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Steelrising (Rollenspiel) – Bloodborne auf Französisch

Was wäre, wenn Ludwig der 16te eine Armee aus Robotern geschaffen hätte, um die Französische Revolution brutal zu zerschlagen? Was wäre, wenn Marie Antoinette keine dümmlichen Kuchen-Sprüche kundgetan, sondern sich an die Seite des Volkes gestellt hätte? Was wäre, wenn sich der zwar im qualitativen Output stets steigernde aber dennoch seit Jahren im Mittelmaß feststeckende Entwickler Spiders dazu aufraffen könnte, ein wirklich gutes Spiel abzuliefern? Bohrende Fragen, deren Antworten im folgenden Test zu finden sind.

© Spiders / Nacon

Aufzüge mit Vorzügen


Ist der Weg bis hinter die Stadtmauern zwar beschwerlich, aber dank kleinerer Bauernhöfe, blühender Gärten und sauber gepflasterten Anlegestellen schon ein passabler Hingucker, zündet die Optik im Herzen der französischen Metropole die zweite Stufe und erinnert wohl nicht ganz ungewollt an die unheilvollen und von Stöhnen erfüllten Gassen der ersten Spielstunden des Action-All-Time-Classics Bloodborne. Während der volle Mond die Szenerie in ein stimmungsvoll-bedrohliches Licht taucht, Feuchtigkeit von den Ziegeln der dunklen Mauern tropft und Rinnsale von Blut die schmutzigen, von Leichen bedeckten, Straßen herabrinnen, tastet man sich vorsichtig dem nächsten Zielpunkt entgegen, der auf Wunsch per ausgerüstetem Kompass eingeblendet werden kann. Bitternötig, denn die Gassen sind sehr verwinkelt und die meisten Areale in der Stadt bieten trotz feiner Darstellung oft keinen Wiedererkennungswert, der die Orientierung vereinfachen würde.


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Viele Gebiete ähneln sich recht stark. So fällt die Orientierung stellenweise unnötig schwer aus. © 4P/Screenshot
Und statt Monster-Gebrüll kündigen sich die allgegenwärtigen Feinde hier mit den metallen Geräuschen ihrer schweren Schritte und dem gelegentlichen Zischen der eingebauten Dampfmaschine an. Gelingt es Aegis einen bestimmten Abschnitt fürs Erste hinter sich zu lassen, warten statt Leuchtfeuern kleine Aufzüge im Stil des Louis-seize. Hier kann die kampfstarke Roboter-Dame die erspielten Punkte in die Verbesserung ihrer Fähigkeiten investieren, nützliche Gegenstände wie zum Beispiel Eis-, Feuer- oder Blitzgranaten einkaufen oder die Waffe der Wahl aufrüsten. Natürlich sind alle bisher besiegten Gegner wieder da, wenn Aegis die kraftspendende Einkaufstour beendet hat. 


Neben vielen, sehr unterschiedlich einsetzbaren und wirkenden Schlagwaffen, die wiederrum mit einer bestimmten Fähigkeit am besten skalieren, kommen auch dauerhafte Buffs zum Einsatz. Die unterwegs gefundenen Knopfzellen verbessern dann verschiedene Maßnahmen für den Angriff oder die Verteidigung. Die dafür vorhandenen Slots sind in drei Stufen aufrüstbar – so kann eine Knopfzelle der Stufe 3 eben nur in einem Slot Platz finden, der ebenfalls auf Stufe 3 gebracht wurde. Neben den unterschiedlichen und teilweise wirklich einfallsreichen Extra-Fähigkeiten der Waffen eine nette Gelegenheit, um sich dem für den eigenen Spielstil perfekten Build Schritt für Schritt anzunähern – das gilt auch für die Klamotten, die entweder gefunden oder eingekauft für genau die Verbesserungen sorgen können, die es dem Spieler ermöglichen, die Oberhand zu gewinnen. Ganz davon ab, sieht Aegis in den meisten Verkleidungen einfach klasse aus und es macht gut gestyled natürlich gleich nochmal mehr Spaß, den Aggro-Automaten eins aufs Blechkleid zu geben.

 

 

Angriff der Puderperücken


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Dieser Endboss wird von einem klitzekleinen Kleriker gesteuert, der natürlich ebenfalls mechanisch betrieben wird. © 4P/Screenshot
Aber auch die Automatenschaft schläft nicht und überrascht die nach und nach verbesserte Aegis mit immer neuen Angriffsmanövern und Upgrade-Modellen bereits bekannter Versionen. Zudem hatten die Entwickler bei Steelrising die Chance, aus der Not eine Tugend zu machen: Anstatt sich mühsam mit der Animation von organischen Wesen auseinander- und diese umzusetzen, ist es natürlich einfacher einem Roboter ein glaubhaftes Bildschirmleben einzuhauchen. Denn hier regieren abgehackte und eher einfach darzustellende Bewegungen, auch wenn sich die Entwickler sichtlich Mühe gegeben haben, die Manöver fein und abwechslungsreich darzustellen. Besonders die Endbosse verfügen über das ein oder andere Detail, dass dem Spieler ein Schmunzeln entlockt – ein echtes Novum, weil man beim Spielen von Soulslikes zum Lachen ja eigentlich eher in den Keller verschwindet.

Natürlich bleibt das frühe Ziel in Paris für Ordnung zu sorgen nur kurz eine einsame Aufgabe. Denn zahlreiche Figuren der französischen Geschichte zu dieser Zeit feiern nicht nur einen Auftritt, sondern haben allesamt eigene Anliegen, die Aegis natürlich gerne und prompt erfüllt. Leider verliert der Spieler hier schnell die Übersicht, wer nun wer ist, und was er eigentlich wollte. Das zerfasert die ansonsten recht spannungsvoll aufgebaute Story unnötig und raubt die Identifizierung des Spielers mit den verschiedenen Notsituationen in denen sich die Bittsteller befinden. Eigentlich wollen zehn verschiedene Puder-Perücken irgendwas, da hilft nur der Einsatz der groben Übersichtskarte und des Kompass, um noch irgendeine Art von Überblick zu behalten. Immerhin sagen die einen oder anderen Namen dem Spieler noch etwas, sofern er den Geschichts-Unterricht nicht mit dem Kopf auf der Tischplatte verbracht hat.

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Monsieur La Fayette scheint ein doppeltes Spiel zu treiben. Wie kann es gelingen, seine dunklen Pläne zu durchkreuzen? © 4P/Screenshot
Besonders schade ist der Auftrags-Overkill, weil die wirklich wichtigen, zur Klärung der Story unbedingt notwendigen Aufgaben bei dem Mach-mal-was-für-mich-Mischmasch in den Hintergrund rücken und an Gewicht und erzählerischer Tragweite einbüßen. Da wäre bei der wirklich interessanten Aufklärung der unnatürlichen Geschehnisse weniger eindeutig mehr gewesen – aus Spoilergründen dazu kein weiteres Wort.