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The Vanishing of Ethan Carter (Adventure) – Übersinnliches Detektiv-Abenteuer

Geifernde Zombies, blutige Fratzen, gnadenloser Psychoterror – in der Spielewelt gibt es viel expliziten Horror. Aber was ist mit der subtileren Art des Grauens? Wo sind die Gruselgeschichten, die nicht das Entsetzen, sondern das schaurige Erkunden in den Mittepunkt stellen? Genau das haben die polnischen Entwickler von The Astronauts mit „The Vanishing of Ethan Carter“ im Angebot. Wie sich das Mystery-Adventure spielt, verrät der Test.

© The Astronauts / Nordic Games / The Astronauts

Edgar Allan Poe lässt grüßen

Die ersten Schritte in diesem Spiel sind ein Genuss. Es umarmt einen nicht mit greller Intro-Schminke oder künstlichen Tutorial-Bussies. Es öffnet sich wie ein gutes Buch mit einem einfachen Satz, der auch eine Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe einleiten könnte. Während die charismatische Stimme des Erzählers in wenigen Worten das Unheilvolle zusammenfasst, das einem womöglich bevorsteht, bewegt man sich durch einen dunklen Eisenbahntunnel hinein in dieses Abenteuer. Und es sieht fantastisch aus.

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Das polnische Studio The Astronauts besteht u.a. aus Ex-Leuten von People Can Fly (Painkiller, Come Midnight, Gears of War, Bulletstorm). Die Unreal Engine 3 sorgt für eine idyllische Kulisse.

Ich habe selten so eine natürlich wirkende Landschaft in einem Spiel gesehen. Wald und Licht wirken unheimlich stimmungsvoll und aufgrund vieler Kleinigkeiten auch noch so authentisch, dass man zum langsamen Spazieren und genauen Hinsehen animiert wird. Wenn man das mit dem Zoom über die rechte Maustaste tut, wird man von Moosflecken und kleinen Löchern auf den Felsen bis hin zur Baumrinde oder dem Kiesel im Fluss realistisch anmutende Oberflächen erkennen. Früher gab es so etwas nur in Shootern – es ist schön, dass in den letzten Jahren auch das Adventure von diesen beeindruckenden Kulissen getragen wird.

 

Schatten über Red Creek Valley

Ein Fluss rauscht im Tal, die spätherbstliche Sonne taucht das Laub in Rot und

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Als Privatdetektiv Paul Prospero mit übersinnlichen Fähigkeiten erkundet man das Red Creek Valley. Ein Junge namens Ethan Carter hat ihn um Hilfe gebeten. Sehr schnell entdeckt man den ersten Toten hinter der Brücke… © 4P/Screenshot

Gelb. Aber schnell wird klar: Unter der Schönheit dieser idyllisch anmutenden Natur verbirgt sich etwas Bedrohliches. Das zeigt sich nicht nur, wenn man im Einstieg diesen kleinen Pfaden ins Dickicht folgt und plötzlich von Fallen überrascht wird. Spätestens wenn man die ersten Leichenteile auf den Schienen findet, wird es blutig und schaurig – Beine hier, der Rumpf weiter unten. Läuft hier ein Irrer rum? Hat man wenigstens eine Beretta? Nein. Es gibt keine Waffe. Man kann lediglich rennen, kriechen und interagieren.

Was ist hier in Red Creek Valley passiert? Genau das gilt es herauszufinden. Ein kleiner Junge namens Ethan Carter berichtet davon in einem Brief. Und Paul Prospero, den man in Egosicht bewegt, lässt schon in seinen ersten laut gesprochenen Gedanken keinen Zweifel daran, dass neben der realen noch eine andere Welt existiert. Man weiß von Beginn an, dass man als Privatdetektiv mit übersinnlichen Fähigkeiten unterwegs ist – vielleicht steckt im Namen „Prospero“ ja eher eine Anspielung auf William Shakespeares Zauberer in „Der Sturm“ als an die Hauptfigur in „Die Maske des Roten Todes“  von E.A. Poe. Wie auch immer: Paul kann anhand von Gegenständen oder Tatorten in die Vergangenheit schauen. Um das ganze Bild zu bekommen, muss er allerdings Vorbereitungen treffen – also sammelt er wie in einem klassischen Adventure an verschiedenen Orten Indizien.