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E.Y.E: Divine Cybermancy (Shooter) – E.Y.E: Divine Cybermancy

Turmhohe Obelisken strecken sich in einen goldgelben Schleier. Es könnten gigantische Grabsteine sein, die zu Dutzenden in den Sonnenaufgang ragen. „Schon wieder der gleiche Traum“, untertiteln meine Gedanken die Szene. „Was tu‘ ich hier?“ Und tatsächlich: Selten haben die ersten Worte ein Spiel so treffend beschrieben wie diese.

© Streum On Studios /

Unfertige Fundamente

Der Selbstzweck ist der Kampf, das Schleichen – worauf auch immer meine Wahl fällt. Dabei gibt sich E.Y.E zunächst als gewöhnlicher Actionritt, bevor ich mich mit genügend Geld und Erfahrungspunkten spezialisieren kann. Doch ausgerechnet am spielerischen Kern leisten sich die Entwickler einen weiteren Fauxpas, der dem Spiel über weite Strecken seine Faszination raubt: Die Gegner sind so einfältig, dass mir richtiggehend die Lust an den soliden Feuergefechten verging.

Ob Monster oder Menschen: Clever stellen sich die Gegner nie an.

Ob Monster oder Menschen: Clever stellen sich die Gegner nie an.

Es macht einfach keinen Spaß, zum ersten Mal um eine Ecke zu schleichen, nur damit ein Dutzend Idioten aus allen Richtungen schnurstracks auf mich zu stürmt. Ich will auch ohne Implantate ungesehen an Wachen vorbei schleichen! Ich will, dass die Meute wenigstens taktisch als Team vorrückt, wenn sie mich schon nach einem Wimpernschlag vom anderen Ende der Straße ausmacht! Ich wüsste gerne, warum irgendein Gegner aus einer ganz anderen Richtung plötzlich auf mich zu stürmt. Ich will… so vieles, zu dem diese plumpen Menschen und Monster einfach nicht imstande sind.

Es fehlt das Gefühl, schlauer als die cleveren Wachen zu sein – wozu soll man sie dann überhaupt übertölpeln? Es fehlt das spannende Versteckspiel, weil man Gegner nicht mit geschickten Tricks auf sich aufmerksam machen kann: Entweder sehen sie mich oder harren am Fleck. Selbst auf gezielte Ablenkungsmanöver reagieren sie kaum. Das heimliche Vorgehen leidet so am meisten unter den schlechten Verhaltensmustern. Viele wichtige Inhalte, die die Entwickler mit so viel Mühe geschaffen haben, bleiben deshalb nur ein dickes Fundament, aus dem hässliche Metallstreben ragen.

Weiterbildung

Eine der großen Stärken ist hingegen das Hacken, das zwar selten Türen öffnet, über das man sich aber Geld aus Bankautomaten erschleicht, Maschinen übernimmt oder gar die Implantate andere Personen unter Kontrolle bringt. Letzteren kann man daraufhin grobe Richtungsanweisungen geben und befehlen, das Feuer auf Kameraden zu eröffnen. Aber Vorsicht: Scheitert der Versuch, wird man vielleicht selbst gehackt oder stirbt gar an den Folgen! Das aktive Hacken ist ein spannender Vorgang, bei dem man wie in einem Rundenkampf Angriffe startet, während man gleichzeitig die eigene Verteidigung stärkt und die des Gegners schwächt.

Wenn mir danach ist, entwickelt sich der Protagonist übrigens automatisch weiter – er verbessert auf diesem Weg jene Fähigkeiten, die ich tatsächlich einsetze. Wenn ich will, baue ich seinen Charakter aber auf herkömmliche Art und Weise aus und verteile meine Erfahrungspunkte auf acht Werte.
Der zentrale Tempel sieht beeindruckend aus - leider sind viele Mauern in E.Y.E aber leblose Kulissen.

Der zentrale Tempel sieht beeindruckend aus – leider sind viele Mauern in E.Y.E aber leblose Kulissen.

Großartig, dass ich die Wahl habe! Zumal ich gegen harte Währung 14 Implantate erweitere, die ebenfalls den  Charakter beeinflussen. Neue Ausrüstung erhalte ich beim kostspieligen Erforschen der Ausrüstung, die besiegte Feinde fallenlassen. Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn auch der Kauf neuer Implantate kostet wertvolles Geld.

Losgelöst von Raum und Zeit?

Charakterentwicklung, Forschung sowie das Ausrüsten mit Waffen und Munition kann direkt im Einsatzgebiet erfolgen. Dabei muss man sich entscheiden: Eine schwere Rüstung schränkt die Beweglichkeit empfindlich ein und jedes Ausrüstungsteil tut sein Übriges. Eine leichte Rüstung bietet hingegen weniger Schutz… Man darf aber jederzeit auch in den Tempel zurückkehren, um Änderungen in Ruhe vorzunehmen oder in unabhängigen Missionen einen Bonus zu verdienen. Wobei es natürlich fraglich ist, wie ein optionaler Einsatz zum gleichen Zeitpunkt am gleichen Ort stattfinden kann wie die primäre Mission.

Apropos: Wer will, der erledigt die gesamte Kampagne an der Seite eines Freundes oder erledigt die optionalen Aufträge in einem bis zu acht Mann starken Team – beides ein vorbildlicher Service. Auch wenn man derzeit so gut wie keine Gleichgesinnten findet. Einen neuen Charakter muss man dafür nicht anlegen, denn man entwickelt den einen Protagonisten sowohl im Onlinespiel als auch in der Kampagne weiter.