Ursprünglich erschien Persona 3 in, passend zum Namen, drei Varianten: Die Standardversion schaffte es 2008 zu uns in den Westen, 2009 folgte FES mit einem rund 30-stündigen Epilog und der ein oder anderen Änderung, 2011 war dann Portable an der Reihe, das das Rollenspiel mit einer weiblichen Protagonistin und neuen Social Links ein weiteres Mal ordentlich umkrempelte. Persona 3 Reload ist nun nicht die ultimative Kombination all dieser Umstände, sondern größtenteils das klassische Erlebnis des Originals – natürlich auf Hochglanz poliert und mit einigen sinnvollen Komfortänderungen, die die Reihe in den letzten 15 Jahren so durchlebt hat. Ohne das Ursprungsspiel erlebt zu haben, aber mit Persona 4: Golden, Persona 5 Royal sowie den zahlreichen Spin-Offs im Lebenslauf, haben wir uns die Schuluniform der Gekkoukan High übergestülpt, sind den Tartarus emporgeklettert und verraten euch im Test, ob sich die Reise auch nach all den Jahren noch lohnt.
So weit, so gewohnt – selbst für diejenigen, die mit Persona 5 ihren ersten Berührungspunkt mit der Reihe hatten. Einer der größten Unterschiede findet sich allerdings im Dungeon-Konzept, denn die auf die Antagonisten zugeschnittenen Paläste mit festen Layouts, Rätseln und Geschichten waren 2008 beim Release von Persona 3 noch ferne Zukunftsmusik. Das hat sich auch in Reload nicht geändert; auf Schattenjagd geht ihr fast ausschließlich im sogenannten Tartarus: Ein riesiger Turm mit Stockwerken im dreistelligen Bereich, der sich bei jedem Besuch zufallsbasiert verändert und sich für Neueinsteiger am besten mit Mementos aus P5 vergleichen lässt. Jeden Abend stehe ich vor der Entscheidung, ob ich einer der zuvor aufgezählten Aktivitäten fröne oder mich auf Erkundungstour in den Tartarus begebe.
Unterteilt ist das Bauwerk in verschiedene Ebenen, die wiederum mehrere Etagen umfassen: Kommt der erste Bereich noch auf rund 20, sind es bei dem zweiten bereits satte 40. Zwischen düsteren Schulkorridoren, H.R. Giger-artigen Alien-Gängen und riesigen Fabrikhallen wird hier zumindest optisch für ein bisschen Abwechslung gesorgt, während man musikalisch und inhaltlich leider das stets gleiche Programm abspult: Umherirrende Schatten wollen attackiert werden, um sie in rundenbasierte Kämpfe zu verwickeln; Kristallstatuen zerstört und Schatztruhen geöffnet, um wertvolle Gegenstände zu erhalten. Der Gameplay-Loop im Tartarus bleibt auch über mehr als 100 Stockwerke hinweg größtenteils der gleiche und wird nur gelegentlich durch minimale neue Features aufgelockert.
Alle paar Etagen erwartet euch ein kleiner Bosskampf, bei dem das Ausnutzen von Schwächen elementar wird – oder gar nichts bringt, wenn der Gegner keine hat. Dann hilft nur das Senken der gegnerischen Statuswerte, ihn mit Effekten wie Schock, Frost oder Angst zu belegen und das eigene Team mit Buffs zu stärken. Auch auf der normalen Schwierigkeitsstufe muss hier geschickt geplant werden: Wer mit unterlevelten Personas oder ohne Strategie in die Kämpfe geht, dürfte bald wieder am Fuße des Tartarus ausgespuckt werden. Solltet ihr nach mehr oder weniger Herausforderung dürsten, könnt ihr zwischen vier der fünf Schwierigkeitsgrade jederzeit hin- und herwechseln; nur der härteste fesselt euch an eure anfängliche Entscheidung.
Weitere Herausforderungen bieten die Monad-Türen, hinter denen euch besonders starke Schatten, aber eben auch besonders wertvolle Schätze erwarten, und später wollen dann sogar noch verirrte Passanten aus den Tiefen des Tartarus gerettet werden. So entfaltet der Turm einen Sog, der mich bis zuletzt bei der Stange gehalten hat – ja, ich wollte sogar immer noch mehr davon und begab mich bei jeder Gelegenheit auf Schattenjagd. Ich fieberte den Bosskämpfen entgegen und genoss den Fluss des Kampfsystems, der dank der verschiedenen Mechaniken und gelungener Menüführung geschmeidig von der Hand geht und trotz rundenbasiertem Grundgerüst echtes Tempo entwickelt, wenn man seine Teamaufstellung und Persona-Fähigkeiten erst einmal verinnerlicht hat.
Zug um Zug zum Sieg
Um zu verstehen, was das Kampfsystem so gut macht, braucht es natürlich erst einmal einen Abriss, wie es funktioniert. Die erfreulichste Nachricht: Auch wer bislang nur Persona 5 gespielt hat, muss sich lediglich auf winzige Änderungen einstellen, denn die Basis ist ohnehin die gleiche und einige der vorherigen Unterschiede wurden durch leichte Anpassungen beinahe vollständig aufgehoben. Anstatt der Aufteilung in physischen Nah- und Fernkampfschaden bedient sich Persona 3 Reload einem Dreieck, das in Hieb, Schlag und Durchbohren eingeteilt wird; die magischen Eigenschaften sind die gleichen, nur dass Psychokinesis und Nuklear fehlen. Neu sind die mächtigen Theurgie-Angriffe, doch dazu später mehr.
Solltet ihr noch gar keine Berührungspunkte mit der Reihe gehabt haben, folgt hier aber noch einmal eine vollständige Erklärung: Euer Team besteht aus vier Mitgliedern, wobei der Protagonist immer dabei sein muss und ihr die anderen drei Charaktere nach Belieben aus dem Pool an Möglichkeiten wählt. Während ihr auf eine Reihe an Personas mit mehreren Fähigkeiten zugreifen könnt, bedienen sich Junpei, Yukari und der Rest der SEES nur einer einzigen, die sich auf einige wenige Attacken spezialisiert haben. Einen kostenlosen Standardangriff, dessen Schadenstypus sich nach der Waffe des Charakters richtet, besitzen alle; die Skills kosten SP oder Lebenspunkte, falls es sich um physische Manöver handelt.
Zug um Zug heißt es nun, die Schwächen der Gegner herauszufinden und entsprechend zu agieren: Greift ein Schatten mit Eisattacken an, ist häufig Feuer effektiv, Nutzer von Blitzangriffen neigen dazu, von Wind umgepustet zu werden. Später ist diese Taktik nicht mehr auf alle Feinde anwendbar und wenn ihr nicht blind drauf los feuern wollt, bleibt, sobald ihr diese freigeschaltet habt, nur der Griff zur Analyse-Fähigkeit eurer Navigatorin – die ist in Persona 3 Reload übrigens nicht ganz so passiv wie in den beiden Nachfolgern, sondern kann bewusst eingesetzt werden, beispielsweise um Unterstützung im Kampf zu leisten oder euch vor Schatten unsichtbar zu machen. Definitiv eine gute Entscheidung, damit ihr eine aktivere Rolle im Team zukommt.