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Secret World Legends (Rollenspiel) – Secret World Legends

Kurze und lange Pieptöne, ein grafischer Equalizer – was soll ich dieser Videobotschaft denn entnehmen? Ich kenne nur drei Buchstaben des Morsealphabets und weiß nicht, wo ich den Code entschlüsseln kann. Was mir bleibt, ist Google und ein ziemlich verzweifelter Versuch: Lang-kurz-kurz kurz-lang-kurz… mit viel Zeit und Nerven übertrage ich die Tonfolge in eine Online-Übersetzung. Dann stehen irgendwann „Drop Location“ und eine sechsstellige Zahl auf meinem Zettel – und hossa: Die Koordinaten der Umgebungskarte werden ebenfalls mit sechs Ziffern angegeben. Wenn das jetzt tatsächlich funktioniert…

© Funcom / Electronic Arts

Herr Kant und Frau Farbe

Die unheimlichen Kulissen unterstreichen die gelungene Atmosphäre: Einer der stimmungsvollsten Orte ist ein stillgelegter Jahrmarkt, durch den ein Sicht verzerrendes Flirren zieht. Ein großes Riesenrad ragt in den dreckigen Nebel, im fernen Hintergrund rotiert der Scheinwerfer eines Leuchtturms. The Secret World verlangt einen

Der stillgelegte Jahrmarkt ist einer der stimmungsvollsten Schauplätze.
Der stillgelegte Jahrmarkt gehört zu den stimmungsvollsten Schauplätzen. © 4P/Screenshot

leistungsfähigen PC, zeigt aber trotzdem grobe Ecken – durch den geschickten Einsatz von düsterem Licht und anderen Effekten wiren die einzigartigen Schauplätze dennoch sehr greifbar. Nur wirken ausgerechnet die Figuren seltsam starr und die übermäßig farbenfrohe Gestaltung ihrer Kleider empfinde ich als modisches Delikt. Viele Jacken, Hosen, Mäntel und Accessoires werden übrigens für reales Geld verkauft.

Ungemütlich leblos wirken die Charaktere auch in den Filmszenen, die jede halbwegs wichtige Mission einleiten: Die Szenen sind gut gesprochen – allerdings nur von den nicht am Spiel beteiligten Figuren. Meine eigenen Charaktere glotzen leider völlig sprach- und ausdruckslos in Richtung ihrer Gesprächspartner. Nein, in diesen Momenten kann ich mich partout nicht mit den Holzpuppen identifizieren. Bedauerlich auch, dass sich die Welt nicht weiterentwickelt. Das Spiel legt großen Wert auf seine Geschichte – trotzdem kann ich fast jede Mission beliebig oft wiederholen und was immer ich auch bewirke: Sämtliche Kleinigkeiten sind vor, während und nach einer Mission dieselben. Warum wagt The Secret World nicht den entscheidenden Schritt in Richtung einer glaubwürdigen Erzählung und zeigt jedem Spieler die dauerhaften Ergebnisse seiner Handlungen?

Wohin des Wegs?

Ungeschickt, dass sich einige Ereignisse kleinerer Plots zudem mit denen der großen Geschichte überlappen können – das bringt die logische Handlungsfolge mitunter durcheinander. Abgesehen davon war mir nicht immer klar, ob ich gerade ein Rätsel lösen muss oder ob die Aufgabenstellung zu vage formuliert ist. Manche Beschreibung bleibt einfach zu oberflächlich und sagt sinngemäß: „Löse diesen Fall!“, anstatt die Herausforderung genau zu definieren. Heißt „Folge dieser Person!“, dass ich einer Figur hinterher laufen soll, die eben erst meinen Standort verlassen hat? Klingt plausibel! Oder ist ein Bild der Hinweis auf den Standort der gesuchten Person? Soll ich gar den Fußspuren

Wie man kämpft, ist jederzeit offen: Man darf jederzeit die Waffe und damit verbundene Fähigkeiten wechseln.
Wie man kämpft, ist jederzeit offen: Man darf jederzeit die Waffe und damit verbundene Fähigkeiten wechseln. © 4P/Screenshot

folgen, die ich auf dem Boden entdecke? The Secret World muss sich außerdem den Vorwurf gefallen lassen, dass es mich zu oft einfach von einem Wegpunkt zum nächsten schickt, ohne dass ich das Ziel selbst ausmachen darf. Das rätselhafte Abenteuern ist deutlich packender als in ähnlichen Spielen – alles in allem fühlt sich The Secret World aber noch immer zu wohl in dem vertrauten MMO-Konzept.

Ich bin, was ich sein will!

Das gilt auch für die Kämpfe, in denen meine Finger wie üblich über die Zahlen der Tastatur tanzen. Gerade hier hatte ich mir mehr erhofft, denn ich halte das blöde Tastenhacken seit Jahren für überholt. Warum schreckt selbst ein innovatives Online-Rollenspiel vor einem System zurück, das mit nur zwei oder drei Angriffen aktive Duelle inszeniert, anstatt auf hektisches Schnelltippen zu setzen? Es hilft dem martialischen Trubel nicht, dass ich als Fernkämpfer ständig in Bewegung bleiben muss und besonderen Angriffen durch einen Hechtsprung ausweichen sollte. Für meinen Geschmack treffen Altmodisches und rasante Action hier sehr ungünstig aufeinander.