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Company of Heroes 3 (Taktik & Strategie) – Im Süden nichts Neues

Company of Heroes 3 ist der dritte Eintrag der wegweisenden Weltkriegs-Strategie von Relic, die mit ihren intensiven Auseinandersetzungen zwischen kleinen Truppenteilen und einem ausgeklügelten Deckungs- und Truppsystem 2006 Maßstäbe setzte. 2023 wird der Kampf nach Nordafrika und Italien verlagert, es gibt gleich zwei Kampagnen und vier spielbare Fraktionen. Kann die Serie an die spielerischen Erfolge der Vergangenheit anknüpfen?

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Taktik? Pause!

Okay, doch – im kleineren Rahmen gibt es sie. Die größte Neuerung für Solo-Kommandeure dürfte die taktische Pause sein. Mit dem Druck auf die Leertaste wird das Gefecht angehalten und ich kann meinen Soldaten gemütlich neue Befehle erteilen, Ziele für Spezialfähigkeiten festlegen oder Bauaufträge vergeben. Das ist nett, funktioniert gut und entschleunigt den Spielablauf an der einen oder anderen Stelle gezielt. Aber sind wir mal ganz ehrlich: Ein echtes Killer-Feature sieht anders aus, zumal es im wichtigen Multiplayer-Part keine Rolle spielt.

Apropos Multiplayer: Der ist vermutlich im Hinblick auf die Langlebigkeit das wichtigste Element des ganzen Spiels, kam im Test aber etwas zu kurz. Ich konnte zwar ein paar Matches absolvieren, die stabil liefen, gewohnt stressig waren und mir alles abverlangten. Belastbare Aussagen zu Balance der Fraktionen oder gar der unterschiedlichen Kommandeursfähigkeiten kann ich allerdings nicht treffen. Zudem war der Ranked-Modus natürlich noch nicht freigeschaltet. Auf Basis meiner knappen Erfahrung sollte der Multiplayer allerdings technisch klargehen. Alles weitere wird sich erst in den Wochen und Monaten nach Release zeigen.

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Flammenwerfer sind eine verheerende Waffe im Einsatz gegen Infanterie. Die Skript-KI stellt sich hier nicht besonders schlau an. © 4P/Screenshot

Kleine Mechanik-Anekdote am Rande: Interessanterweise schleppt Company of Heroes 3 neben der viel zu niedrigen Kamera auch noch ein eine weitere Altlast mit sich herum: Die Fahrzeug-KI schwank nach wie vor zwischen schwach und katastrophal. Warum sich nach zehn Jahren immer noch Panzer festfahren, bei Drehungen ihre schwach gepanzerte Rückseite willfährig dem Feind präsentieren oder ewig zur Ausrichtung des Turmes brauchen – das können mir wohl nur die Entwickler selbst beantworten.

Eine echte Enttäuschung


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Achtung, Feuerüberfall! Die Missionen der Kampagne spulen routiniert die bekannten Strategie-Archetypen ab. Das ist gut – aber nicht besonders. © 4P/Screenshot

Die größte Enttäuschung bei Company of Heroes 3 ist für mich die Story-Kampagne, bei der ich das deutsche Afrikakorps auf dem Feldzug in Nordafrika begleite. Abgesehen von der Tales of Valour-Erweiterung zum ersten Company of Heroes und ihrer Kampagne „Tigerass“ gab es von Relic bisher keinen deutschen Blick auf die Feldzüge des Zweiten Weltkrieges. Umso mehr war ich gespannt, was die Nordafrika-Kampagne leisten würde – immerhin bietet das Duell zwischen Afrikakorps und der britischen 7. Panzerdivision „Desert Rats“ sowie den bekannten Kommandeuren Erwin „Wüstenfuchs“ Rommel und Bernard Montgomery viel Raum für kleine und große Geschichten eines in Europa selten betrachteten Kriegsschauplatzes.

Nur: Die Kampagne liefert nicht. Zunächst mal ist der Story-Strang viel zu kurz und endet abrupt mit der Einnahme von Tobruk 1942. Die folgenden Rückzugsgefechte, die verlorene Schlacht bei El Alamein und die unabwendbare Niederlage der Achsenmächte 1943 werden in einer schnöden Zwischensequenz abgehandelt. Es gibt von Anfang an keinen echten Überblick über den Verlauf der italienisch geführten Invasion, die im Desaster endete, keine Übersicht über Frontverlauf und Distanzen. Und: Es gibt keinerlei Einsicht in die Gedankenwelt der deutschen Soldaten, die sehr weit weg von zuhause in der glühenden Sonne von Libyen, Tunesien, Ägypten und Algerien einen völlig sinnlosen Kampf führen. Das ist schwach, wenn man denn schon eine deutsche Perspektive dieses Konfliktes einnehmen möchte. Die knappen Briefings springen ohne erkennbaren Zusammenhang atemlos von Schauplatz zu Schauplatz, bei denen Rommel dann die eine oder andere heißherzige Ansprache hält. Das Problem ist, dass Relic hier kaum Kontext zum Schauplatz liefert, was ich richtig schwach finde.

