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Scorn (Action-Adventure) – H. R. Giger wäre stolz

Das Horror-Abenteuer Scorn der serbischen Entwickler von Ebb Software ist schon seit Studio-Gründung 2014 in Entwicklung. Das von H.R. Giger inspirierte, unheimlich bizarr anmutende Spiel erlangte nach zwei erfolgreichen Kickstarter-Kampagnen aber erst 2020 größere Aufmerksamkeit, als es konsolenexklusiv für die neue Microsoft-Konsole Xbox Series X angekündigt wurde. Das ist über zwei Jahre her und erst jetzt ist der Biomechanik-Fiebertraum für PC, XBS und im Gamepass erschienen. Kann Scorn neue Maßstäbe im Horror-Genre setzen?

© Ebb Software Studio / Microsoft

Rätsel? Machbar!

 

Anders als bei der Höllen-Vollkatastrophe Agony von den Madmind Studios ist es den Serben der Ebb Studios aber gelungen, um ihre abgründige Ekel-Vision ein überzeugendes und technisch durchaus beeindruckendes Spiel zu stricken, das auch abseits seiner visuellen Body-Horror-Schockmomente richtig gut funktioniert. Denn das oben beschriebene Rätsel ist kein Einzelfall. Scorn führt einigermaßen linear durch bizarre Umgebungen, die mich immer wieder mit klassischen Schiebe- und Drehrätseln konfrontieren. Die sind aber weitestgehend fair gestaltet: Wer halbwegs aufmerksam durch die schleimigen Gänge streift, der erkennt schnell, was hier wie gemeint ist. Fast jede Maschine kann zudem frei aktiviert und ausprobiert werden, sodass mit einigermaßen wachem Geist und Vorstellungsvermögen kaum Fragen offenbleiben. Ähnliches gilt für die verwachsene Level-Architektur, die zwar labyrinthartig anmutet, oft aber einer eindeutigen Struktur folgt, die mit etwas Konzentration schnell durchschaut ist. Klar: Mal eben nebenbei spielen lässt sich Scorn nicht, dafür ist es aber auch nicht gedacht. Denn nur wenn man die Atmosphäre dieses bizarren Schauplatzes Meter für Meter aufsaugt, funktioniert der starke Sog dieses besonderen Spiels.

 

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Nicht verzweifeln: Dieses erste Schieberätsel dürfte viele schon zu Beginn aussteigen lassen. Mit ein wenig Konzentration ist es aber machbar! © 4P/Screenshot

Dass man einigermaßen konzentriert bei der Sache sein muss, wird auch durch den mitunter happigen Schwierigkeitsgrad im Kampf deutlich. Es stehen mehrere Bio-Knarren zur Verfügung, mit denen die Existenz der ekligen Mutationsviecher dauerhaft beendet werden kann. Allerdings sind die Ressourcen extrem begrenzt und die Half-Life artigen Stationen für Lebensenergie und Munition rar. Oft ist die Flucht sinnvoller als der offene Kampf, was ich schmerzhaft durch den Neustart eines ganzen Kapitels lernen musste, da mich ein Autosave in eine nicht mehr lösbare Kampfsituation gebracht hat. Ärgerlich – aber angesichts der kurzen Gesamtspielzeit aber kein echtes Drama. Auch einen durchaus knackigen Bosskampf gibt es – weiter ins Detail gehen werde ich an dieser Stelle aber wie versprochen nicht.

 

 

 

Zu schnell am Ende

 

 

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Finster und morbide. Wenn der Stil bei euch nicht verfängt, ist Scorn nichts für euch. Das Horror-Abenteuer lebt vor allem von seiner Atmosphäre. © 4P/Screenshot

Ist Scorn also ein alles überragender Horror-Superhit? Naja, nicht ganz. Einerseits ist da die wie bereits erwähnte, wirklich kurze Spielzeit. Klar, die Entwickler sind geschickt und hören dann auf, wenn es am … nunja … ähm … „schönsten“ ist. Mir persönlich ist aber gerade das Ende viel zu offen und unkonkret, zumal ich kurz vor dem Abspann das Gefühl hatte, dass der Bizarro-Modus jetzt erst so richtig in den höchsten Gang schaltet. Das ist schade. Außerdem hätte ich mir zum Ende hin etwas mehr Kontext gewünscht. Klar, eine „das ist hier los“-Texttafel, die das Mysterium von Scorn final entzaubert braucht kein Mensch. Aber wenigstens eine etwas eindeutigere Cutscene zum Schluss hätte mir definitiv weitergeholfen.

 

 

Andererseits störte mich das in der Testversion auch am PC nicht abschaltbare Motion-Blur, welches in Bewegung den gesamten Bildschirm zu sehr verschwimmen lässt. Hier wurde aber immerhin ein falschherum beschrifteter Schalter zum Release nachgereicht. Und immerhin kann ich hier auch das Field of View einstellen, das in seiner Grundeinstellung einfach viel zu wenig vom Spielgeschehen zeigt. Generell ist die Technik dank Unreal Engine aber meistens richtig gut. Zwar könnte im Detail die eine oder andere Textur oder Oberfläche schärfer sein, gerade die tollen Animationen und die beeindruckende Architektur der Albtraum-Welt von Scorn sind aber ungemein sehenswert. Auch das Kreaturendesign ist an vielen Stellen stark. Zwar sind die knubbeligen Feind-Mutanten in dieser Umgebung schon beinahe das normalste, andere Viecher sind dafür aber so wahnsinnig expressiv und auf The-Thing-Niveau grauenerregend bizarr gestaltet, dass der geneigte Body-Horror-Fan wirklich voll auf seine Kosten kommt. Das wird auch vom Sound unterstrichen, der vor allem auf mechanische Geräusche, fleischiges Matschen und schmerzvolles Stöhnen setzt. Musik existiert in dieser Unwelt nicht, wodurch die Erfahrung noch ungefilterter und unmittelbarer wird.