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Catherine (Logik & Kreativität) – Catherine

Ein Mann. Zwei Frauen. Bindungsängste. Psychische Blockaden, die im wahrsten Sinne des Wortes erklommen werden müssen. Entscheidungen. Konsequenzen. Mystery. Und das alles in einem sehenswerten Anime-Artdesign. Catherine bricht mit Konventionen und mischt Genre munter zusammen. Das Ergebnis war unsere Auszeichnung „Importspiel des Jahres“. Jetzt ist der ungewöhnliche Titel endlich hierzulande erschienen.

Das Cover-Bild von Catherine: Full Body.
© Atlus / SEGA / Koch Media

Wer sich für die allabendlichen Kletterpartien wappnen möchte, kann sogar am aufgestellten Rapunzel-Automaten üben. In 8-Bit-Grafik (und mit Musik aus diversen Persona- und Digital Devil Saga-Spielen unterlegt) gelten hier die gleichen Grundregeln wie in den Träumen. Allerdings hat man nur eine bestimmte Anzahl Züge zur Verfügung, um Rapunzel aus den Fingern der bösen Hexe zu befreien und den Turm zu erklimmen, in dem sie wider Willen festgehalten wird.

Entscheidungs-Vielfalt

Stilistisch feuert Catherine aus allen Rohren und bietet u.a. aufwändige Anime-Sequenzen.
Stilistisch feuert Catherine aus allen Rohren und bietet u.a. aufwändige Anime-Sequenzen. © 4P/Screenshot

Für einen „einfachen“ Puzzler bietet Catherine verdammt viel Drumherum und manchmal habe ich mich dabei ertappt, wie ich die trotz Rücksetzfunktion teils unverschämt fordernden, aber nichtsdestotrotz enorm motivierenden Traum-Abschnitte hinter mich bringen wollte, um zu sehen, wie es mit Vincent in der echten Welt weitergeht…

Das Schöne daran ist: Alles ist optional. Wer keine Lust auf den ganzen sozialen Mumpitz hat, braucht sich nur ein Minimum an (abbrechbaren) Sequenzen anschauen, macht sich aus dem Stray Sheep auf den Weg nach Hause und geht den nächsten Albtraum an. Dass man dabei natürlich auf viele Anspielungen innerhalb der Spielwelt verzichtet, Vincents Motivation entsprechend schwer nachvollziehen kann und auch nur einen Bruchteil der Geschichte erlebt, ist zwangsläufig.

Dementsprechend kann sich auch die Kritik am gegen Ende etwas zu langatmigen Erzählstil, bei dem sich die Charaktere etwas verlieren und von ihrer klaren Zeichnung einbüßen, durchaus relativieren. Denn es liegt im Bereich des Möglichen, dass ich irgendwann im Spielverlauf die Entscheidungen getroffen habe, die zu eben diesen leicht verworrenen Figuren führen.

Sokoban-Bosse und Moral-Beichten

Es gibt immer wieder neue Blocktypen und schließlich sogar Bosse, mit denen man fertig werden muss.
Es gibt immer wieder neue Blocktypen und schließlich sogar Bosse, mit denen man fertig werden muss. © 4P/Screenshot

Die Puzzle-Abschnitte überzeugen nicht nur mit ihrem durchdachten Design, bei dem es häufig mehr als nur „den einen“ Weg gibt, um ans Ziel zu kommen. Denn am Ende jedes Albtraums wartet quasi ein Bosskampf. Die Grundvoraussetzung, das Erreichen der obersten Stufe, auf der die Tür den Ausgang aus dem Traum weist, bleibt gleich. Doch hier wird man nicht nur durch wegbrechende Blockebenen daran erinnert, dass die jeweilige Zeit knapp bemessen ist. Die Endgegner, die meist monströse Personifizierung seiner Ängste darstellen, attackieren ihn bei seinem Aufstieg immer wieder und manipulieren die Umgebung, so dass auf einmal sicher geglaubte Blöcke wegbröckeln oder sich in Eis verwandeln. Besonders fatal ist der Angriff, bei dem sich die Steuerung kurzzeitig invertiert und auch die Attacke, die mich bis auf die letzte mögliche Ebene zurückwirft.
Klar hätten die Entwickler sich auch auf ein einfaches Zeitlimit verlassen können. Doch in dieser Form ist die Bedrohung ungleich intensiver, geht der Pulsschlag ungleich höher und wird die Verknüpfung zur Geschichte noch eindrucksvoller bewerkstelligt.

Zwischen den einzelnen Abschnitten gibt es Ruhezonen, in denen man speichern oder sich mit anderen Schafen unterhalten kann, die im Albtraum gefangen sind und um ihr Leben klettern. Die eine oder andere Stimme kommt mir doch bekannt vor? Richtig: Wer gut aufpasst, wird hier Personen (oder Opfer) wiederfinden, denen man auch in Vincents Realität begegnen kann. Und auf einmal öffnet sich eine neue erzählerische Dimension, in der beide Welten und die Schicksale aller Figuren mühelos miteinander verknüpft werden.

Vielleicht können einem die anderen Schafe Hinweise geben, wie man die Albträume überlebt?
Vielleicht können einem die anderen Schafe Hinweise geben, wie man die Albträume überlebt? © 4P/Screenshot

Bevor es dann mit einem „Raketenbeichtstuhl“ in die nächste Stufe weitergeht, muss noch eine Frage rund um Beziehungen im Allgemeinen beantwortet werden, die nicht nur von Vincent, sondern auch dem Spieler wohlüberlegt werden muss. Ob man die Ehe als Anfang oder Ende des Lebens betrachtet? Ob man Rollenspiele (im sexuellen Sinne) bevorzugt? Ob man sich selbst als pervers bezeichnen würde? Ob man sich eher zu Katherine oder Catherine hingezogen fühlt? Der Clou: Ist man mit der Konsole online, bekommt man eine Auswertung, welche Antwort die Spieler beim ersten Stellen der jeweiligen Frage gegeben haben. Offline hingegen bekommt man die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage gezeigt, bei der man sogar zwischen den Resultaten der weiblichen und männlichen Befragten umschalten kann. Natürlich stellt sich hier automatisch die Vermutung ein, dass es vor allem diese Fragen sind, die den Story-Fortschritt verändern. Da jedoch die Reihenfolge bis auf wenige Ausnahmen nicht festgelegt scheint, bleibt auch hier ein Gefühl der Spannung: Entscheidet man sich jetzt ehrlich oder in der Hoffnung, die Geschichte in eine andere Richtung bringen zu können? Versucht man, Vincent zu helfen oder ihn weiter in Bedrängnis zu bringen?