Doch das Ende der Freundschaft soll noch nicht alles gewesen sein: Während ich Schlacht auf Schlacht verliere und die Siedlungen an meiner Südgrenze in Flammen stehen, erklärt mir der verräterische Bastard ebenfalls den Krieg und verwandelt die Felder, Städte und versprengten Miliztruppen an meiner Westgrenze unter den Sandalen seiner Soldaten zu Staub. Und das als Dank für 80 Runden Waffenbrüderschaft!

 

Abgezockt und kaltherzig

 

 

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Ungünstige Ausgangslage: Startet man mit den Shu, ist man von Feinden umzingelt. © 4P/Screenshot

Tatsächlich zeigt sich die künstliche Feindintelligenz von Oriental Empires schon auf dem normalen Schwierigkeitsgrad in vielen Situationen eiskalt und extrem abgezockt. So versuchten mich in einem anderen Spiel zwei Kontrahenten, mit denen ich jeweils ausgezeichnete Beziehungen pflegte, immer wieder in einen Krieg mit der anderen Seite zu verwickeln, da sich beide Fraktionen als etwa gleichstarke Kontrahenten gegenüberstanden. Allerdings weigerten sie sich beharrlich, ein Bündnis mit mir einzugehen – denn dann hätten sie ebenfalls teure Armeen ausheben und gegen den Feind schicken müssen, was allerdings anscheinend nicht in ihrem Sinne war. Stattdessen versuchten sie mich als verlängerten Arm zu nutzen, um die unliebsame Konkurrenz gleich auf zweifache Weise kleinzuhalten.

 

 

Ein derart strategisch ausgebufftes Vorgehen ist mir in Civilization oder auch Total War nur äußerst selten begegnet. Die Feinde ziehen geschickt Truppen an wenig befestigten Siedlungen zusammen, um Drohkulissen für Verhandlungen aufzubauen – etwa um brutale Tribute zu erpressen oder mir im Rahmen der Verhandlungen eines weiteren Nichtangriffspaktes gleich eine ganze Stadt gewaltlos abzunehmen, die sonst nur mit Gegenwehr hätte erobert werden können. Zudem ist sich die KI auch ihrer Schwäche bewusst; bin ich einem Kontrahenten militärisch überlegen, sind viele Verhandlungen deutlich einfacher und auch taktische Waffenstillstandsabkommen, etwa nach der gezielten Eroberung einzelner Siedlungen, können geschlossen werden.

 

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Eher zweckmäßig als schön: Die Kulisse ist nicht ganz zeitgemäß. © 4P/Screenshot

Auch bei Oriental Empires ist die KI nicht über alle Zweifel erhaben, lässt sich zum Teil auf merkwürdige Abkommen ein oder verpasst es, eine militärische Übermacht ohne Skrupel bis zum bitteren Ende zu nutzen. Dennoch macht die Abgezocktheit der Computergegner richtig Spaß – und regt im besten 4X-Sinne unglaublich auf.