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Sea of Thieves (Action-Adventure) – Lustig ist das Piratenleben?

Schwerter, Holzbeine, Augenklappen, Totenkopfflaggen und ne Buddel voll Rum: Microsoft und Rare rufen mit Sea of Thieves alle Piraten mit Xbox One oder Windows-10-PC auf, eine fiktive Karibik unsicher zu machen. Ob es sich lohnt, Störtebeker, Blackbeard, Mary Read, Anne Bonny oder Jack Sparrow nachzueifern, verraten wir im Test.

© Rare / Microsoft

Stimmungsvoller Einstieg

Man wacht in einer dunklen Kaschemme auf, ohne Gold, aber immerhin mit einer Steinschloss-Pistole und einem Säbel ausgerüstet. Das Leben könnte schlimmer sein – zumal am Pier auch ein Schiff anliegt, mit dem man zu den Inseln des weitläufigen Areals schippern kann, um ein legendärer Pirat zu werden. Doch die Anfänge sind eher bescheiden: Man kann für eine von drei Fraktionen Aufträge annehmen, die einen quer über den Ozean zu verschiedenen Gebieten lenken. Mal sucht man Schatztruhen, dann wiederum muss man skelettierten Piratencrews den Garaus machen. Und wer sein Piratenleben eher pazifistisch interpretiert, kann versuchen, für das Handelskontor Tiere zu fangen. Schließlich wartet auch noch ein geheimnisvoller Fremder, der erst mit einem spricht,  wenn man bei den drei Fraktionen bestimmte Reputationsstufen erreicht hat. Der Aufstieg ist natürlich eng mit den verteilten Missionen verknüpft.

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Die ansehnliche Kulisse mit ihren stimmungsvollen Panoramen sowie beeindruckenden Wellenbergen ist der Höhepunkt von Sea of Thieves. © 4P/Screenshot

Und man ist nicht allein: In dieser so genannten „Shared World“ (gemeinsam genutzten Welt) tummeln sich auch andere Piraten, die entweder solo, zu zweit oder als Teil einer vier Mann starken Crew Ruhm und Gold hinterherjagen. Das ist ein gelungenes Fundament für ein spannendes sowie unterhaltsames Freibeuter-Abenteuer. Man fühlt sich von Beginn an wohl in dieser Welt. Es fehlen zwar Anleitungen, wie man sich orientiert oder wie man die zwar arcadige, aber letztlich doch verhältnismäßig komplexe Kontrolle über die Schiffe perfektioniert. Doch man hat die einfachen Mechaniken schnell verinnerlicht und kann sich auf die großteils sehr ansehnliche Welt einlassen. Und ehe man sich versieht, schippert man von Insel zu Insel, löst Rätsel, hebt Schatztruhen, bekämpft Skelette und fängt Hühner, Schweine oder Schlangen, als ob man niemals etwas anderes gemacht hatte. Man erfährt einen Freudentaumel, wenn man die mitunter kryptischen Hinweise löst, die das Versteck von Schatzkisten verraten oder ein vergleichsweise seltenes Vieh findet. Natürlich kann man auch versuchen, andere Crews zu „entlasten“ und ihnen ihre möglicherweise schwer verdiente Beute abzunehmen. Immerhin ist man hier als Pirat unterwegs und nicht als Pfadfinder.   

Ehrloses Gesindel

Doch der Spaß, den man anfangs hat, kann schnell verfliegen und ist letztlich von mehreren Faktoren abhängig. Zum einen spielt natürlich die Größe der Crew und ihre Eingespieltheit eine Rolle. Bis zu vier Spieler können eines der größeren Schiffe in See stechen lassen. Wenn die Aufgaben klar verteilt sind und kompetent bearbeitet werden, entsteht nicht nur eine interessante Kommunikationsdynamik, sondern entfaltet Sea of Thieves seinen ganzen Reiz: Mit einem Steuermann, einem Ausguck, einem Navigator mit einem Auge auf der Karte sowie einem Seemann, der sich um die Takelage kümmert, fühlt man sich als Teil eines Teams. Jeder ist wichtig und wenn in Krisensituationen nur einer die Nerven verliert oder anfängt, Mist zu machen, wird man spätestens in Kanonenschlachten gegen andere Crews den Kürzeren ziehen. Das Problem hier: Meist ist man nur mit Kumpels konkurrenzfähig. Wenn in einem Viererteam ein oder mehrere Chaoten, Inkommunikative oder

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Man muss sich nicht nur vor anderen Piraten in Acht nehmen, sondern sich in bestimmten Bereichen auch gegen NPC-Beschuss wappnen. © 4P/Screenshot

vielleicht im Zweifelsfall des Englischen bzw. der Crew-Primärsprache nicht mächtige  Spieler dabei sind, sinkt der Spaß für alle auf den Meeresgrund.

Um dies einzugrenzen, kann man auch mit einer Zweiercrew oder solo auf einer entsprechend kleineren Schaluppe die See bewältigen. Dann wiederum ist entscheidend, mit welchem Spielertyp man auf dem Server gelandet ist. Es gibt diejenigen, die Sea of Thieves als Piratenrollenspiel verstehen und zwar Jagd auf andere, vermeintlich schwächere Spieler machen, aber sich damit zufrieden geben, ihnen die Beute zu nehmen, sie vielleicht sogar zu töten und ihr Schiff zu versenken. Mitunter geben sie sich auch zufrieden, wenn man ihnen die Aufgabe signalisiert. Quasi eine Leben-und-leben-lassen-Mentalität. Und mit solchen Spielern habe ich auch kein Problem damit, dass die gesamte Spielwelt eine PvP-Zone ist, in der man theoretisch nie sicher sein kann. Das Piratenleben ist ja kein Ponyhof. Doch wenn Spieler oder Crews nur darauf aus sind, Chaos zu stiften und (meist numerisch unterlegene) Spieler nicht nur besiegen, sondern demütigen wollen, indem sie nahe des Schiffs-Spawnpunktes campen, bei dem man nach einem kurzen Ausflug in die „Unterwelt“ landet, und einen abschießen, bevor man überhaupt eine Möglichkeit zur Verteidigung hat, ist das nervig, frustrierend und absolut demotivierend. Insbesondere, wenn die Crew danach Jagd auf einen macht, obwohl sie weiß, dass man eigentlich nichts auf seinem Schiff hat. Gegenwärtig gibt es keinerlei Schutz gegen Chaos-Piraten. Allerdings wird man nach häufigem Ableben in kurzer Zeit zum Aufwachen mit einem frischen Schiff vor Anker auf eine vom ursprünglichen multiplen Tod weit entfernte Insel versetzt. Ob diese evtl. sogar auf einem anderen Server ist, können wir nicht mit Bestimmtheit sagen.