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WWE 2K15 (Sport) – Neue Systeme – alte Klasse?

Nachdem WWE 2K15 vor wenigen Wochen auf PS3 und 360 die Erwartungen nicht erfüllen konnte, ruhten die Hoffnungen auf den Fassungen für PS4 und Xbox One. Aufgepeppte Grafik, ein überarbeitetes Kampfsystem und ein frischer Karriere-Modus sollen einen Neustart für die Wrestling-Serie markieren. Ist das Vorhaben gelungen? Der Test liefert die Antwort.

© Yukes / Visual Concepts / 2K Sports

Alles neu?

Eines muss man der Kollaboration von Yukes und Visual Concepts (2K-Sports-Stammentwickler) lassen: Mitunter sieht das Wrestling-Spektakel fantastisch aus. Wenn die virtuellen Athleten auf dem Weg zum Ring nicht nur durch authentische Gestik auffallen, sondern dank Ganzkörperscan sogar die Mimik bis hin zu kleinen Nuancen akkurat umgesetzt wird, kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Randy Orton bewegt und verhält sich wie das echte Gegenstück, viele andere alte und neue Stars wie Brock Lesnar, Cody Rhodes, CM Punk oder Cesaro sehen den realen Superstars ebenfalls sehr ähnlich. Zudem hat die Zuschauerkulisse massiv zugelegt, wobei man jedoch die überragende Qualität der prall gefüllten NBA-Arenen nicht erreicht. Zudem gibt es auch einige Athleten, bei denen der Erkennungswert niedriger ausfällt. Nicht nur, weil auch die neue bzw. erweiterte Grafikengine immer noch Probleme mit langen Haaren hat – evtl. sollte 2K mal bei den Kollegen von Ubisoft nachhaken, mit welchen technischen Hilfsmitteln man z.B. in Assassin’s Creed Unity die Haarprachten gestaltet hat. Sondern auch, weil hier die Schädelknochen überakzentuiert werden und so mancher Wrestler dadurch deutlich näher an das Aussehen seiner 30.000 Jahre alten Vorfahren heranrückt. Das mag jetzt vielleicht hart klingen, doch wenn wir z.B. Randy Orton nochmals betrachten und dann den Coverstar John Cena daneben halten, wirkt er im Vergleich wie ein Cro-Magnon-Mensch. Dass dies die gegenüber Wrestling als Showsport grassierenden Vorurteile subtil bestätigt, ist unglücklich.

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Die Darstellung vieler Athleten erreicht auf PS4 und One eine neue Qualität. © 4P/Screenshot

Auch die im umfangreichen Editor erstellten Figuren (Diven dürfen allerdings nicht erstellt werden) erreichen nicht die ausgewählte Top-Qualität einiger Superstars – obwohl hier sogar der nicht ganz einfach zu bewerkstelligende Import eigener „Texturen“ in Form von Foto-Dateien zugelassen wird,  der auch das eigene Gesicht im Spiel möglich macht. Zwar sehen die Eigenkreationen detaillierter aus als noch auf PS3 und 360, doch unter dem Strich ist die Qualität von eigenen sowie mitgelieferten Athleten sehr unterschiedlich und sorgt für trotz Verringerung der Unterschiede für ein uneinheitliches Bild. Und das, obwohl hier wie auf den alten Systemen einer der kleinsten Roster der jüngeren Wrestlingspiel-Vergangenheit abgeliefert wird. Das soll zwar durch Retro-Versionen zahlreicher Superstars wie Chris Jericho, Batista usw. ausgeglichen werden, doch  damit beschwört man natürlich die Geister von 30 Jahren WrestleMania herauf, die letztes Jahr noch für einen prall gefüllten Figurenauswahl-Bildschirm gesorgt haben.

