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The American Dream (Shooter) – Bitterböse Ballersatire

Auf den ersten Blick könnte The American Dream ein VR-Spiel sein, das von der amerikanischen National Rifle Assiciation in Auftrag gegeben wurde. Doch hinter der Glorifizierung des Rechts auf Waffenbesitz in den USA steckt ein australisches Indie-Team. Und das nutzt die Chance, um eine bitterböse Satire auf das amerikanische Lebensgefühl zu inszenieren. Ob dabei auch das spielerische Element nicht zu kurz kommt, klären wir im Test.

© Samurai Punk / Samurai Punk

Das ultimative Werkzeug

In The American Dream werden Waffen für alle Lebenslagen verwendet. Zum Füttern von Babys oder dem Wechseln der Windeln. Zum Kochen. Als Besteck anstelle von Messer, Gabel und Löffel. Zum Säubern von Wäsche oder dem Reinigen von Autos. Für Gartenarbeit. Zum Angeln. Bei der Geburtshilfe. Zum Öffnen von Getränke-Dosen. Beim Sex. Um Jagd auf Kommunisten zu machen. Und natürlich sind sie in der merkwürdigen Welt, die die Australier von Samurai Punk zeichnen, auch bei der Arbeit unerlässlich. Sei es nun, um Burger auf dem Grill zu wenden oder um Löcher in Bagles zu schießen. Es wird von Anfang an kein Zweifel daran gelassen, dass sich das ungewöhnliche VR-Abenteuer nicht ernstnimmt.

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Ein Job, den man in The American Dream geht: Bagle-Bäcker. Genauer gesagt, ist man für die Löcher in den Backwaren zuständig. © 4P/Screenshot

Alles andere wäre angesichts der aktuellen politischen Situation in den USA auch starker Tobak und mit seinen aktuellen Bezügen kaum zu ertragen. So aber versteht sich The American Dream mit teils subtilen, häufiger aber sehr direkten Seitenhieben als Advokat pro Waffenkontrolle. Immerhin wurden in Australien nach einer Tragödie Mitte der 90er Jahre die Gesetze massiv verschärft und hunderttausende Knarren verschrottet. Dementsprechend wirkt die Kernaussage glaubwürdig: Samurai Punk scheint zu wissen, wovon sie reden. Und vor allem, wie sie den Spieler als Zuschauer erreichen können.

Zwischen Ballerbude und Erzählepos


Als Teilnehmer einer Art Rundfahrt durch ein interaktives Museum zum Thema „The American Dream“ oder auch: ‚Waffen und ihr Nutzen für Gesellschaft und Familie‘ befindet man sich die ganze Zeit über in einem Wagen einer Einschienenbahn, dessen Bewegung ähnlich wie der Lore in Until Dawn: Rush of Blood vorgegeben ist.

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Das Artdesign ist sehr gut und hilft, die „Heile Welt“ zu karikieren. © 4P/Screenshot

Im Vergleich zu den mitunter achterbahnhaften Fahrten im Horror-Shooter ist hier alles sehr langsam und beschaulich, so dass selbst bei empfindlichen VR-Mägen kein flaues Gefühl entstehen sollte – mit Ausnahme vielleicht der sich leicht drehenden Ladesequenzen, bevor man durch die Tür des nächsten Kapitels fährt. Ein steter Begleiter in jedem Zimmer ist der Golden Retriever Buddy, genauer gesagt: eine Statue, deren Stimme über einen Lautsprecher mit einem spricht und die sich als absurder Reiseführer versteht. Ein weiterer Unterschied zu Rush of Blood: Hier nehmen Sequenzen, in denen man mit Waffen wild um sich ballern kann, maximal drei Fünftel der insgesamt geschätzt etwa drei bis vier Stunden langen Spielzeit ein, die sich auf 22 Kapitel verteilt.