Clair Obscur: Expedition 33 – Auf ins Getümmel
Die Nevronen sind aber natürlich nicht nur zum Bewundern, sondern auch zum Besiegen gedacht und damit komme ich endlich zu dem eindeutigen Höhepunkt von Clair Obscur: Expedition 33. Treffe ich einen herumlaufenden Gegner auf der Oberwelt oder in einem Gebiet mit einem Angriff, initiiere ich das Gefecht und darf als Belohnung zuerst angreifen. Was folgt, ist ein rundenbasiertes Kampfsystem mit Quick-Time-Events, das dem der Mario & Luigi-Reihe in vielerlei Hinsicht ähnelt, spielerisch aber vielschichtiger und spaßiger daherkommt.
Agiert wird abwechselnd, die Zugreihenfolge am linken Bildschirmrand verrät, wer wann dran ist und hilft bei der Vorausplanung. Jeder Charakter kann auf Standardangriffe zurückgreifen, die AP generieren oder diese Ressource einsetzen, um Fähigkeiten zu wirken oder via Freies Zielen mit einer Fernkampfwaffe mögliche Schwachstellen unter Beschuss zu nehmen. Dazu kommt eine limitierte Anzahl an Gegenständen, mit denen ich meine Expeditionsmitglieder heilen, wiederbeleben oder mit AP versorgen kann.

Abseits vom Freien Zielen ähneln die Grundlagen von Clair Obscur: Expedition 33 damit vielen anderen rundenbasierten Rollenspielen, allerdings wird von mir neben einem Gefühl für Taktik auch ein gutes Maß an Reaktionsgeschwindigkeit verlangt: Jede Fähigkeit besitzt mindestens ein Quick-Time-Event, von dessen Ausführung die Höhe des Schadens abhängt. Auf diese Weise kann ich aber auch Schaden verhindern, denn mit dem entsprechenden Timing weiche ich gegnerischen Angriffen wahlweise aus oder pariere sie sogar, um sie mit einem Konter zurückzuschlagen.
Dass ich mich nach dem Auswählen einer Attacke eben nicht nur von bunten Effekten berieseln lasse, sondern weiterhin aktiv bleiben und ins Geschehen eingreifen muss, macht das Kampfsystem ungemein dynamisch. Das Parieren fühlt sich fantastisch an, das Kontern ist ungemein befriedigend und die Angriffe der Gegner sind fast immer gut lesbar, wodurch sich das Einstecken von Treffern nicht unfair anfühlt. Trotzdem bleibt es herausfordernd, weil die Geschwindigkeit und die Frequenz von Keulenschlägen, Lanzenschwingern und Projektilen stark variieren.
Unzählige Systeme in einem
Hier ist aber noch nicht Schluss, denn obwohl sich natürlich alle den erwähnten Grundlagen des Kampfsystems beugen müssen, besitzt jedes Expeditionsmitglied tatsächlich einen völlig anderen Spielstil: Gustave ist der klassische Krieger, der angreifen, sich und seine Verbündeten heilen oder verstärken und einiges einstecken kann. Lune hingegen kämpft als die Magierin der Gruppe, die basierend auf den gezauberten Elementen Pigmente sammelt, um ihre nächsten Angriffe noch stärker zu machen oder besondere Effekte auszulösen.
Maelle wiederum besitzt verschiedene Kampfhaltungen, die abhängig von ihren ausgeführten Aktionen auftreten und entweder ihre Verteidigung oder ihren Angriff erhöhen. Und Sciel nutzt Weissagungen, um Gegner zu markieren und diese anschließend zu verbrauchen. Sie arbeitet zusätzlich mit Sonne- und Mondladungen, was ihren Attacken weitere Effekte zufügt. So hat jeder Charakter seine ganz eigenen Qualitäten und lässt sich nicht einfach nur in eine der klassischen Rollenspiel-Schubladen verfrachten.

Das erhöht meine Möglichkeiten und unterfüttert das grundlegende Kampfsystem mit weiteren Mechaniken. Das Erzeugen der Pigmente in der richtigen Reihenfolge, um darauffolgende Angriffe möglichst effizient zu verstärken und zusätzliche Effekte auszulösen, gehört da genauso zu, wie das korrekte Wechseln von einer Haltung zur nächsten, um maximalen Schaden zu verursachen und sich gleichzeitig nicht zu verwundbar zu machen.
Außerdem harmonieren viele Charaktere untereinander: Lune kann Gegner beispielsweise anzünden, während Maelle mit einem ihrer Angriffe in die Virtuosen-Haltung wechselt, wenn sie einen brennenden Feind trifft. Nur eines von vielen Beispielen, die die richtige Wahl der Fähigkeiten und das clevere Kombinieren belohnen. Und all das kommt noch auf die normalen Systeme von Schwächen und Resistenzen, Quick-Time-Events und Zugreihenfolge obendrauf – einfach großartig!
Das ist der absolute Star des Spiels
Die Mischung aus rundenbasiert und Quick-Time-Events ist schlicht genial, sie verbindet das Beste aus beiden Welten miteinander. Zwar kommt sie in den Mario & Luigi-Spielen schon seit 2003 zum Einsatz, doch Clair Obscur: Expedition 33 bewegt sich noch einmal auf einem ganz anderen Level. Hier greifen derart viele Systeme wie grandios geölte Zahnräder ineinander, dass die Navigation durch die Menüs im Eiltempo zu einem spielerischen Hochgenuss wird – und optisch genau wie die Fähigkeiten überaus schick aussieht.

Schon nach wenigen Gefechten weiß ich genau, wie ich am effizientesten und in Sekundenschnelle einen Feuerball schmeiße, meine Gruppe heile oder einen Gegenstand nutze und es stellt sich ein fast meditativer Rhythmus ein, der seinesgleichen sucht. Damit setzt Clair Obscur: Expedition 33 neue Maßstäbe für rundenbasierte Kämpfe und hat meine Sichtweise auf JRPGs womöglich für immer verändert. Ich bin vorsichtig gespannt, wie sehr ich andere Genre-Vertreter nach meinem Abenteuer auf dem Kontinent noch genießen kann, wo ich nun derart verwöhnt wurde.