Kompromiss-Bereitschaft

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Bei langen Haaren gibt es aber immer noch Probleme… © 4P/Screenshot

Natürlich sieht das Kampfgeschehen mit der ausgefeilten Mimik als Reaktion auf Schläge, Würfe usw. ebenfalls besser aus. Hier merkt man am ehesten, dass die Engine gewaltig zugelegt hat. Auch die Physik, die die letzten Jahre auf PS3 und 360 stiefmütterlich behandelt wurde und vor allem im Hinblick auf die Ringseile für merkwürdige Ergebnisse gesorgt hat, machte einen Schritt nach vorne. Allerdings gibt es mittlerweile auch wieder vermehrt Probleme mit der Kollisionsabfrage, wenn etwa Hände durch Arme gleiten wie ein warmes Messer durch Butter. Dennoch macht es wieder mehr Spaß, dem Geschehen zuzuschauen als in den letzten Jahren. Auch, weil das Kampftempo dank einiger mechanischer Modifikationen zurückgeschraubt wurde. Das Zusammenspiel zwischen der dreifach gestaffelten Gesundheitsleiste sowie der ebenfalls dreifach gestaffelten Energieleiste rückt stärker in den Fokus und sorgt für „realistischere“ Matches. Kettet man zu viele Aktionen aneinander, nimmt die Energie rapide ab. Passt man nicht auf, rutscht sie von der dritten Leiste in die zweite – und es gibt keinen Weg zurück. Ebenfalls weniger Grundenergie hat man, wenn die Gesundheitsleiste erst von Grün nach Gelb und dann nach Rot wechselt. Das kann sogar so weit gehen, dass man erst mal erschöpft warten muss, bis man wieder genug Kraft hat, um dem Gegner mit einem Finisher den Rest zu geben. Gerade bei hin und her wogenden Kämpfen wird die Schlussphase enorm spannend – hier ist man in der Präsentation so dicht am echten Fernseherlebnis wie schon seit Jahren nicht mehr.

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Auch Goldust sieht seinem realen Vorbild sehr ähnlich. © 4P/Screenshot

Und dennoch kann dies nur ein erster Schritt sein. Denn es gibt ein Problem: Einige Altlasten der Mechanik wie der mitunter in einem engen Zeitfenster gehaltene Konter passen nicht mehr in das Konzept. Hatte man auf PS3 oder 360 kaum Probleme, wenn man eine Hand voll Angriffe nicht blocken oder kontern konnte, gerät man hier schnell in stürmische Kampfgewässer, in denen man im Handumdrehen entweder eine Energie- oder eine Lebensleiste verliert. Zudem sorgt eine weitere frische Mechanik für Lust und Frust gleichermaßen: Wenn beide Wrestler einen Griff initiieren, kommt es zu einer Schere-Stein-Papier-Auswahl, der ein Minispiel folgt, bei dem man per rechtem Stick einen „Hotspot“ finden muss, damit entweder der Konter eingeleitet oder die nächste Phase eingeleitet wird. Prinzipiell ist dieses System gelungen und sorgt ebenfalls dafür, das Tempo auf spannende Weise aus einzelnen Kampfphasen zu nehmen. Allerdings kann das Hin und Her der Initiative nicht nur unheimlich schnell die Energieleiste leer saugen, bevor man sich aus dem gegenseitigen Klammergriff lösen kann, sondern es lässt sich auch auf schnell wiederholende Standard-Animationen zurückfallen – individuelle, von den Athleten abhängige Animationen, habe ich auch nach Stunden nicht gesehen. Erkennt man diese Balance-Probleme der ansonsten einen Schritt nach vorne machenden Kampfmechanik und kann entsprechend gegensteuern (indem man z.B. erst Griffe setzt, wenn man weiß, dass der Gegner zu groggy ist), machen die Auseinandersetzungen eine Menge Spaß. Auch, wenn es immer noch Move-Schleifen gibt, denen man nicht entkommen kann. Auch wenn man immer noch mitunter lange dauernde Animationen abwarten muss, bevor man wieder reagieren kann.