Von Anfang an kann Styx etwas zu weit erfolgreich werfen – nicht nur Pfeile, selbst der Sand trifft die weit entfernte Fackel immer sicher, was spätestens nach gefühlten zehn Metern über Abgründe und durch Fenster etwas seltsam anmutet. Er kann auch jederzeit die Goldharzsicht aktivieren, um alle interaktiven Objekte und Feinde in blinkender Farbe anzuzeigen. Außerdem darf er sich auf Kosten von Goldharz bereits kurz unsichtbar machen und einen Klon beschwören, den man fremdsteuern kann, um z.B. Fackeln zu löschen oder Schalter zu bedienen, und der bei Entdeckung keinerlei Alarm auslöst – zumindest wird dieser Styx nicht negativ angerechnet.
Zwar hat man so viel Spaß beim morbiden Experimentieren, aber Styx wirkt mit all den oben genannten Aktionen und Hilfen in den ersten Stunden so mächtig, dass die entwickelbaren Fähigkeiten in den fünf Bereichen Klonen, Alchemie,
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Heimlichkeit, Nahkampf und Unsichtbarkeit etwas zu schnell an Reiz verlieren. Deshalb will man auch nicht unbedingt alles an Sammelkram abgrasen, um möglichst viele Erfahrungspunkte für die Freischaltung zu ergattern. Hier wird der Ehrgeiz eher durch die vier Medaillen in drei Stufen von Gold bis Bronze geweckt: Wer besonders schnell, gewaltfrei, unentdeckt oder mit maximaler Beute abschließt, bekommt ebenfalls Erfahrungspunkte.
Lobenswert ist, dass Styx jederzeit umschulen kann und einmal Erlerntes tauschen darf. Auch dass man für die finalen Fähigkeiten am Ende des Talentbaums den kostbaren Quarzsand benötigt, ist eine gute Entscheidung – nur: man braucht sie nicht. Lediglich einige der erlernbaren Aktionen sind hilfreich und kreativ, weil sie für neue taktische Varianten sorgen: etwa, dass man im Todesfall im Klon wiedergeboren wird. Oder dass man die Unsichtbarkeit auf Wachen übertragen kann, damit man sie z.B. ohne Alarm töten kann. Aber der Großteil wie die Alchemie oder der Nahkampf ist fast überflüssig, führt bloß zu noch besser Goldharzsicht oder mehr Schlagkraft.
Alchemie & Automatismen
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Auch das Herstellen von weiteren Gegenständen abseits der Pfeile und Heiltränke ist nicht wirklich notwendig, um erfolgreich zu sein. Das wiederum macht die überall offen sichtbar verteilten Zutaten wie Eisenerz, Pilze etc. irgendwann überflüssig. Warum findet man das eigentlich nicht in Kisten, die man auch erst aufschließen muss, was die Erkundungsreize deutlich erhöhen würde? Es fühlt sich einfach seltsam an, dass man als Dieb an so vielen großen Truhen und Schatullen vorbeiläuft, weil man weiß, dass man gar nicht mit ihnen interagieren kann und alles Wichtige irgendwo auf Tischen liegt.
Zumal die Freude über das so herausragende Leveldesign durch zwei weitere spielmechanische Defizite gedämpft wird: Zwar kann man durch Schlüssellöcher spähen, aber man kann einmal geöffnete Türen nicht verschließen, was angesichts der Blickwinkel der Wachen und der Tatsache, dass sie sich auch darüber wundern, sehr ärgerlich und natürlich unrealistisch ist. Zum anderen öffnet man auch verschlossene Türen immer automatisch, muss vielleicht mal einen Dietrich dabei haben, aber das läuft immer ohne ein aktives Minispiel oder eine Herausforderung – gerade in diesem Bereich hätte man auch Styx‘ Fähigkeiten als Dieb entwickeln können.
Der allmächtige Goblin?
