Veröffentlicht inTests

The Vanishing of Ethan Carter (Adventure) – Übersinnliches Detektiv-Abenteuer

Geifernde Zombies, blutige Fratzen, gnadenloser Psychoterror – in der Spielewelt gibt es viel expliziten Horror. Aber was ist mit der subtileren Art des Grauens? Wo sind die Gruselgeschichten, die nicht das Entsetzen, sondern das schaurige Erkunden in den Mittepunkt stellen? Genau das haben die polnischen Entwickler von The Astronauts mit „The Vanishing of Ethan Carter“ im Angebot. Wie sich das Mystery-Adventure spielt, verrät der Test.

© The Astronauts / Nordic Games / The Astronauts

Schauriges Versprechen

Die polnischen Entwickler haben ihr Mystery-Adventure als „Dear Esther mit 18er-Einstufung und Gameplay“ beschrieben. Und das beschreibt ganz gut, was man über knapp vier Stunden erlebt. Auch wenn der einleitende Satz „eine erzählerische Erfahrung“ verspricht, kann die Regie dieses Versprechen nicht so intensiv erfüllen wie etwa ein Dear Esther oder Gone Home. Das liegt nicht daran, dass es hier auch klassische interaktive Elemente gibt, sondern

[GUI_STATICIMAGE(setid=77016,id=92491218)]
Hat man alle Gegenstände am Tatort platziert, gibt es ein chronologisches Rätsel. © 4P/Screenshot

daran, dass das Drehbuch das Unheilvolle und Übersinnliche, das man ja zu Beginn erahnt, nicht immer gekonnt in schaurige Erlebnisse übertragen kann.

 


Es gibt tolle Ansätze dafür, aber die werden nicht konsequent genug verfolgt. Denn: Man weiß irgendwann, und zwar viel zu früh, dass einem nichts passieren kann. Selbst in den Situationen, in denen man etwas „falsch machen“ kann, droht einem keinerlei Gefahr. Gerade das Teleportspiel mit den Zimmern hätte man auch nutzen können, um für mehr Angst oder schleichenden Wahnsinn zu sorgen.

Die Hintergrundgeschichte wird nur auf zwei Ebenen erzählt: Zum einen gibt es an bestimmten Stellen gesprochene Kommentare des Privatdetektivs Paul Prospero – keine trockenen Analysen, sondern Gedanken zum Übersinnlichen, das an diesem Ort für ihn spürbar scheint. Zum anderen findet man nicht nur Leichen, sondern auch mal ein Foto oder Notizen, die das Geschehen langsam mit Figuren und Geschichte füllen.

 


Etwas mehr Lovecraft

[GUI_STATICIMAGE(setid=77016,id=92491203)]
Das Red Creek Valley ist angenehm groß: Neben einigen Häusern erkundet man auch einen Friedhof und ein Bergwerk. © 4P/Screenshot

Aber es gibt keine Dramaturgie, die diese beiden Ebenen mal zusammen führt, die für mehr Spannungsmomente sorgt. Es ist nicht so, dass die Inszenierung der Story schlecht ist, zumal das Finale einiges aufklärt. Und dieses Spiel deutet immerhin an, was aus einem Alan Wake hätte werden können, wenn man sich in der Regie weniger auf Action, sondern mehr auf Erkundung und Story konzentriert hätte.

Gleichwohl lässt auch The Vanishing of Erhan Carter einiges an erzählerischem Potenzial liegen. Die uralte Macht wird skizziert, aber mehr nicht. Dabei hätte dem Spiel etwas mehr vom Schrecken eines H.P. Lovecraft sehr gut getan.

  Eine erzählerische Schwäche ist vielleicht, dass das konfus Okkulte und Übersinnliche, also dämonische Beschwörungsformeln auf Latein hier, oder Krähenopfer dort, etwas im luftleeren Raum schweben, ohne einen Zusammenhang mit dem eigentlichen Ort und die Artefakte in ihm. Was hat es mit den Gräbern von Deutschen auf sich? Oder mit dem Platz im Wald, an dem erst Lichter brennen und dann ein Zelt steht? Indianisch? Noch älter? Mehr Wissenswertes über die Historie des Tals und seiner Anwohner oder die Vandegriff-Familie wäre wünschenswert gewesen. Natürlich darf das alles nicht logisch erklärt werden, aber es sollte zumindest in einen besseren Kontext der Ahnungen und Möglichkeiten gebracht werden. „The Vanishing of Ethan Carter“ zitiert zwar Poe und Lovecraft, aber die schaurige Sogwirkung der Klassiker wird in diesem Adventure nur angedeutet. Trotzdem ist das ein guter erster Schritt, den die Astronauten da machen. Hoffentlich gibt es noch mehr Spiele dieser Art!