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Kentucky Route Zero (Adventure) – Kentucky Route Zero

Nicht einmal zehntausend Euro hatten die zwei Macher von Kentucky Route Zero nach der Kickstarter-Finanzierung zur Verfügung. Was kann man damit für ein Adventure entwickeln? Was kann man da schon hinsichtlich Atmosphäre und Spielspaß erreichen? Das zwingt jedenfalls zur Beschränkung auf das Wesentliche. Und manchmal ist genau das der Schlüssel für gute Unterhaltung. Mehr zur ersten von fünf Episoden im Test.

© Cardboard Computer / Cardboard Computer / Annapurna Interactive

Ein ganz normaler Lieferservice?

[GUI_PLAYER(ID=102122,width=400,text=Kentucky Route Zero ist ein kleines Projekt: An die 8500 Dollar konnten die Entwickler über Kickstarter erreichen.,align=right)]Irgendwo in Kentucky an einer Tankstelle sieht zunächst alles normal aus: Der Dieselmotor eines LKW wummert, der schlaksige Fahrer namens Conway steigt mit seinem Hund aus und unterhält sich mit einem alten Mann. Er fragt nach dem Weg, denn er hat eine Lieferung für den „Dogwood Drive“, den er nicht findet. Grillen zirpen, die Sonne geht unter, Autos rauschen den Highway entlang – ein schöner, fast schon idyllischer Abend. Jetzt könnte ein ganz normales Adventure mit der Rätselsuche beginnen.

Obwohl Kentucky Route Zero zunächst so wirkt, inszeniert es kein klassisches Point&Click-Erlebnis, sondern konzentriert sich auf ein Storytelling, das von Beginn an ein Netz aus interessanten Kleinigkeiten webt. Schnell bemerkt man seltsame Dinge: Wieso trägt der Hund eigentlich einen Strohhut? Warum kann ich ihn entweder Homer, Blue oder gar nicht benennen – hat das später Auswirkungen? Tatsächlich antwortet der Alte je nach Benennung des Hundes anders. Und weshalb sitzt er eigentlich in einem Queen-Anne-Ohrensessel zwischen den Zapfsäulen? Schon im ersten Gespräch bekommt der Schauplatz am Highway eine unwirkliche Note. Der Mann scheint auch irgendetwas zu wissen, quasselt von einer Route Zero. Oder ist der Typ einfach nur verrückt?

Das Unwirkliche schleicht sich an

Ein Truck wummert, Grillen zirpen: Das Spiel beginnt an einer Tankstelle an einem Highway.
Ein Truck wummert, Grillen zirpen: Das Spiel beginnt an einer Tankstelle an einem Highway. Entwickler Cardboard Games inszeniert allerdings kein klassisches Point&Click mit Rätselfokus, sondern erzählt eine rätselhafte Story mit unwirklichem Flair – David Lynch lässt grüßen. © 4P/Screenshot

Immerhin will er hinsichtlich der Route helfen, aber dafür müsste man in der Tanke für Strom sorgen, damit der Computer läuft. Als Conway die Leiter in den finsteren Keller hinab steigt, zoomt die Kamera weiter heraus und zeigt einen unterirdischen Irrgarten, wo drei Leute an einem Tisch spielen und ihren Würfel verloren haben. Ob man den findet? Das Unwirkliche schleicht sich langsam an, denn die Situation wirkt genauso abstrus wie die Architektur. Das ist doch ein Rätsel? Also doch ein klassisches Adventure!? Ja, man zeigt und klickt auf interaktive Symbole. Aber nein, nicht ganz, denn man sammelt keine Gegenstände in einem Inventar, muss den Bildschirm nicht nach Items absuchen und begegnet später quasi keinen Aufgaben mehr.

Nur dort unten muss Conway ein kleines Rätsel mit einer Lampe lösen: Und das tut dem Spiel richtig gut! Aber leider bleiben die Entwickler dieser Strategie nicht treu, sondern verlassen danach jegliche kombinatorische Anreize – schade. Irgendwann läuft der Rechner und man bekommt eine 2D-Karte der lokalen Routen. Auf dieser kann man seinen LKW per Klick los fahren lassen; sobald ein Symbol erscheint, kann man halten und einen der wenigen, aber stimmungsvoll ausgearbeiteten Schauplätze erkunden. Und es wird immer surrealer, denn als Conway den Alten auf diese Spieler im Keller anspricht, weiß der von nichts, das müsse man sich eingebildet haben! Was ist denn hier los? Ist man selbst verrückt, träumt man das Ganze? Erstmal den Hund füttern, den ich übrigens Homer genannt habe. Moment: Heißt die Tankstelle mit dem Pferdesymbol nicht „Equus Oils“, gibt es etwa Anspielungen auf die antike Mythologie? Verwirrt und voller Fragen fährt man mit Conway weiter den Highway entlang…