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Trotzdem ist Styx nicht allmächtig, das Erkunden selbst bleibt riskant und die Spielbalance wird gewährleistet, indem Cyanide den Anspruch in den Missionen stückweise erhöht: Hat man es zu Beginn meist mit einzelnen Wachen zu tun, die man leicht ausschalten kann, sichern sich später zwei oder mehr Wachen mit Blickkontakt ab oder begleiten eine Zielperson, so dass man sich sehr clever verhalten und vor allem geeignete Räume finden muss, um diese Gruppe ohne Alarm zu trennen. Das Katz- und Mausspiel bleibt trotz der oben genannten Kritikpunkte ein überaus unterhaltsames! Hinzu kommt, dass der einfache Dolchwurf oder Kill von hinten spätestens dann nicht mehr funktioniert, sobald man es mit schwer gepanzerten Wachen zu tun hat. Hier gelingt es den Entwicklern gerade in der Mitte des Abenteuers, ein für den Spielspaß wichtiges Gegengewicht zu installieren, indem Styx‘ Fähigkeiten und Sinne auch mal blockiert oder gekontert werden.
Außerdem sorgen zwei wichtige, schnell vergessene Elemente für stetigen Anspruch. Zum einen gibt es keine Karte, die mir gleich alles verrät, so dass die Suche selbst zu einer
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Herausforderung wird: Wo befinden sich die fünf Schriftstücke in der Stadt? Da blinken keine Zielmarker, die Häuser muss man selbst finden. Auch das erfordert keine große Spurensuche, denn man kann in der Goldharzsicht die Zugänge erlennen, sobald man in ihrer Nähe ist. Und ganz konsequent ist Cyanide nicht, denn die wichtigen Questziele werden durchaus markiert. Aber im Zeitalter von GPS-Routen ist auch das kurzzeitige Suchen und Umherirren eine köstliche Erfahrung. Zum anderen verlangt das Klettern und Springen hier punktgenaues Timing und ist trotz klar markierter Simse eben kein Selbstläufer wie in Assassin’s Creed oder Horizon Zero Dawn. Warum nicht? Weil man trotz der visuellen Hilfen noch selbst über Analogstick und Knopfdruck für etwas Richtung und Kraft sorgen muss. Hier entsteht deshalb Spannung vor dem Absprung, weil Styx eben auch tödlich stürzen kann.
Stimmungsvolle Fantasywelt mit Kooperation
Und Cyanide um eine bessere Präsentation bemüht und hievt dieses Abenteuer auf ein in Ansätzen filmisches Niveau, auch wenn man technisch weder auf Konsolen noch dem Rechner aktuelle Referenzen hinsichtlich der Grafik erreicht. Zwar kann die Story erzählerisch nicht begeistern, zumal Styx zwar den störrischen Einzelgänger verkörpert, der auch die sinnlose Rassengewalt kritisiert, aber dann wie ein Befehlsempfänger einfach Aufträge von menschlichen Goblinschlächtern annimmt. Es gibt einige kleine Widersprüche innerhalb des groß angelegten Konfliktes, in dem u.a. Goblins, Menschen und Dunkelelfen vorkommen, deren Ziele man nicht sofort durchschauen kann.
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Die lineare Geschichte ist nicht mehr als ein solider Rahmen, aber sie lebt von all den witzigen, bissigen und zynischen Kommentaren des kleinen Helden, so dass kein kitschiges, sondern erwachsenes Fantasyflair à la The Witcher 3 entsteht. Und diesmal wird sie über die Unreal Engine 4 deutlich ansehnlicher sowie über die Regie mit eingestreuten Dialogen auf Englisch und Zwischensequenzen mit deutschen Untertiteln reifer präsentiert, dazu um interessantere Charaktere sowie böse Überraschungen bereichert.
Last but not least darf man einen weiteren Pluspunkt nicht vergessen: Man kann dieses Abenteuer kooperativ erleben, indem man auch mitten in einer Mission online nach Verstärkung fragt und dann zusammen den Rest meistert. Selbst wenn man im Duett kleine Mali akzeptieren muss, wie etwa weniger Leben, keine Chance auf eine Parade und kein manuelles Speichern, ist man zu zweit und bei aktiver Absprache natürlich noch effizienter, zumal man sich wiederbeleben und tolle Kombinationen einleiten kann: Meuchel du ihn, ich hab ihn sicher – oder so.