Vor vier Jahren machten Logic Artists mit Expeditions: Conquistador auf sich aufmerksam. Die Dänen inszenierten auf dem PC ein etwas sperriges, aber solides historisches Abenteuer mit rundentaktischen Kämpfen im Mexiko des 16. Jahrhunderts. Diesmal schlüpft man nicht in die Rolle von spanischen Konquistadoren, sondern kämpft mit Nordmännern des frühen Mittelalters im ausgehenden 8. Jahrhundert. Wie sich Expeditions: Viking schlägt, verrät der Test.
Ich habe während meines Studiums viele alte Sagas und nahezu jedes Eddalied gelesen. Ich durfte die altnordische Sprache der Wikinger lernen, habe in Ribe, Bergen und Oslo zig Museen, Hügelgräber und Runensteine besucht, weil mich das nordische Frühmittelalter bis heute neugierig macht. Warum erzähle ich das? Weil dieses Expeditions: Viking genau meinen Nerv treffen müsste. Schließlich spiele ich auch sehr gerne Rundentaktik in all ihren Facetten von Fire Emblem über XCOM 2 bis hin The Banner Saga. Aber dieses Spiel mit seinem interessanten historischen Ansatz und seinen vielen Facetten von Kampf über Rollenspiel und Erkundung bis Aufbau sorgt nach zehn Stunden nur noch für gähnende Langeweile. Die vielen spielmechanischen Köche verderben letztlich den Brei.
Vor allem die Kämpfe nerven irgendwann – und sie sind nicht weniger als das zentrale Element. Denn zum gefühlten hundertsten Mal hat meine „Hird“, eine Gefolgschaft aus Wikingern, diese wenig ruhmreiche Aufgabe: Töte alle acht Feinde. Oder neun Feinde. Oder sieben. Und schon wieder werden mir hoffnungslos unterlegene Angelsachsen auch mal mit bloßen Fäusten oder auch mal Frauen mit Messern auf die Schilde hämmern. Das sieht so unfassbar bescheuert und alles andere als ruhmreich aus. Schon wieder werde ich diesen „Opfern“ auf der kompletten Karte nachjagen müssen, weil sie im Angesicht meiner Berserker natürlich nicht fliehen und es erst weitergeht, wenn alle tot sind. Warum reicht es nicht, den Anführer zu besiegen? Warum ergeben sich nicht wenigstens die Knechte? Was nach den Kämpfen zusätzlich an der Geduld zehrt: Dass die Beute nicht automatisch eingesammelt wird. So muss man nochmal zu jeder Leiche latschen. Auf den ersten Blick vielfältiges Kampfsystem
Ja, dieses „Säubern der Karte“ gibt es auch in anderen Spielen. Das nervt hier aber nicht nur besonders, weil man nicht immer gleichwertigen Kriegern nachjagt, sondern auch weil die Rundentaktik selbst nicht spannend genug inszeniert wird.
Auf den ersten Blick sieht es ganz hübsch aus, wenn man die Kamera auf seine voll bewaffneten Gefährten zoomt, sie um die Langhäuser oder Weiler dreht und dabei die Symbole für die mögliche Deckung sowie Schusslinien und Trefferwahrscheinlichkeiten analysiert. Die Steuerung ist schnell verinnerlicht, die Symbole werden per Tooltip erläutert und im Vergleich zu Expeditions: Conquistador wirkt die Präsenation wesentlich moderner. Aber das ist auch das Mindeste, was man nach vier Jahren erwarten kann. Allerdings rechtfertigt die maximal durchschnittliche Kulisse weder die hohen Hardware-Anforderungen noch die üppigen Ladezeiten.
Im Gefecht hat man viele Möglichkeiten: Man bekommt Flankierungsboni, kann je nach Klasse zig defensive und offensive Verstärkungen aktivieren, teilweise mit Effekten im Umkreis, kann auch gezielt den Schild eines Gegners attackieren, der einen eigenen Defensivwert besitzt – trotzdem entsteht nicht so ein duales Taktieren wie in The Banner Saga oder Battle Brothers, wo es sich lohnt, gezielt den Rüstungswert vor der Lebensenergie zu dezimieren. Neben Bögen und Schleudern darf man lange Waffen wie Speere oder Zweihandäxte über mehrere Felder einsetzen, Fallen auslegen oder giftiges Pulver verschießen. Schön auch, dass man sich nicht einfach so aus einem Duell entziehen oder nah an einem Feind vorbei ziehen kann, denn dann darf er zuschlagen („Attack of Opportunity“), wenn man nicht selbst ein „taktisches Manöver“ nutzt oder seine Chance kontert. All das klingt gut und man könnte fast meinen, dass es im Gelände vielleicht so unterhaltsam wie in XCOM 2 oder zumindest regeltechnisch so komplex wie in The Age of Decadence zur Sache geht.