Vor allem in einem Punkt erinnere ich mich gerne an die Ausflüge mit Altair in Jerusalem oder Akkon zur Zeit der Kreuzzüge: Prachtvolle Architektur. Angesichts der aufwändigen und facettenreichen Stadtviertel, die man durchstreifen oder erklimmen konnte, rückte die schwache Darstellung der Bevölkerung in den Hintergrund. Und mit AC2 hat sich das Team übertroffen: Läuft man durch Florenz, die kanaldurchsetzten Straßen von Venedig oder das überflutete Sumpfgebiet-Dorf Forlì, kann man gar nicht anders, als sich bewundernd und staunend umschauen. Ähnlich wie in Uncharted 2 finden sich
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Auch wenn in der deutschen Version das witzige „It’sa me: Mario!“ fehlt: Die deutsche Lokalisierung ist außerordentlich gut gelungen. |
überall kleine Texturdetails, die unter dem Strich eigentlich vollkommen irrelevant sind, aber umso deutlicher machen, mit wie viel Liebe die Designer hier zu Werke gingen.
Unbearbeitetes Holz hier, oxidierende Kupferdachplatten da, wunderschöne Reliefarbeiten, Deckenmalereien in den wenigen betretbaren Gebäuden: Daneben nimmt sich selbst der überzeugend animierte Ezio wie ein Statist aus. Die Hauptdarsteller sind die Städte, was sich nicht nur daran festmachen lässt, dass selbst die detaillierten Hauptfiguren mit ihrer Mimik schlichtweg eine Klasse schlechter aussehen als ihre Kollegen aus Uncharted 2. Ich habe mich immer wieder ertappt, wie ich mit Ezio um eine Ecke lief und erst einmal stehen blieb, um die Stadt auf mich wirken zu lassen. Und diese Wirkung ist nachhaltig. So nachhaltig, dass ich von den Schauplätzen nicht genug bekommen kann und mich an die mitunter krümeligen Schatten ebenso gewöhnt habe wie an das Tearing, die passable, aber keinesfalls bewundernswerte Wasserdarstellung oder den all zu sichtbaren Aufbau all dessen, was ab einer gefühlten Sichtweite von ca. 30 Meter an Details wichtig ist. Ja: Es fällt auf und ist ab und an störend. Doch sobald ich vor dem Dogen-Palast stehe und die Pracht in mich aufsauge, ist der Ärger vergessen – wenngleich nicht vergeben…
Einen großen Anteil an dem Charakter und der Qualität der Städte hat natürlich auch die Akustik. Und die ist ebenfalls vom Allerfeinsten: Die Lokalisierung ist inhaltlich und technisch erstklassig, die Sprecher gut ausgewählt und auch wenn im Englischen die kleine, aber feine Anspielung auf einen anderen großen Videospielhelden witziger ist (Ezios Onkel stellt sich mit „It’sa me: Mario!“ vor) als in der deutschen Variante, muss man in diesem Bereich Mankos mit der Lupe suchen. Dazu
gehören z.B. die obligatorischen Wiederholungen, die sich bei der Zivilbevölkerung und den Stadtschreiern alsbald zu hören geben oder die Drohungen der Stadtwachen, die man irgendwann alle gehört hat. Dennoch: Wenn das Verhalten der Bevölkerung ebenso lebendig wäre wie das, was sie von sich geben, hätte AC2 nicht nur eine überzeugende Architektur, sondern das derzeit glaubwürdigste Stadtleben zu bieten. Ein Sonderlob verdient auch die Musik von Jesper Kyd: Klangvolle Kompositionen im Renaissance-Stil, die mal tragend, mal unauffällig die historischen Stadtwanderungen untermalen, geben den Städten Charakter und wechseln sich ab mit dramatischen Melodien, die sich durchweg überzeugend auf die Bilder legen. Die düster-traurigen, auf wenige Instrumente beschränkten Melodien im morastigen Forlì z.B. passen wunderbar zu den verschmutzten, abblätternden Fassaden. Dementsprechend kann man auch an den stets passenden Umgebungsgeräuschen nur wenig aussetzen.
Fiktion vs. Geschichte
Die Atmosphäre und der Reiz, der vom Italien der Renaissance ausgeht, wird auch durch einen kleinen Kunstgriff der Designer gebildet: Der überzeugenden Vermischung historisch überlieferter Fakten und Figuren wie z.B. Leonardo da Vinci, der sich als Erfinder und Freund der Familie in Ezios Dienste begibt, sowie fiktiver Elemente. Mit einem integrierten Lexikon, das zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten Fakten parat hält und für alle Personengruppen und namhaften Individuen, die einem begegnen, Informationen aufbereitet, wird die Basis für diese interessante Mischung gelegt. Man begegnet den einflussreichen Medicis, macht sogar die Bekanntschaft eines gewissen Machiavelli, der das Assassinen-Credo „Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt!“ mitentwickelt haben könnte. Und spätestens wenn man mit Leonardos Flugmaschine das erste Mal über Venedig abstürzt und mit ihm Ursachenforschung betreibt, ist die Illusion perfekt, ist die schwierige Gratwanderung zwischen künstlerischer Freiheit und historischer Verpflichtung gelungen. Es hat sich damals nicht genau so ereignet? Egal: AC2 gaukelt es mir erfolgreich vor!
Versionsunterschiede
An dieser Stelle würde ich gerne sagen, dass es zwischen den uns vorliegenden 360- und PS3-Versionen keine Unterschiede
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Leider sind die viel Potenzial versprechenden „Katakomben“ weitestgehend nur eine Variation bekannter Sprung- und Kampfelemente. |
gibt – sie sind lediglich geringer als noch seinerzeit beim Vorgänger, der daher auf der Sony-Konsole kein Gold abstauben konnte. Das Tearing stört in beiden Versionen; auch die mitunter einen Tick zu früh oder noch schlimmer: zu spät umschaltende Kamera bei Zwischensequenzen ist überall zu finden. Auch aufploppende Figuren und plötzliches Einsetzen von Gegenständen, die erst ab einer bestimmten Entfernung sichtbar werden, findet man auf beiden Systemen, wobei Ubisoft vor allem in Venedig etwas mehr Probleme damit auf Sonys Konsole hatte.
Sobald größere Menschenmassen in der Umgebung sind und man gleichzeitig noch von einem mittleren Trupp Soldaten verfolgt wird, werden die Unterschiede deutlicher: Beide Versionen haben hier Probleme, die Bildrate zu halten, aber nur die PS3 gerät in unangenehme Ruckel-Bereiche. Dass sich diese nicht auf das Spielgefühl auswirken, ist nur den zahlreichen Automatismen beim Klettern oder Springen zu verdanken. Hinsichtlich der Effekte, der Farbsättigung etc. liegen beide Versionen wiederum gleichauf – wie auch hinsichtlich der Ladezeiten, die sich hier wie da in akzeptablen Bereichen aufhalten. Allerdings konnten wir auf der PS3 seltene Abstürze feststellen, die aber aller Wahrscheinlichkeit nach der Debug-Version zuzuschreiben sind und in der Verkaufsversion nicht mehr eintreten sollten. Wenn wir diese Probleme auch in der finalen Fassung feststellen sollten, könnte sich dies empfindlich auf die Wertung auswirken.