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Civilization 6 (Taktik & Strategie) – Globale Strategie anno 2016

Wer hätte das 1991 gedacht? Dass man auch in einem Vierteljahrhundert noch Civilization spielen würde? Selbst sein Schöpfer Sid Meier hätte abgewunken. Die vom gleichnamigen Brettspiel inspirierte Strategie gehört immer noch zu den großen Konstanten dieser Spielewelt. Und gerade weil Rundentaktik seit Jahren so schrecklich lukrativ als Free-to-play-Plastik von Hamburg bis Schanghai verwurstet wird, will man diese Tradition nicht missen. Im Test klären wir, wie sich dieses Civilization 6 mit seinen zwanzig Völkern von Brasilien bis zum Kongo präsentiert. Dabei zeigt sich nach dutzenden Stunden, dass das viel diskutierte Artdesign das kleinste Problem ist…

© Firaxis Games / Aspyr Media / 2K

Städtebau für Planer

Für Kenner der Serie dürfte die größte Neuerung die erweiterte Stadtplanung sein. Sie können wie kleine Mikroreiche innerhalb des eigenen Imperiums gemanagt werden, denn sie dürfen bis zu 36 Hexfelder in die Landschaft hinein wachsen, anstatt nur auf einem Feld zu verharren – eine gute Idee, die den Aufbau deutlich anspruchvoller gestaltet und das Gelände als strategischen Faktor aufwertet. Schon bei der ersten Stadt sollte man auch an die ebenfalls dargestellte Wasserversorgung denken, die man sonst in späteren Zeitaltern per Aquädukt & Co verbessern muss; Flüsse und Seen sind natürlich optimal. Man kann sich dann über Fjorde und Meerengen, Hügel und Berge ausbreiten, indem man einzelne Gebäude auslagert. Außerdem kommen Weltwunder auf diese Art endlich besser zur Geltung, weil sie ebenfalls ein Feld ausfüllen. Und hier sollte man genau wissen, womit man seine Bevölkerung erstaunen will, denn der Platz ist nicht nur knapp, sondern muss bestimmte Kriterien erfüllen. Im Laufe des Spiels wird die Liste der ausgegrauten, also nicht mehr möglichen, Wunder immer länger. Wer z.B. Stonehenge errichten will, kann das nur auf einem Boden mit Steinvorkommen, die Pyramiden brauchen eine Wüste.

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Der Bau von Weltwundern wird in kleinen Filmchen animiert. © 4P/Screenshot

Auf lange Sicht kann man seine Städte auch viel besser spezialisieren, denn hinzu kommen bis zu zwölf thematische Distrikte u.a. für Handel, Militär, Religion oder Forschung wie der „Campus“, die man errichten muss, um dort weitere Spezialgebäude wie die „Bibliothek“ zu platzieren. Das steigert nicht nur das Wachstum in Forschung, Produktion, Handel & Co, auch Spezialeinheiten können nur hier im ausgebildet werden: Es gibt nicht nur militärische wie den Berserker der Norweger, sondern auch kulturelle wie den Archäologen, der tatsächlich auf Ausgrabungen geht und Artefakte der dort lebenden Zivilisationen finden kann – sie geben sogar Boni, wenn man sie sammelt. Überall profitiert man ansonsten von zusätzlichen Einnahmen, wenn man das optimale Gelände für ein Gebäude auswählt: Wer ein Labor im Regenwald baut, bekommt extra Wissenschaft, wer eine Fabrik im Erzgelände errichtet, produziert dort mehr.

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Aufgrund der Distrikte sowie der Verbreitung über mehrere Hexfelder muss man den Stadtbau besser planen. © 4P/Screenshot

Zwei weitere Änderungen kommen hinzu: Zum einen können Arbeiter nicht mehr endlos Modernisierungen oder Gebäude bauen, sondern verfügen über einige „Ladungen“, die man durch Politik oder Wunder steigern kann, und werden nach der letzten Aktion aufgebraucht. Damit einhergehend errichten sie auch keine Straßen mehr – erst später können Pioniere welche anlegen. Straßen werden jetzt automatisch durch aktivierte Handelsrouten sichtbar, sobald sich eine Karawane oder später ein Laster auf den Weg macht. Diese kann man übrigens plündern oder schützen, indem man eine Militäreinheit an den Händler koppelt. Diese Eingriffe entschlacken das Mikromanagement und sorgen für mehr Spielfluss.

Wohnraum und Annehmlichkeiten


Angesichts dieses Fokus auf expansive Städte ist es eine gute Entscheidung, dass sie auch wieder eigene Zufriedenheitswerte entwickeln. In den frühen Zeitaltern kann man sie noch ignorieren, aber sie werden spätestens in der Moderne immer wichtiger: Wer in seinen Städten zu wenig Wohnraum oder Annehmlichkeiten wie Luxuswaren, Theater, Kunst & Co in den Unterhaltungsdistrikten bietet, kann nicht weiter wachsen und riskiert eine Rebellion. Dem kann man mit Gebäuden, Modernisierungen, Politik oder großen Persönlichkeiten entgegen wirken. Allerdings hätte das Spiel hier etwas härter sein können, denn Aufstände sind sehr selten. Schade ist übrigens, dass die eigenen Spione nicht über Propaganda, Sabotage & Co die Unzufriedenheit schüren können.

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Der Forschungsbaum wurde geteilt: Es gibt einen wissenschaftlichen sowie einen kulturellen Pfad. © 4P/Screenshot

Apropos Zeitalter: Für meinen Geschmack vergehen sie viel zu schnell! Obwohl ich meine Städte und Gebäude nicht einmal auf Wissenschaft fokussiert habe, bin ich vor 1600 in der Moderne und vor 1800 im Atomzeitalter gelandet. Ich vermute, dass dieses Tempo vor allem durch die neuen „Heureka-Momente“ nach bestimmten Aktionen forciert wird: Wer ein Naturwunder entdeckt, erforscht die Astrologie schneller; wer andere Zivilisationen trifft, erforscht die Schrift schneller. Selbst der eigene Aufbau wird belohnt: Baue ich eine Galeere, bekomme ich automatisch einen Bonus auf maritime Errungenschaften wie etwa das Segeln. Baue ich eine Weide, steigt mein Wissen über die Reiterei. Diese Boni sind an den blauen Halbkreisen in der betreffenden Forschung zu erkennen und man ist immer wieder geneigt, genau das zu studieren, weil es teilweise nur die Hälfte der Zeit benötigt. Dass ich verwandte Themen über praktische Anwendung schneller erforschen kann ist eine gute Idee, denn so reicht das in Civilization 5 noch übliche Anhäufen von Wissenschaft für den Sieg nicht mehr aus. Aber es greift etwas zu inflationär in die allgemeine Entwicklung der Zivilisation ein.