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Alienation (Arcade-Action) – Twin-Stick-Diablo

2010 ließ Housemarque in Dead Nation (Wertung: 82%) die Zombies so wild von der Leine, dass man zwischen Projektilgewitter und Fleischbergen kaum Luft zum Atmen hatte. Sechs Jahre später gibt es einen Nachfolger im Geiste namens Alienation. Diesmal hat man es mit einer außerirdischen Übermacht auf der Erde zu tun, der man alleine oder mit bis zu vier Mann im Koop trotzen kann. Und die Finnen ergänzen ihre explosive Zwei-Stick-Action um Sammel- sowie Ausrüstreize à la Diablo. Geht die Kombination auf?

© Housemarque / Housemarque

Drei Klassen zur Auswahl

Was hilft gegen Aliens, die die Erde seit Jahrzehnten besetzen? Der totale Krieg. Und den führt am besten eine futuristische Reinkarnation von Rambo: Soldaten in Exoskeletten mit verdammt viel Feuerkraft. Im Auftrag der weltweiten UNX-Regierung sollen diese schweren Jungs die Menschheit retten. Ist die Geschichte über die 20 Missionen genauso einfach gestrickt wie das klingt? Ja. Auch wenn sich die Finnen Mühe geben, gehört Storytelling nicht zu ihren Stärken. Man hört sich die Einsatzbesprechungen auf Englisch an und kann deutsche Untertitel einblenden – die Texte

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Der Bio-Experte im Profil: Er kann u..a vergiften, heilen oder Nanoschwärme aussenden. © 4P/Screenshot

werden gut gesprochen, sind fehlerfrei übersetzt. Aber die saubere Lokalisierungsarbeit kann der Dramaturgie der etwa sechs- bis achtstündigen Kampagne nicht auf die Sprünge helfen. Auch wenn es lebendigen Funkverkehr inklusive wechselnder Aufträge gibt und sich die Geschichte mit Verrat & Co bemüht, so etwas wie Spannung aufzubauen, plätschert sie in pathetischen Tröpfchen vor sich hin; dagegen wirkt XCOM 2 wie ein epischer Blockbuster.

Aber egal: Wichtig ist aufm Schlachtfeld. Zu Beginn kann man sich für eine von drei Klassen entscheiden: Bio-Experte, Frontkämpfer oder Saboteur. Schon früh zeigen sie ihre individuellen Stärken, denn nicht alle können z.B. einen Schild im Kampf nutzen oder einen Artillerie-Schlag ordern – und erst im gemischten Team blühen sie richtig auf! Alle lassen sich im weiteren Verlauf bis hin zur so genannten „Heldenstufe“ (ab Level 30) spezialisieren. Was bringt einem der Levelaufstieg? Punkte für die manuelle Charakterentwicklung: Je nach Klasse darf man drei aktive und passive Fähigkeiten freischalten, die eher körperliche, heilende oder aggressive Boni bieten und diese in mehreren Stufen inkl. kleiner Entscheidungen verbessern: Erhöht man lieber den Radius oder den Winkel des Schlags, das Tempo oder die Dauer des

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Während der Missionen gibt es immer wieder Kommentare aus dem Hauptquartier. Die englische Sprecher überzeugen; man kann deutsche Untertitel zuschalten. © 4P/Screenshot

Nanoschwarms? Man kann sich also auf die Attacke spezialisieren oder mit viel Geduld einen Allrounder erschaffen; sehr angenehm: man legt sich nicht auf Dauer fest, sondern kann alle Punkte jederzeit wieder frei verteilen! So kann man seinen Spielstil flexibel vor jeder Mission ein wenig anpassen.

Ein Fest für Explosionsfetischisten

Kaum landet der Hubschrauber im Gelände, geht es in der Draufsicht mit präziser Steuerung überaus ansehnlich zur Sache; nur darf man die statische Kamera weder drehen noch zoomen. Ansonsten gilt das alte Prinzip der Zweistick-Shooter: Mit dem linken Stick bewegen, mit dem rechten zielen, mit den Schultertasten feuern, Granaten werfen oder in den Nahkampf gehen; hinzu kommen Knöpfe sowie Touchpad für diverse Spezialaktionen. Nicht nur in der Rolle des Bio-Experten ergeben sich einige coole Manöver: Er kann z.B. eine grün funkelnde Giftspur hinter sich her ziehen, vielleicht noch ein paar Minen legen und sich dann umdrehen, um einen offensiven

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In einem Tutorial lernt man, wie man klettert oder Abgründe überwindet, Granaten wirft oder schießt. © 4P/Screenshot

Nanoschwarm auszuschicken, so dass selbst dutzende Verfolger auf dem „Rückzug“ in seine Falle gehen. Wenn sich ein Team richtig abstimmt, kann man sich wunderbar ergänzen und den Multiplikator in die Höhe treiben.

Die Areale sind wesentlich größer, prächtiger und abwechslungsreicher designt als noch in Dead Nation. Es gibt acht Umgebungen zwischen Nordamerika, Südamerika, Russland sowie labyrinthische Alienschiffe. Hinzu kommen dynamische Ereignisse, die neben dem Hauptziel, das meist aus der Betätigung von Schaltern oder Aktivierung von Sendern besteht, irgendwo auf der Karte auftauchen: Mal gilt es Herausforderungen wie Gegnerwellen zu meistern, Alienbosse zu töten oder Überfälle zu überstehen. Überhaupt bietet das angenehm offene und auch vertikal verschachtelte Leveldesign einige taktische Möglichkeiten. Man kann nicht nur Geschütze aktivieren, explosive Fässer nutzen, gezielt Deckung suchen, sondern auch Treppenaufgänge oder Sackgassen in Feuerkorridore verwandeln. Ähnlich wie in Dead Nation erkennt man bei angeschossenen Autos vor dem großen Knall einen roten Schadensbereich. Und es scheppert, knallt und kracht deutlich spektakulärer als in der Zombiehatz. Was

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Auch der Flammenwerfer kann sich lohnen… © 4P/Screenshot

Housemarque hier an Effektgewitter inszeniert ist einfach grandios! Auch en detail kann die Kulisse überzeugen – Nebel wabert, man erkennt Fußspuren, die Beleuchtung ist stimmungsvoll und die Animationen geschmeidig.

Für einen guten Spielfluss sorgt zudem die dynamische Beweglichkeit: Man kann nicht nur kurz sprinten, sondern hüfthohe Mauern, Zäune oder andere Hindernisse elegant überspringen. Auch wenn die Hand-Auge-Koordination nicht so blitzschnell funktionieren muss wie noch in Resogun: In der Hitze des Gefechts kann man es sich mit guten Reaktionen z.B. beim Nachladen über L3 einfacher machen – hier öffnet sich ein kleines Zeitfenster, so dass sich das Magazin mit dem richtigen Timimg flotter füllt. Auch die Kombination von Sprint sowie Nahkampf ist gerade in brenzligen Situationen als durchstoßende Attacke hilfreich; ansonsten sollte man auf die Abkühlzeiten der Fähigkeiten sowie die Munition achten. Es kann nämlich sein, dass der Raketen- oder Flammenwerfer plötzlich nichts mehr ausspuckt. Da man drei Waffen tragen und bei getöteten Feinden Munition finden kann, ist das aber selten ein existenzielles Problem.