Der eigentliche Clou ist aber wie in fast allen Spielen aus Barths Zachtronics genannten Studio (SpaceChem, Infinifactory) die große Freiheit beim Kreieren eigener Lösungen. Anders als in gewöhnlichen Puzzlespielen folgt man ja nicht den Brotkrumen auf dem Weg zu vorgezeichneten Resultaten, sondern nutzt das umfangreiche System virtueller Hard- und Software, um zum Ziel zu finden. Auch in Shenzhen I/O gibt es außerdem leere Blaupausen, auf denen man ohne Vorgaben alle verfügbaren Bauteile auf beliebige Art verwenden darf, um eigene Gadgets zu erstellen.
Es ist bemerkenswert, wie sehr Shenzhen I/O mit dieser Freiheit an das thematisch völlig verschiedene Minecraft erinnert, denn beide Titel drehen sich um die schöpferische Kreativität der Spieler. Kein Wunder: Barth erschuf mit Infiniminer die zentrale Inspirationsquelle für eins der wichtigsten Spiele unserer Zeit.
Weniger ist mehr
Doch zurück zu den Schaltkreisen, deren Effizienz ein weltweiter Vergleich offenbart: Wie viele Zeilen verschlingt der Programmcode, wie teuer sind die verwendeten Bauteile, wie viel Strom verbraucht das Gerät? Das ist grandios! Denn zum einen ist der Vergleich ein enormer Ansporn, das Design zu optimieren – immerhin vergleicht diese Rangliste nicht nur Fingerfertigkeit, sondern das zumindest meinem Ego etwas wichtigere logische Denken.
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Zum anderen macht der Zusammenbau der Module Shenzhen I/O zu einem größeren Spiel als es TIS-100 war. Programmierte man dort nämlich einen im Wesentlichen stets gleichen Computer, motivieren hier die immer neu zusammengesetzten Baupläne. Die Variation belebt die virtuelle Arbeit ungemein und ich bin stets bemüht die Produktionskosten zu senken, indem ich etwa mit einem leistungsschwächeren, 3 Yuan günstigen Modul auskomme, anstatt ein 5 Yuan teures zu verwenden.
„Nur noch ein Versuch.“
Aber Moment mal! Geht’s hier überhaupt um Programmieren? Eine geschlagene Stunde lang spiele ich jetzt schon Solitaire, während ich die nächste Aufgabe ewig vor mir her schiebe. Wenigstens einmal will ich dieses vermaledeite Kartenspiel noch lösen! Denn Solitaire gehört ja zum Programm: Wenn ich Shenzhen I/O starte, liegen der E-Mail-Ordner mit Arbeitsanweisungen sowie eine fürs Spiel erfundene Variante des berühmten Kartenschiebens auf meinem virtuellen Desktop.
Und ich wette, Barth zählt mit! Irgendwann knallt er mir eine Statistik vor den Latz, auf der eine unverschämt hohe Stundenanzahl unter „Päuschen“ lächelt – und eine deutlich kleinere verlegen unter „Arbeitsstunden“ grinst.
Wie gesagt: Shenzhen I/O simuliert den echten Arbeitsalltag auf erschreckend realitätsnahe Art und Weise.