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Call of the Sea (Adventure) – Reif für die Insel

Im Ego-Adventure Call of the Sea reist die mutige Norah zu einem abgeschiedenen Eiland im Südpazifik – sie will herausfinden, was ihrem Mann dort zugestoßen ist. Wir haben das entschleunigte Rätselspiel mit Lovecraft-Anleihen für euch getestet.

© Out of the Blue / Raw Fury

Rollentausch


Call of the Sea spielt im Jahr 1934 und bedient sich optisch wie thematisch bei den damals beliebten Pulp-Magazinen – doch geht es im Spiel trotzdem nicht um das Retten einer hilflosen Dame. Stattdessen nimmt Protagonistin Norah das Heft des Handelns in die Hand – trotz einer sie einschränkenden Erkrankung reist sie per Schiff in die Nähe der Südseeinsel Tahiti. Ihr Mann Harry war dorthin mit seiner Expedition gekommen, um ein Heilmittel für Norahs Krankheit zu finden, und hatte sich noch einige Male per Brief gemeldet. Als die Lebenszeichen jedoch ausbleiben, hält es Norah nicht mehr zuhause aus. Alleine, unbewaffnet und anfangs ziemlich unwissend landet sie in einer Nusssch

ale auf der tropisch anmutenden Insel an. Menschen trifft sie erstmal keine, dafür Hinterlassens

chaften von Harrys Mannschaft und wenig einladende Verteidigungsanlagen: Die durch Wasserläufe, Baumbewuchs und Pallisadenwände eng begrenzten Wege führen sie zu verlassenen Zelten mit allerlei Briefen, Alltagsgegenständen und Gerätschaften der Expedition. Eure Aufgabe: Herausfinden was passiert ist und gleichzeitig Harrys Spuren ins mysteriöse Herz der Inselwelt folgen.

 

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Traum oder Realität? Ein paar Mal schickt euch Call of the Sea in solch surreale Szenarien. © 4P/Screenshot

Call of the Sea platziert sich spielerisch zwischen stark erzählfokussierten „Walking Simulatoren“ wie Draugen oder Dear Esther und klassischer Rätselkost à la Myst oder Obduction. Soll heißen: Norah beobachtet eingehend, liest sich durch allerlei Notizen und erkundet das Eiland mit entschleunigtem Schritt. Ein klassisches Inventar gibt es nicht, dafür ein praktisches Notizbuch, in de

m die Abenteurerin wider Willen ihre Beobachtungen feinsäuberlich notiert. Das virtuelle Heft ist eingeteilt in zwei Sektionen: In der einen schreibt Norah ihre Erlebnisse nieder – das ist praktisch, wenn man beim Zocken ein paar Tage pausiert und wissen will, was nochmal genau im vorherigen Kapitel passiert ist. Im zweiten Bereich des Notizbuchs finden sich Zeichnungen, die das Vorankommen erleichtern – Norah malt sich Symbole auf, hält die Funktionsweise von Rätselapparaturen fest. Das erleichert das Knobeln und sorgt für einen generell gemäßigten Schwierigsgrad der Kopfnüsse: Meist reichen ein bisschen Beobachten, Ausprobieren und logisches Denken, dass man die Funktion von Technik-Gadgets der 1930er oder sich knarzend bewegenden Steinplatten rasch durchschaut.

 

Technik & Grafik

 

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Erste Denkaufgabe im Spiel: Hier muss man einige Symbole korrekt anordnen, um eine Brücke zu aktivieren. © 4P/Screenshot

Genre-typisch war es das dann auch schon auf spielerischer Seite – und über den Fortgang der Geschichte, die aber etwas spät in die Gänge kommt, schweige ich aus Spoilergründen. Die Steuerung und das Anschauen von Objekten fühlen sich ordentlich an, in mancher dunklen Ecke sorgt die Grafik-Engine allerdings für ein sehr finsteres Bild und auf der Xbox tippt man mit dem kleinen Zielvisier schon mal neben Objekte od

er Schalter. Auf PC ist die Tastenbelegung übrigens anpassbar und es gibt ein paar wenige Grafikoptionen (die wichtigsten sind dabei, inkl. Sichtfeld). Grafisch hat mich der Titel nicht beeindruckt: Die Inselwelt flimmert zwar sauber und meist flüssig über den Schirm, der Look ist mir aber einen Tick zu bunt und die Modelle etwas zu comichaft abstrahiert. Zwei, drei spontane Abstürze des Spiels begegneten mir beim Durchzocken auf der Xbox Series X – dank des sehr regelmäßigen Autospeicherns war das aber nur ein minimales Ärgernis.

 

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Norahs Notizbuch ist ein nicht zu unterschätzendes Spielelement – und obendrein ganz hübsch aufgemacht. © 4P/Screenshot
Schwerer wiegt bei mir die lange doch recht biedere Umsetzung der Frau-erkundet-einsame-Insel-Thematik: Weder das dschungelige Startlevel noch die späteren, zum Glück mysteriöseren Abschnitte haben einen besonderen Charakter oder ließen mich so richtig in der Welt versinken. Im Haus von Edith Finch oder der norwegischen Landschaft von Draugen war das anders, aber das pulpige Inselszenario

 kann sich trotz Lovecraft-Anleihen zu lange nicht zwischen

Myst

-Andersartigkeit und dem Alltags-Anstrich eines

Firewatch

oder

Life is Strange

entscheiden. Und es hat mich damit letztlich leider kaum gepackt – erst in den letzten 90 Minuten der gut vierstündigen Spielerfahrung wollte ich nicht mehr vom Controller lassen. Norah selbst spricht im Spiel zwar von nicht endenden Geheimnissen und auch die Mannschaft von Harry hat, glaubt man den vielen Dokumenten, nervenaufreibende Entdeckungen gemacht – am Bildschirm kommt aber zu wenig Spannung und Abenteuerlust rüber. Dabei sind Harry (der in Briefen spricht) und vor allem Norah sehr gut (englisch) vertont – die Stimme der Heldin, Cissy Jones, kennt man aus zahlreichen Titeln, darunter als die von Delilah aus

Firewatch

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