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Resident Evil Village (Action-Adventure) – Capcoms Horror-Show

Drei Jahre nach den Ereignissen von Resident Evil 7 wird die Geschichte von Ethan Winters fortgeführt. Diesmal geht es nach Rumänien, wo er zusammen mit seiner Frau Mia und ihrem Baby Rosemarie lebt. Dort will er das Grauen rund um die durchgeknallten Hillbillies und die mysteriöse Pilzinfektion vergessen. Aber die europäische Idylle währt nicht lange: Das Kind wird entführt und Capcom öffnet den Vorhang für eine Horror-Show der bizarren Art. Wie uns der Trip gefallen hat, verrät der Test.

© Capcom / Capcom

Achterbahnfahrt der Motivation

 

Wie viele unterschiedliche Spiele und Motive habe ich in diesem Resident Evil Village erlebt? Wie viele Höhen und Tiefen? Gerade zu Beginn war einiges gut, motivierend oder sogar hitverdächtig. Doch dann wird man Stück für Stück ernüchtert oder traut seinen Augen im letzten Drittel nicht. Wenn ich hoffe (!), dass ein Spiel nach dem letzten Boss bitte nicht noch weiter geht, wenn ich einen Test derart kritisch beginne, anstatt mit einer stimmungsvollen Szene anzufangen, dann sagt das viel über die Regie aus, über die ich einfach nur den Kopf schütteln kann.

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Das Spiel beginnt friedlich im Zuhause der Winters: Ethan bringt Baby Rose zu Bett… (PC) © 4P/Screenshot

Warum sollte ich mich ihr im Aufbau dieser Kritik anpassen? Warum schön chronologisch zwei Seiten mit Positivem beginnen, nur um dann alles stückweise einzureißen? Nix da. Ein Test ist nicht dazu da, schön einzustimmen – dafür gab es die Demo. Außerdem sitzt die Enttäuschung zu tief, zumindest bei uns Veteranen in der Redaktion, die alles ab Alone in the Dark und Resident Evil an begleitet haben. Ich hab mit Micha, der Resident Evil 7 immerhin mit hohem Gold (!) ausgezeichnet hat, diesen zehnten Teil zusammen gezockt. Wir waren uns nach dem Finale einig, dass vor allem das plumpe letzte Drittel ein schlechter Scherz ist. Und weil uns das so nachhängt, gibt es hier auch sofort Tacheles statt szenisches Kinoflair.

Potenziale blitzen auf, Resi 4 lässt grüßen

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Als die Ereignisse eskalieren, rettet sich Ethan in ein Dorf, das mit Friedhof, Kirche und Schloss im Hintergrund einiges an Dracula-Potenzial zu bieten hat. Aber um den Fürst der Vampire und seine Schar geht es in Resident Evil Village nicht…(PC) © 4P/Screenshot

Das ist ja deshalb alles so ärgerlich, weil dieses Spiel mit dem rumänischen Schauplatz und dem prächtig designten Dorf durchaus Potenzial zeigt! Die Regie konnte mich über zwölf bis vierzehn Stunden zunächst ködern, aber hat mich dann hoffnungslos verloren – das war wie eine qualitative Rutsche. Capcom sollte sich ernsthaft fragen, warum der Spaß mit dem Geballer und den Stilbrüchen gegen Ende immer so abflaut. Und warum sie damit erneut den Anschluss an faszinierenden Horror verlieren, der schon in Zeiten von F.E.A.R. und Dead Space selbst mit viel Action wesentlich besser war. Sie finden einfach keine Linie im Spieldesign, keine Konstanz oder gar Entwicklung. Hier die letzten Jahre, dieses Auf und Ab, im Schnelldurchgang: Resi 5: sehr gut, Resi 6: ausreichend, Resi 7: sehr gut, Resi 8: befriedigend. Dass man noch solides Niveau erreichen konnte, das sollen die folgenden Seiten erläutern.

 

 

 

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…auch wenn Lady Dimitrescu alle Merkmale einer mächtigen Blutsaugerin in sich vereint. Sie ist gerade zu Beginn der Star des Spiels. (PC) © 4P/Screenshot

Die Ironie dieser Geschichte ist ja, dass Capcom gerade an Resi 4 anknüpft – das ich damals mit Platin gefeiert habe und das für mich mit dem mutigen Spieldesignwechsel der letzte große Tusch innerhalb einer Reihe war, die seitdem auf der Suche nach der Faszination  des Schreckens ist. Nur darf man nicht vergessen: Diese Begeisterung entstand im Kontext einer anderen Zeit, anderer Spiele – auch der actionreiche Horror hat sich seitdem entwickelt, so dass ich die Wertung heute nicht mehr geben würde.

Trotzdem hatte Resi 4 damals einen Nerv getroffen und für packende Unterhaltung gesorgt, die man heutzutage mit angepassten Spieldesign, Technik und Tempowechseln verbessern könnte – das war zumindest meine naive Hoffnung. Zu Beginn riecht es sogar danach, wenn man das Dorf betritt. Und dann baut man mit Lady Dimitrescu zunächst einen herrlich markanten Charakter auf, der fast ein eigenes Spiel verdient hätte! Wenn einen diese beeindruckende Vampirdame gemessenen Schrittes durch das wunderbare Schloss verfolgt, während sie einem Flüche hinterher schickt und wie ein Riese unter niedrige Türen bücken muss, entsteht ein angenehm unheimliches Gefühl – zumindest bis man merkt, dass man im Raum mit der Schreibmaschine sicher ist, weil sie vor der Tür abdreht. Aber diese „sicheren Zonen“ gehören trotz der Unlogik (von der es viel gibt) mit zu den nostalgischen Déjà-vus. Und dieser barocke Schauplatz ist mit seinen knarzenden Dielen, marmornen Hallen, mittelalterlichen Rüstungen, geheimen Gängen und finsteren Kellern prädestiniert für klasse Horror – zumal die im letzten Teil eingeführte „RE Engine“ all das so ansehnlich illustriert, dass jeder Raum wie ein Gemälde wirkt.