Nehmen wir z.B. das Missionsdesign: Mit Ausnahme einiger spezieller „Sondertötungs-“ und Flaggenfinde-Aufgaben, die euch von Informanten eurer Bruderschaft gegeben werden, hat man die grundsätzlichen Typen schnell kennen gelernt. Und das bedeutet, dass eigentlich jeder der insgesamt neun Assassinierungs-Aufträge und damit auch die neun Stadtbezirke nach Schema F beackert werden: Hin, ins Büro, Auftrag holen, Türme erklimmen, Summe X der erforderlichen Infos sammeln (die auch von Bezirk zu Bezirk nicht mehr variieren), Mission abschließen und ggf. Bürger zur Fluchthilfe befreien. Unter dem Strich hätte das Erlebnis mit letztlich überraschenderen Missionsstrukturen ungleich intensiver ausfallen können.
Auch das Kämpfen und Klettern verliert mit zunehmender Spieldauer sowohl an Reiz als auch an Anforderung. Wenn man das erste Mal mit Altair einen Turm erklimmt und die Aussicht genießt, möchte man nur noch eines: Immer höher, immer weiter, immer wieder. Doch da einem das Klettern sehr leicht gemacht wird, fehlt hier auf Dauer das Spannungsmoment. Solange Altair sich irgendwo festhalten kann, macht er das auch. Hätte man nicht wie bei Tomb Raider Momente einflechten können, in denen er kurz vor dem Absturz ist und man nur durch bestimmte Tastenkombos wieder festen Griff hat?
Da zudem wie bei Zelda ein automatisches Springen eingeführt wird, das nur dann gefährlich enden kann, wenn man sich in der Breite des zu überwindenden Abgrunds verschätzt, sehen sowohl Verfolgungsjagden als auch das Herumstöbern in der Stadt spektakulär aus, lassen sich aber sozusagen mit Links erledigen. Wenn nicht die Kamera in seltenen Momenten einen kleinen Strich durch die Rechnung macht und Altair statt der Leiter formschön direkt daneben versucht, die Mauer hochzurennen – natürlich vergeblich.
Beim Kämpfen zeigt sich ein ähnliches Phänomen: Bei den ersten Gefechten, die mit hervorragendem Motion Capturing und beeindruckenden Choreografien begeistern, steht einem der Mund sperrangelweit offen. Bei genauem Hinsehen zeigt Altair selbst bei allen Bewegungen eine ausgefeilte Mimik – klasse.
Da die Kämpfe aber ebenfalls sehr einfach zu bedienen sind und die einfach zu erreichende und nicht unbedingt großartiges Timing erfordernde Konterattacke sehr schnell euer bester Freund wird, fehlt auch hier auf lange Sicht die Spannung – es sei denn, ihr müsst gegen ein gutes Dutzend Gegner antreten, die an eurer Gesundheit knabbern. Trotzdem jagt bei erfolgreichen Kontern und gelungenen Attacken ein Adrenalinstoß nach dem anderen durch den Körper, wenn euer Gegner in dramatischen Kameraeinstellungen das Zeitliche segnet.
Versteht mich nicht falsch: Ich jammere hier auf hohem Niveau – weil man aus Assassin´s Creed trotz sauber präsentierter und ebenso gut umgesetzter Grundmechaniken noch mehr hätte herausholen können, um das Spiel auch über längere Zeit ähnlich intensiv zu gestalten wie die Dramaturgie der Zwischensequenzen. Besonders die Szenen mit euren Opfern direkt vor und nach den Attentaten wissen mit ihrer Inszenierung und Charakterzeichnung zu begeistern, stellen immer wieder die Frage nach Recht und Unrecht eurer Arbeit und schaffen es, den Spieler stets aufs Neue zu verwirren.
Logikschwächen
Natürlich macht es auch immer wieder Spaß, einen Soldaten nach dem anderen in einem Säbelballett zu besiegen, zumal die Kämpfe nur ein Mosaikstein in dem von der Geschichte angetriebenen Assassin´s Creed-Puzzle darstellen. Doch um das angestrebte Ziel zu erreichen und das Genre neu zu definieren, hätte man hinsichtlich der Spielmechaniken wenigstens eine Evolution schaffen müssen, wenn nicht gar eine Revolution. Hier bleibt man aber im Gegensatz zur erzählerischen Ebene, die mit zum Besten gehört, was ich in den letzten Monaten erleben durfte, erstaunlich konservativ.
Aber: So überzeugend die Erinnerungs-Zeitreise auch inszeniert wurde und man auch zahlreiche innerhalb der Spielwelt glaubhafte logische Zusammenhänge anbietet, beißt sich die Logik in seltenen Momenten auch in den Hintern – dann allerdings auch hinsichtlich der Spielatmosphäre umso heftiger.
So z.B. als ich mit Altair einen Taschendiebstahl zwecks Info-Beschaffung durchführen muss. Ich scheitere und mein Opfer rennt nicht nur weg, sondern alarmiert auch die Wachen – das ist gut. Sehr gut sogar. Doch nachdem ich die Wachen erledigt habe, wird die „Erinnerung“ re-initalisiert. An sich auch eine gute Idee, da sie logisch in das Spieluniversum integriert wird. Doch jetzt folgt die böse Überraschung: Mein Opfer ploppt an seiner Position auf (nebst seinem Templer-Kollegen). Ich initiiere den Taschendiebstahl erneut. Doch just in dem Moment, in dem mein Opfer sich zu bewegen beginnt, sieht es die noch vor Ort liegenden Leichen, haut ab und alarmiert die Wachen. Ganz abgesehen von dem Templer, der mich urplötzlich (und natürlich vollkommen berechtigt) mit den Leichen in Verbindung bringt und attackiert.
Wenn man schon die Erinnerung auf Anfang setzt und man sowieso das Prince of Persia-Team im Hause hat, wieso nutzt man nicht gleich die „Rückspul“-Technik und verwendet diese, um wirklich eine „reine“ Erinnerung zu haben?
Doch solche Schwächen halten sich in Grenzen und werden durch die gesamte Inszenierung sowie die zweite aktiv spielbare Ebene in der Gegenwart, zu der wir hier nichts weiter sagen möchten, wett gemacht.