Dabei hätte Rare sich mit etwas mehr Feingefühl eine noch größere Spielerschaft sichern können, die vielleicht von dem permanenten, sich nicht regulierenden sowie bei Kämpfen 4-gegen-2 sowie 4-gegen-1 unfair wirkenden PvP abgeschreckt wird. So hätte man z.B. Server anbieten können, auf denen nur kleine Schaluppen unterwegs sind und Vierercrews unter sich bleiben. Oder man hätte ähnlich wie bei Ubisofts „The Division“ ein dezidiertes PvP-Gebiet gestalten können. Einige der Aufträge und natürlich die kürzesten Wege über die Karte liegen weiterhin in diesem Areal. Es gäbe sicherlich noch andere mögliche Regulierungsmöglichkeiten. Dann hätten wenigstens die Spieler die Wahl, wie sie vorgehen und vor allem, ob sie das Risiko eingehen sollen. Denn dass die Duelle mit anderen Spielern das Salz in der Piratensuppe sind, stellt man spätestens dann fest, wenn man sich über zehn oder 20 Minuten mit einem gegnerischen Kapitän seiner Schiffsgröße die Kanonenkugeln um die Ohren jagt, dann wieder eine oder zwei Minuten Pause benötigt, um die Löcher im Rumpf behelfsmäßig zu flicken und schließlich beide zugestehen, dass man gleichwertig ist und dann seine Wege geht – nur, um dann im nächsten Außenposten wieder aufeinanderzutreffen und vielleicht in der Kneipe einen Grog zusammen zu trinken. In diesen Momenten zeigt Sea of Thieves, wieviel Spaß in ihm stecken kann.
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Doch nicht nur bei den Spielerkämpfen zeigt Sea of Thieves Nachholbedarf. Bei allen Inhalten stellt man fest, dass unter der schillernden sowie interessant scheinenden Oberfläche nichts Langlebiges schlummert. Bei den weitgehend zufällig generierten Aufträgen gerät man zunehmend in eine Tretmühle. Man muss zwar irgendwann auf mehr Inseln nach Schätzen suchen, während man teils gehörig nachdenken muss, um die Hinweise zu entschlüsseln. Doch im Kern wird die Mechanik schnell vorhersehbar. Das gilt übrigens auch für die Skelettjagden, die unter dem Strich nur gegen mehr und mehr Crews auf mehr und mehr Eilanden stattfinden. Und natürlich auch für die Lebendtier-Akquise, die irgendwann nach Schema F stattfindet und nur ihren Reiz daraus gewinnt, die Insel(n) zu finden, auf denen die goldfarbenen Hühner, die roten Giftschlangen oder die schwarzgefleckten Schweine zu finden sind. Selbst die mitunter angeschwemmten Schatztruhen sind nur ein weiteres Beutestück, das gegen Gold abgegeben werden kann. Und die angeschwemmte Flaschenpost hat auch nur irgendwelche Karten, die die bekannten Missionstypen wiederkäuen. Das alles könnte aber dennoch motivierend sein, wenn man das Gefühl hätte, dass es sich lohnt und dass man einen Fortschritt machen würde. Doch egal, ob man erst eine Stunde hinter sich hat oder schon über 20 im Kampf mit der See zugebracht hat – es fühlt sich alles irgendwie gleich an. Das ist bedenklich und lässt die Motivation spätestens nach fünf Stunden abflauen.
Nur fürs Ego
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Zwar kann man über erledigte Missionen und abgegebene Kisten, Tiere etc. bei den Fraktionen im Level aufsteigen. Doch abgesehen von ein paar schick aussehenden Gegenständen wie z.B. ein vergoldeter Spaten oder ein güldener Kompass hat man auch hier nicht das Gefühl, irgendetwas erreicht zu haben. Man kann zwar einen ganzen Haufen kosmetischer Verbesserungen für seine Figur oder sein Schiff erstehen. Doch das gibt nur dem eigenen Ego Auftrieb. Weder die Mitglieder der Crew (schon gar nicht, wenn es sich um Fremde handelt) und insbesondere die Gegner scheren sich einen feuchten Pagageien-Dreck, wie gut oder schlecht man gekleidet ist oder ob der Säbel nun verziert ist oder nicht. Daher wäre es ungleich interessanter gewesen, wenn man neben kosmetischen Veränderungen auch spielerisch beeinflussende Verbesserungen kaufen könnte. Sei es nun größere Beutel für die Munition, bessere Kanonen oder stärkeres Holz. Dann nämlich hätte man auch als Solo- oder Duospieler, deren Beuteanteil naturgemäß höher ausfällt als bei einer Vierercrew sowohl die Chance als auch die Motivation ggf. gegen Großschiffe zu bestehen. Oder man könnte vielleicht sogar im Vorfeld dafür sorgen, dass sich eine Galleonenbesatzung mehrmals überlegt, einen anzugreifen, wenn sie sieht, dass man mächtige Ballermänner auf Deck oder einen dreifach verstärkten Bug hat.
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Wo sind die Missionen, in denen man vielleicht mit anderen Crews zusammenarbeiten muss, wobei man nie sicher sein kann, ob man kurzfristig verraten wird? Wo sind die Missionen, mit denen man auch anderen Spielern signalisieren kann, dass es ihnen nicht zum Vorteil reicht, sich mit dieser oder jener Crew oder einem bestimmten Kapitän anzulegen? Wo sind Aufgaben, die die ohnehin simpel geratenen Kämpfe aufwerten und bis zum letzten ausreizen? In dieser Form bleibt das spielerisch mehr als solide Piraten-Fundament weitgehend ungenutzt und in jeder Hinsicht oberflächlich. Apropos: Die visuelle Seite von Sea of Thieves ist größtenteils grandios. Zwar werde ich mit dem comichaften Figurendesign auch nach zig Stunden einfach nicht warm. Dafür jedoch liebe ich es, manchmal sogar einfach nur zur Entspannung durchs Meer zu pflügen und die Umgebung in mich aufzusaugen. Die Wellen, die man im tosenden Sturm durchbrechen muss, während um einen herum Blitze einschlagen und sogar Löcher in den Rumpf schlagen können, sind zwar ab und zu einen Tick zu „gebirgig“. Dennoch hinterlassen die mal idyllisch-stillen, dann wieder unruhigen und sich schließlich meterhoch auftürmenden Wassermassen einen sehr stimmungsvollen sowie einladenden Eindruck. Dabei spielen auch das dynamische Wetter sowie der Tageszeitenwechsel eine große Rolle. Zusammen mit den zig Inseln unterschiedlicher Größe ist die Kulisse über die meiste Zeit ein Genuss. Schade, dass dies nicht für die Kerninhalte gilt.