Inhaltlich zu oberflächlich


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Der erzählerische Fokus auf das Leid der Zivilbevölkerung ist ehrenwert. Leider springt die Kampagne inhaltlich dennoch viel zu kurz. © 4P/Screenshot

Stattdessen fokussiert sich die zugrundeliegende Erzählung auf die Zivilisten Nordafrikas, die unter den ausgedehnten Kampfhandlungen am stärksten gelitten haben. Das ist ehrenwert, die Zwischensequenzen illustrieren entsprechend pathosbeladen die Geschichte einer Familie, die vom Krieg zerrissen wird. Dazu wird immerhin auch das zu selten beachtete Schicksal der in der Region beheimateten Juden angerissen, die bei einem Sieg der Achsenmächte Tod und Deportation fürchten mussten. Leider springen Regie und Autoren hier inhaltlich aber ebenfalls deutlich zu kurz. Kein Wort von bereits errichteten Arbeits- und Konzentrationslagern, keine Erwähnung von im besetzten Griechenland bereitstehenden SS-Einsatzgruppen, welche die Juden Palästinas und Ägyptens ermorden sollten. Alles bleibt vage, oberflächlich und auf Familienebene. Das will nicht so recht packen und ist, ebenso wie der Rest der Kampagne, viel zu schnell vorbei.

Beim Missionsdesign verlässt sich die knapp sechs- bis achtstündige Kampagne auf altbekannte Archetypen: Mal muss erobert, mal verteidigt werden. Mal dringe ich mit Panzertruppen auf einen Flugplatz vor, mal muss ich britische Minengürtel durchbrechen. Mal habe ich eine Basis und viele Rohstoffe, mal nur wenige Trupps zur Verfügung. Das funktioniert alles gut, die Skripte sitzen und viele Missionen sind dynamisch inszeniert, etwa wenn ein Gegenangriff erfolgt oder nicht enden wollende Panzerwelle auf meine Stellungen zurollen. Trotzdem findet sich kaum eine neue Idee – all das hat man so oder so ähnlich längst in den Vorgängern an West- und Ostfront gesehen. Selbst auf eine Abwandlung der Kälte-Mechanik aus Company of Heroes 2 wurde verzichtet, was sich im heißen Wüstensand sicher angeboten hätte. Ist das richtig schlecht? Nein. Aber so herausragend ist es sicher auch nicht.

Kommentare

10 Kommentare

  1. BMTH93 hat geschrieben: 20.02.2023 21:17 Ich für meinen Teil freue mich auf den dritten Part der Serie. Ja, COH2 wird noch gespielt, aber nach 10 Jahren wurde es langsam Zeit für einen Nachfolger.
    Warum sich generell so wenig am Spiel geändert hat liegt eigentlich an der Community. Eine kleine, aber dafür sehr laute Minderheit, fand jegliche Neuerung im zweiten Teil scheiße und dementsprechend hat man sich vom Gameplay wieder am 1. Teil orientiert. Bestes Beispiel war der Einfluss des Wetters in COH2 der im MP wieder entfernt wurde, weil sich Leute beschwert haben, dass dieses Feature für unfaire Verhältnisse sorgen könnte.
    Mir persönlich ist das relativ egal. Ich fand beide Teile genial deshalb muss Relic, mMn nicht das Rad neu erfinden. Neue Armeen, neue Maps, bessere Grafik und ich bin mehr als zufrieden.
    Das war also kein Bug? Ich hatte mich schon gewundert, warum der Schneesturm plötzlich nicht mehr funktionierte. Fand ich sehr schade, war ein cooles Feature. Hätte mich gefreut, sowas auch in CoH3 zu sehen.
    Immer diese MP-Communitys :roll:
    Ansonsten teile ich deine Meinung. Ich bin ganz zufrieden mit dem Spiel. Noch mehr Commander braucht es, aber ich denke, der Shop soll es dann richten.

  2. X5ander hat geschrieben: 21.02.2023 13:30 Das neue Siedler würde mich auch interessieren, falls das getestet wird.
    Die alles entscheidende Frage (und Anwärter für den besten Gag der Dekade) ist aber doch: Würde es dich auch interessieren, falls es nicht getestet wird??
    Danke, ich gehe ja schon.

  3. Ich für meinen Teil freue mich auf den dritten Part der Serie. Ja, COH2 wird noch gespielt, aber nach 10 Jahren wurde es langsam Zeit für einen Nachfolger.
    Warum sich generell so wenig am Spiel geändert hat liegt eigentlich an der Community. Eine kleine, aber dafür sehr laute Minderheit, fand jegliche Neuerung im zweiten Teil scheiße und dementsprechend hat man sich vom Gameplay wieder am 1. Teil orientiert. Bestes Beispiel war der Einfluss des Wetters in COH2 der im MP wieder entfernt wurde, weil sich Leute beschwert haben, dass dieses Feature für unfaire Verhältnisse sorgen könnte.
    Mir persönlich ist das relativ egal. Ich fand beide Teile genial deshalb muss Relic, mMn nicht das Rad neu erfinden. Neue Armeen, neue Maps, bessere Grafik und ich bin mehr als zufrieden.

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